Auf dem Wasser und an Land erwarten Freizeitkapitäne eines Hausboots Natur pur, malerische Orte sowie Menschen voller Tatendrang.
Welch eine himmlische Ruhe! Mit um die acht Kilometer pro Stunde tuckern wir die schmale Wasserstraße entlang. Hier zeigt sich eine letzte weiß blühende Seerose, dort ein einsamer Fischreiher, der regungslos an einer seichten Stelle verharrt. Eine Schar Flussschwalben hat offenbar Spaß daran, knapp über unseren Köpfen hin und her zu sausen. Majestätisch gleitet ein Schwanenpaar dahin. Der in der Region verbreitete Eisvogel lässt sich nur ganz kurz blicken.
Von Kurve zu Kurve im Woblitz-Kanal
Am nahen Ufer gleich hinter dem Schilf bilden Sträucher und Laubbäume eine dichte grüne Wand. Die Woblitz, ein 2,5 Kilometer langer, kurvenreicher Kanal, führt uns nach Himmelpfort, das zu Stadt Fürstenberg/Havel gehört. Immer wieder drückt Yvonne Schön, unsere Frau am Steuer, auf die Schiffshupe. Das Schallsignal, wie es korrekt heißt, soll andere auf uns aufmerksam machen. Denn in den engen Kurven ist nur Platz für ein Boot.

Unser Hausboot vom Typ “Penichette” – die Verkleinerungsform von “Peniche”, dem französischen Begriff für Lastkahn – ist 15 Meter lang, 3,85 Meter breit und hat einen Tiefgang von 85 Zentimetern. Unter Deck gibt es vier Kabinen mit je zwei Kojen, eine Küche mit Gaskocher, Spüle und einem Kühlschrank mit Gefrierfach. Zu jeder Kabine gehört eine Toilette mit Dusche. Am Tisch im Aufenthaltsraum ist Platz für bis zu acht Personen. Alle Räume verfügen über eine Heizung.

Solch ein Urlaub auf dem Wasser ist kein billiges Vergnügen. Zwischen 2.000 und 3.000 Euro kostet es je nach Größe, ein Hausboot für eine Woche zu mieten. Hinzu kommen die Liegegebühren in den Häfen sowie die Kosten für Landstrom und Wasser. Wer nicht an Bord, sondern in der Marina duschen will, muss auch dafür zahlen. Ein Bootsführerschein ist nicht erforderlich.
Fürstenberg/Havel: Heimathafen für 50 Hausboote
Gestartet sind wir in der Marina von Fürstenberg/Havel. Um die 50 Boote des Anbieters Locaboot haben hier ihren Heimathafen. Im kommenden Jahr fahren sie unter der Flagge von Riverly. Dieser neue Name steht für den Zusammenschluss von Locaboot und Nicols, dem traditionsreichsten Hausbootanbieter Europas. Basisleiter Guido Gall hat uns vor dem Start mit Technik sowie Steuerung des schwimmenden Quartiers vertraut gemacht und eine Proberunde auf dem Schwedtsee mit uns gedreht. Er erklärt uns auch, wie wir uns beim Passieren einer Schleuse verhalten sollen. Seine Hinweise können wir an den folgenden Tagen gut gebrauchen.


Die erste Station unserer mehrtägigen Reise ist Himmelpfort. Wir legen am Bootshaus Stolpsee an und machen uns auf den Weg zur Hauptattraktion des Ortes, dem Weihnachtspostamt. “Wir sind der größte deutsche Weihnachtsmann-Standort in Deutschland. Zwischen 320.000 und 330.000 Briefe erreichen uns jedes Jahr. 2024 kamen sie aus 72 Ländern”, erzählt Itta Olaj, Geschäftsführerin des Tourismusverbandes Brandenburgische Seenplatte e.V. “Und jeden, der bis zum 3. Advent hier eintrifft, beantworten ehrenamtlich tätige, fleißige Frauen”, versichert sie.
Himmelpfort: Neues Leben in alter Klosteranlage
Gleich gegenüber befindet sich das für 2,4 Millionen Euro sanierte Brauhaus am Rande einer ehemaligen Klosteranlage der Zisterzienser aus dem 13. Jahrhundert , heute eine Kultur- und Begegnungsstätte. Der IT-Unternehmer Jörg Bergmann, früher in Grimma tätig und jetzt Vorstand einer Gemeinnützigen Bürgerstiftung, hat dem ausgebrannten Gemäuer gemeinsam mit vielen Einheimischen neues Leben eingehaucht.
Auf jeder Etappe der Reise treffen wir auf Natur pur, malerische Orte sowie Menschen voller Tatendrang. In Lychen wandeln wir auf den Spuren der Pinne (Heft- oder Reißzwecke), die der Uhrmacher Johann Kersten 1902/1903 erfand, und bestaunen die einst zu den Heilstätten Hohenlychen gehörende, denkmalgeschützte Helenenkapelle. Ein Förderverein verhalf ihr nach Jahrzehnten der Verwahrlosung zu altem Glanz.


Auf der Schlossinsel in Mirow tauchen wir in die Adelsgeschichte Mecklenburgs ein, erfahren, dass die englische Königin Sophie Charlotte hier geboren wurde und lassen uns im Café des 3-Königinnen-Palais ein Stück der nach ihnen benannten Torten schmecken. In Röbel/Müritz führt uns Karsten Thon, der das Hauses des Gastes leitet, in den Bürgergarten mit Amphitheater, zu den typischen bunten Häusern seiner Stadt und 148 Stufen hinauf auf den Turm der St.-Marien-Kirche. Der Ausblick ist überwältigend!

Nach frischem Fisch, Wild und Gemüse brauchen wir auf unserer Reise nicht lange suchen. Im “Seehotel Lindenhof ” Lychen, im Hotel und Restaurant “Zum Löwen” in Strasen oder im Restaurant “Blaue Maus” in Mirow werden Regionalität und Qualität groß geschrieben. Im Fischereihof Ahrensberg geht es einfacher zu. Auf Holzbänken direkt am Wasser lassen wir uns Fischsoljanka und -brötchen schmecken. Gemeinsam mit seinem Sohn leitet Wolfgang Bork die Seenfischerei “Obere Havel” Wesenberg . 50 bis 60 Tonnen Aal, Barsch, Forelle, Hecht und Schleie gehen der Genossenschaft pro Jahr ins Netz oder in die Reuse.


Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Berlin haben sich 2022 zur Initiative Deutschlands Seenland zusammengeschlossen. “Wir wollen die Gäste unserer Stadt stärker auf die Außenbezirke und Sehenswertem dort aufmerksam machen”, erklärt Christian Tänzler, Pressesprecher von visitBerlin, bei einem Abstecher nach Berlin im Anschluss an unsere Hausboottour im Havelland.
Spreebogen Alt-Moabit: Moderne Architektur und Geschichte
Ein Beispiel dafür ist der Spreebogen in Alt-Moabit. Hier fahren die Passagierschiffe vorbei an einer begrünten Promenade, der Straße der Erinnerung mit Bronzeskulpturen berühmter Persönlichkeiten von Malerin Käthe Kollwitz bis Computer-Erfinder Konrad Zuse sowie moderner Architektur. Das Hotel AMERON Berlin ABION bietet großzügig geschnittene Zimmer, einen fantastischen Ausblick auf die Skyline und im hauseigenen Restaurant “Carl & Sophie” eine vorzügliche Küche.

Der Landwehrkanal in Berlin-Kreuzberg bietet die Gelegenheit, selber aktiv zu werden: bei einer Tour im Kajak. Pro Person kostet sie für zwei Stunden 24 Euro, für drei Stunden 34 Euro (von April bis Oktober). Vorbei geht es an Gründerzeithäusern, der ehemaligen Kreuzberger Synagoge oder dem Umspannwerk Neukölln bis zum Dreiländereck an der Grenze zu Treptow.
Paddeln auf dem Landwehrkanal in Kreuzberg
“Unterwegs legen wir mehrere Stopps ein. Dann erfahren die Paddler Wissenswertes zur Geschichte des Kanals und der angrenzenden Stadtbezirke, über die Klassenkämpfe in den 1920-er Jahren, DDR-Flüchtlinge und ihre Helfer oder die Hausbesetzerszene”, sagt Guide Michael Scheel von Kajak Berlin Tours. Während unserer Tour begegnen uns Schwäne, Enten sowie Kajaks mit jungen Leuten und blauen Müllsäcken. Beim World Cleanup Day gegen Umweltverschmutzung ist jede helfende Hand willkommen.
Mehr Informationen: www.deutschlands-seenland.de, www.locaboat.com, www.kajakberlintours.de