Kreuz und quer durch Argentinien

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Iguacu Falls, Brazil

Argentinien – na klar – das ist das Land der Gouchos, des Fußballs und des Tango.

Viel mehr wissen wir Mitteleuropäer kaum über das traumhafte Fleckchen Erde am „ Ende der Welt“.

Doch es ist viel, viel mehr.

Schier endlose Naturschönheiten, eine überraschende Tierwelt  und vor allem eine besondere Atmosphäre prägen dieses großartige Land.

Leider und immer wieder werden die Argentinier – hauptsächlich aus südeuropäischen Ländern stammend – von Wirtschaftskrisen gebeutelt. So auch in diesen Tagen.

Trotzdem möchte ich Ihnen den Bericht meiner ersten Reise kreuz und quer durch Argentinien anbieten.

Obwohl ich als Touristiker – so dachte ich – gut vorbereitet war, war ich mehr als überrascht.

Alleine die flächenmäßige Ausdehnung, man kann sich das kaum vorstellen. Von Nord bis Süd sind es zwar nicht viele Zeitzonen, aber es gibt fast gleichzeitig alle Jahreszeiten. In Buenos Aires, der unglaublich schönen Metropole etwa in der Mitte des Landes  zwischen Nord und Süd, war es im Oktober richtig Frühling mit blühenden Bäumen und Blumen, während ganz im Süden auf Feuerland noch eisiger Winter herrschte.

Dagegen ist ganz im Norden an der Grenze zu Brasilien und Urugay  das ganze  Jahr  tropisches Klima. Hier begeistern die gigantischen Iguazu-Wasserfälle. Das muss man gesehen haben, mitten im Dschungel. Ganz abenteuerlich von Buenos Aires aus zu erreichen. Zwei Stunden mit einem Verkehrsflugzeug, dann noch eine gute Stunde mit einer kleinen Propmaschine und noch eine Stunde mit einem Allradfahrzeug. Aber es lohnt sich. Ein unbeschreibliches Schauspiel unendlicher Wassermassen.

National Congress building, Buenos Aires, Argentina

Zurück in Buenos Aires staunte ich über die Bauten der Stadt. Eine Mischung aus den schönsten Metropolen Mitteleuropas. Bauten, Plätze und Straßen wie in Madrid, Paris oder Rom scheinen zusammen getragen zu sein. Riesige Denkmäler,  Brunnen mit Wasserspielen mitten in der Stadt, Häuser im Jugendstil mit Eisengeländern aus Schmiedeeisen an den Balkonen, dazwischen unerwartet viele Parks mit altem Baumbestand und riesigen bunten Blumenanlagen. Dazwischen südlicher Charakter mit Palmen und bunten Vögeln. Dazu eine unbeschreibliche Atmosphäre und freundliche, vornehmlich elegante Menschen, die sich fröhlich und gelassen durch die Stadt bewegen. Sie erschienen mir wie eine Mischung aus Mitteleuropäern – also Deutschen, Franzosen, Italienern und Spaniern. Man muss sie einfach mögen. Übrigens, sie mögen uns Deutsche auch.

In den unzähligen Cafes tummeln sich die Menschen fast den ganzen Tag, so könnte man meinen. Wenn man das Treiben aber genauer betrachtet, kommen sie nur relativ kurz auf einen Drink oder Kaffee  vorbei, vielleicht noch für einen kleinen, landestypischen Imbiss, dann sind sie wieder weg. Und der Tango ist allgegenwärtig. Nicht nur in den Cafes.

Ich besuchte eine professionelle Tango-Show am Abend. Die geschniegelt und gebügelt  aussehenden Tänzerinnen und Tänzer beherrschten den Tango perfekt. Das Orchester war mit älteren, vornehmlich spanisch aussehenden Herren besetzt. Ihre Musik – eben der Tango – einfach faszinierend. Beeindruckend vor allem die sentimentale Atmosphäre. Sie erfüllt nicht nur den Raum, auch und besonders Herz und Seele der Menschen.

Neben den Hunderten von Straßencafes gibt es in der City riesige Einkaufsstraßen wie die berühmte Avenida Florida mit eleganten Geschäften und Restaurants.

Damals ging es den Argentiniern wirtschaftlich  noch vergleichsweise gut. Der Krieg um die Falklandinseln  gegen die Briten war gerade beendet und mehr oder weniger ehrenvoll für die Argentinier ausgefallen. Diesen Stolz trugen die Menschen spürbar mit sich herum. Die Islas Malvinas, wie sie diese Inseln liebevoll nennen, gehören nach ihrer Überzeugung  zu Argentinien, wenngleich sie von den Engländern nach wie vor besetzt sind.

Als Kenner der Geschichte um Evita Peron wollte ich unbedingt deren Grabstätte im unglaublich schönen und sehr eindrucksvollen Stadtfriedhof von Buenos Aires besuchen.  Evita Peron war bereits zu Lebzeiten ein Mythos, nicht nur für Argentinier. Sie war die Gattin des früheren Präsidenten Juan Peron und verstarb 1952 an Leukämie. Das bekannte Musical Evita dreht sich um das Leben und Wirken der schönen und eleganten Frau. Die Argentinier lieben sie offensichtlich noch immer. Die monumentale Grabstätte war fast zugedeckt mit frischen Blumen, hauptsächlich Rosen.

Zusammen mit einem Geschäftsfreund, der auch um ihre Geschichte wusste, habe ich Evitas Grabstätte besucht. Unsere zwei roten Rosen gesellten sich zu den anderen und wir hatten das Gefühl, an einer einmaligen Stelle der Geschichte zu stehen. Mich beschlich „argentinisches Lebensgefühl“.  Man kann es nicht beschreiben, man muss es erleben.

Nach einigen Tagen in Buenos Aires flog ich weiter Richtung Feuerland. Nach drei Flugteilen, zwei Strecken mit jeweils einem normalen Linienjet und dann weiter mit einer alten Propellermaschine nach Ushuaia, der „Hauptstadt“ der Feuerlandinseln. Ushuaia ist die südlichste Stadt der Welt und liegt in einem Bergkessel, weshalb der Flughafen nur mit kleineren Propflugzeugen in einem waghalsigen Landemanöver angeflogen werden kann. Die kurze Landebahn machte mich etwas nervös.

Feuerland, ein Archipel am Ende der Welt, getrennt vom argentinischen  Festland durch die Maggelan Seestraße. Am Kap Hoorn im Süden treffen Ozean und Atlantik aufeinander, der hier stattfindende „Kampf“ der beiden Weltmeere ist sehenswert. Der Meeresgrund, so erzählt man, liege hier voll von Wracks gesunkener Schiffe vergangener Jahrhunderte.

Hier war noch Winter mit Schnee und nasskaltem Wetter. Viel besser wird es hier aber das ganze Jahr über nicht. Eine Durchschnittstemperatur von 5 Grad und 90 % Regentage im Jahr. Ushuaia ist die Eingangspforte zur Antarktis. Abenteurer und Forscher nehmen im Hafen Proviant und Ausrüstung auf. Hier befindet sich auch die südlichste und letzte Poststation der Welt.

Trotz des Klimas ist eine erstaunliche Vegetation vorhanden. Im riesigen Nationalpark „Terra del Fiego“ wachsen Pflanzen und Bäume, die es sonst nirgends auf der Welt gibt. Allein die Blätter der Bäume haben tausendfach verschiedene Formen mit Zacken und Schuppen, vermutlich um sich gegen das ewig kalte und nasse Klima behaupten zu können.

Ein ganz besonderer Reiz liegt über der Stadt Ushuaia und der Inselgruppe Feuerland. Denkmäler, Häuser und Lokale erinnern an eine abenteuerliche Vergangenheit. Nach zwei oder drei Tagen wurde ich aus der Kälte im wahrsten Sinne wieder ausgeflogen. Die beschrieben kurze Landebahn kam mir als Startbahn noch kürzer vor. Die umliegenden, gewaltigen Berge zwangen die Maschine zum sofortigen steilen Aufstieg, und das, wie mir vorkam, mit viel zu geringer Geschwindigkeit wegen der kurzen Piste. Ein saublödes Gefühl im Magen war die Folge, zumal einige ausgebrannte Flugzeugwracks in der näheren Umgebung aus der Luft deutlich zu sehen waren. Ein entsprechendes Aufatmen der Passagiere war deshalb nach Erreichen einer ungefährlichen Flughöhe deutlich wahr zu nehmen.

Zwischen Feuerland und Buenos Aires liegen fast viertausend Kilometer. Ziemlich genau in der Mitte, also nach einigen Flugstunden und zweimaligem Umsteigen besuchte ich die Halbinsel Valdez. Ich hatte vorher weder davon gehört noch konnte ich mir vorstellen, was mich erwarteten würde.

Hier war es sommerlich warm bis heiß, eine Wohltat für den durchfrorenen Körper vom Tor zur Antarktis. Das war schon mal super. Die unvergessliche Überraschung sollte sich in Form einer geradezu göttlichen Tierwelt offenbaren. An den Stränden lagen Hunderte von Seelöwen und zentnerschwere See-Elefanten. Sie kommen hier her um sich zu paaren. Meist liegen sie faul und friedlich da, aber wenn die Bullen um die Weibchen kämpfen, ist das beängstigend. Mit ihren mächtigen  Zähnen können sie dem Rivalen schon mal erhebliche Verletzungen zufügen. So einen Kampf in der freien Natur aus unmittelbarer Nähe erlebt zu haben gehört zu meinen beeindruckendsten Erlebnissen. Das Gebrüll der Bullen war ohrenbetäubend und es floss viel Blut. Andere lagen teilnahmslos in der Sonne und ließen ihre deutlich sichtbaren Wunden heilen.

Die Überraschungen nahmen kein Ende. Das Naturparadies schien grenzenlos. In den Dünen der nächsten Bucht tauchten plötzlich Tausende von Pinguinen auf. Magellan-Pinguine, die wie alle anderen Besucher aus  der Tierwelt nur zur Paarung auf die Halbinsel Valdez kommen. Meist sind die stehenden „ Männchen im Frack“ die Wachhabenden. Der brütende weibliche Teil der Familie sitzt auf den Eiern im Sand oder im niederen Gebüsch. Einfach lustig, wie der „Wachhabende“ vor seinem Nest förmlich patroliert.

Прыгун

In einer anderen Bucht sollte man Wale aus der Nähe sehen können. Ich wollte das erst gar nicht glauben. Aber als ich mit einem Kleinbus dort ankam, sah ich nur wenige hundert Meter vom Strand entfernt massige Körper aus den Wellen ragen und meterhohe Fontänen in die Luft blasen. Es waren also wirklich welche da, ein Wahnsinn !

Als wir mit einem relativ kleinen Fischkutter, der langsam vor sich hin tuckerte und in den Wellen gefährlich schaukelte, zu den mächtigen Meeressäugern raus geschippert wurden, stieg die Spannung. Ein zunächst ungutes Gefühl, muss ich schon sagen. Ich staunte nicht schlecht, wir kamen ganz nah ran und ich konnte die Gattwale fast anfassen. Sie schwammen neben uns her und waren auch schon mal unter dem Boot. Ihre verwitterte und moosig aussehende Haut ragte aus dem Wasser und das Abblasen war jetzt unmittelbar im Ohr. Ein seltsames Geräusch. Das vom Wind verwehte Wasser der Fontänen traf mich wie eine Dusche. Es handelte sich schätzungsweise um sechs bis acht Giganten mit bis zu zwanzig Meter Länge und wahrscheinlich drei bis vier Tonnen Gewicht.

Auch diese letzten Prachtexemplare der Tierwelt kommen jährlich nach Valdez zur Fortpflanzung.

Beim Zurückschippern in den sicheren Hafen war sogar noch ein Orca-Wal zu sehen mit weißer Zeichnung am Kopf.

Nach einer Nacht in Puerto Pyramide, einem kleinen Ort mit fast ausschließlich Holzbauten, ging es am nächsten Tag mit einem überdimensionalen Geländewagen Richtung Westen ins Landesinnere. Wir besuchten Patagonien, das heißt, eigentlich zunächst die endlose Steppe der argentinischen Pampas. Patagonien erstreckt sich vom Rio Colorado im Norden Argentiniens bis nach Feuerland und im Westen weit hinein nach Chile. Nord – Süd etwa viertausend Kilometer, Ost – West etwa zweitausendfünfhundert. Eine unvorstellbar große und steppenähnliche Ebene, durchkreuzt ausschließlich von unerbittlichen Schotter- und Sandstraßen. Nach jeweils fünf bis zehn Kilometer wird man wachgerüttelt von eisernen Gitterrosten, die an den Straßen die Weidezäune ersetzen. Zunächst sind auf den Weiden noch riesige Rinderherden zu sehen, weiter im Landesinneren dann nur noch fast unüberschaubar große Schafherden. Je weiter man ins Land kommt, desto trockener und karger wird die Steppe und Fressbares für die Tiere wird immer weniger. Die im Westen liegenden Anden schirmen Niederschläge ab. Wasser ist hier deshalb Mangelware. Nach drei Tagen und zwei Nächten in einfachen Haziendas erreiche ich nach rund fünfhundert Kilometern an einem See den kleinen, einsamen Ort Kalafate. Hier beziehe ich Quartier in einer wildromantischen Pension. Es ist kalt. Jedes Zimmer hat einen kleinen Ofen, den man selber bedienen muss. Hierher kommen fast nur Bergverrückte, die abenteuerlich in die Anden wollen. Hier ist man noch etwa eine Fahrstunde mit dem Geländewagen vom Abbruch des größten Inlandgletschers der Welt entfernt, dem  hauptsächlich in Chile liegenden größten zusammenhängenden Eisfeld außerhalb der Pole.

Perito Moreno Glacier in the autumn afternoon, Argentina.

Schon bei der Anreise sah ich in dem Fluss, der den See von Kalafate speist, riesige Eisbrocken  treiben. Der Fluss ist breit wie ein Meeresarm, die rasch dahin treibenden Eisblöcke werden immer größer. Dann bin ich da. Ich wandere auf eine Anhöhe gegenüber des hier endenden Moreno-Gletschers. Obwohl zwischen mir und den Eismassen einige hundert Meter liegen, höre ich das ununterbrochene Brechen und Bersten des Eises so laut wie Gewehr- oder Böllerschüsse.

Aus teilweise über hundert  Metern Höhe stürzen unterschiedlich große Mengen Eis hinab ins angestaute Wasser und erzeugen Wellen in einer Höhe, dass ich Angst bekomme, sie könnten meinen Aussichtspunkt  erreichen. Das berühmte „Kalben“ eines Gletschers stelle ich mir gewaltig vor. Leider hatte ich bei meinem Besuch nicht das Glück, so ein Ereignis live zu erleben.

Die zweitägige Rückreise nach Buenos Aires war nicht weniger anstrengend als die Anreise. Die täglich bis zu acht Stunden dauernde Fahrt auf den holperigen Schotterstraßen war sehr eintönig, aber ich hatte ja viel Interessantes der Vortage zu verarbeiten.

Wieder in der sehenswerten argentinischen Hauptstadt  waren es leider nur noch zwei Tage, bis es zurück nach Deutschland gehen sollte. Die Zeit war wie im Fluge vergangen, bei dem Gesehenen kein Wunder.

Krönender Abschluss sollte ein Goucho-Fest auf einer typischen Hazienda werden.

Etwa fünfzig Kilometer südwestlich der Metropole auf einer Rinderfarm mit riesigen Flächen und mehreren hundert Rindern. Gouchos empfingen uns an einem Torbogen mit reiterischen Kunststücken, während sie typische Pfiffe und Schreie von sich gaben.  Erstaunlich,  wie sie aus vollem Galopp mit dem Lasso die Rinder fangen und nebeneinander reitend bei hohem Tempo die Pferde wechseln.

Dass es hier saftig gegrillte, argentinische Rindersteaks geben würde, hatte ich schon geahnt. Sicher wurde es, als im Innenhof der malerischen Hazienda der große, gemauerte Holzkohle-Grill  zu rauchen begann. Ich freute mich sehr darauf, weil ich schon in der Stadt unvergleichliche Steaks genossen hatte. Berühmt sind hier die typischen Lokale mit mächtigen runden Eisengrills über einem glühheißen Holzkohlefeuer. Appetit anregende Rinderstücke hängen  in einem gekühlten  Schaukasten und die Auswahl ist enorm.

Bis heute habe ich nichts Vergleichbares bekommen, nicht mal in Texas. Neben dem äußerst schmackhaften und saftigen Fleisch  zählt sicher auch die besondere Atmosphäre.

Unvergesslich auch das Erlebnis eines Fußballklassikers während meines Aufenthalts in Buenos Aires. Ein Mitarbeiter des argentinischen Tourismusverbandes hat meinen Wunsch, in das sagenumwobene Stadion der Boca Juniors zu kommen, wahr gemacht. Als Sportbegeisterter wollte ich nur einmal das Stadion sehen. Die Überraschung war riesengroß. Es gab zwei Eintrittskarten für das stets ausverkaufte Derby zwischen Boca Juniors und River Plate. Die Boca Juniors siegten 2:1. Ein bleibendes Erlebnis.

Argentinien gehört zu meinen schönsten und interessantesten Reiseerinnerungen.

Wie schon gesagt, es ist viel, viel mehr als nur Gouchos, Fußball und Tango.

 

Infos: www.argentinien.tourismus.de

Botschaft der Argentinischen Republik

Kleisstr. 23 – 26

10787 Berlin

0049 (0) 30 – 2266890

 

 

Bilder: fotolia

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Hinweis: Dieser Beitrag wird regelmäßig von Mitgliedern der Reise-Stories Redaktion wie Heiner Sieger, Gerhard Fuhrmann und Jupp Suttner auf Richtigkeit und Vollständigkeit geprüft. Falls Sie Anmerkungen zu diesem Beitrag haben, kontaktieren Sie bitte direkt hier die Redaktion.

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