Das ehrgeizige Golfemirat spielt in Sachen Kunst und Kultur in der Liga der Global player. Mit neuen Museen, spektakulären Kunstwerken und Hochglanz-Stadtquartieren macht der Wüstenstaat auf sich aufmerksam.
Bild ganz oben: Der Aspire Tower dominiert das SportstaettenAreal_©Renate WolfGoetz
Hayyakum! Willkommen in Katar. Schon bei Ankunft in Doha ist man mittendrin in der Hochglanzwelt. Im neuen Flughafen der katarischen Hauptstadt symbolisiert ein riesiger Teddybär, dass hier alles ein bisschen größer und glänzender ist. Sieben Meter misst der knallgelbe „Lamp Bear“ in der Höhe. Als skurrile Mischung aus gruselig und kuschelig hat der Zürcher Künstler Urs Fischer seinen „Lampenbär“ erschaffen. Auch sonst will der erfolgreiche Mittvierziger mit übergroßen Objekten provozieren. Das gilt auch für die Preise. Nicht weniger als sechs Millionen Dollar hat ein Mitglied der katarischen Herrscherfamilie für das „Kuscheltier“ hingeblättert, das sich selbst für die herrschaftlichen Gemächer als zu sperrig erwies und in der Flanier- und Wartehalle des Airports landete. Mehr Spaß haben die jüngsten Fluggäste an den spielerischen Installationen des amerikanischen Bildhauers Tom Otterness. Auf kugeligen Köpfen und schlauchartig stilisierten Gliedmaßen balancierend, können sich die Kids die Wartezeit vertreiben.
„In Doha ist Kunst für jeden da“, sagt Gästeführer Ferras, der vor elf Jahren aus Syrien geflüchtet ist und in der Metropole des Golfstaates eine neue Heimat gefunden hat. In der ganzen Stadt werde Kunst im öffentlichen Raum geschaffen. „Sogar in der Wüste“, erklärt Ferras. Dafür hat die Qatar Museum Authority eine eigene Abteilung eingerichtet. Mit der noch jungen Sparte soll die Behörde Katar zu einem Kulturstaat auf höchstem Niveau machen.
Mit den teilweise eigenwilligen Kunstwerken will der kleine Golfstaat inspirieren und Gemeinschaft stiften. Einige der Werke, meist von namhaften und preislich hoch gehandelten Künstlern, symbolisieren Traditionen oder weisen auf besondere Orte hin. Wer bei Dämmerung vom Flughafen in die Stadt fährt, kann bereits erleben, wie genial Design praktischen Nutzen und Symbolik verbinden kann. Die hohen, schlanken Laternen entlang der Schnellstraße „Corniche“, die um den Doha Bay führt, tauchen die Fahrbahn in verschiedenfarbiges, fast mystisches Licht. Besser lässt sich ein Willkommensgruß in einem Land arabischer Kultur nicht symbolisieren.
In der opulent ausstaffierten Hotelhalle des „W-Hotel“ deutet ein Schwarm blauer Kugelleuchten die Zeit an, in der das gefährliche Perlentauchen noch zur Existenz auf der arabischen Halbinsel beigetragen hat. Mit ihrer modernen Lichtkunst haben die Architekturdesigner Bezug auf die Vergangenheit Katars genommen, als das Reichtum spendende Öl und Gas noch tief in der Erde schlummerte und man von dem lebte, was das Meer und die karge Wüste hergab.
Auch der irakisch-stämmige Künstler Ahmed Al Bahrani spielt mit seiner gigantischen, 18 Meter hohen Bronzestatue „The Horse“, die er im neuen Stadtteil „The Pearl“ werbewirksam vor einem Hotel platziert hat, unübersehbar ironisch auf die arabische Tradition der Pferdehuldigung an.
Bei einem Trip in die Wüste, die an der Stadtgrenze von Doha beginnt, kann man die moderne Version des Ausritts beobachten. Mit geballten Pferdestärken unter der Motorhaube vierradangetriebener Luxusschlitten geht es Dünen auf- und abwärts, dass der Sand in hohem Bogen aufgewirbelt wird. Ferras lenkt seinen SUV indessen über die flache Sandpiste in Richtung Westküste der Halbinsel Zekreet. Hier zerteilt ein langer Korridor aus Gipsklippen die Topographie. Wie aus dem Nichts erheben sich in der Weite der Sandwüste vier je 15 Meter hohe Stahlwände wie gewaltige Stehlen. Richard Serra wollte damit gleichsam die Endlosigkeit der Wüste durchbrechen. „Ost-West/West-Ost“ hat der Künstler sein Werk genannt, das ihm offenbar die größte Erfüllung in seinem ganzen Schaffen gebracht hat. Den Kopf weit in den Nacken gelegt steht man etwas ratlos davor. Sicher ist, dass die monumentalen Stehlen, auf deren Patina Liebespaare Pfeile durch Herzen geritzt haben, auch dann noch stehen, wenn die SUV´s nach ihren Wüstenrennen längst verschrottet sind.
Zurück in der Stadt führt unser Weg zunächst ins „Kulturdorf Katara“. In der Fülle traditioneller lokaler wie auch antiker europäischer Kunstwerke und Bauten verliert man sich fast. Gähnend leer breitet sich das weitläufige „Amphitheater“ im gleißenden Sonnenlicht aus. Auf dem Platz davor mahnen Werke des indischen Künstlers Subodh Gupta wie „Ghandis Drei Affen“ oder auf indische Friedenshelden ansprechende Köpfe mit militärischen Helmen und Gasmasken aus alten Metallresten zum Frieden.
Nicht weit entfernt erhebt sich die künstliche Inselgruppe „The Pearl“ mit einer Mischung aus kolossalen Wohnhochhäusern, Strandvillen und Yachthäfen. Alles ist noch neu, glatt und ohne Patina und in seiner monströsen Dimension irgendwie unnahbar und seelenlos. Das „Quant-Quartier“ mit eng aneinander gebauten, modernen Wohnpalästen hat sich die venezianische Architektur zum Vorbild genommen. Um das Klischee komplett zu machen, sticht ein Gondoliere durch die Kanäle, vorbei an einer nachgebildeten Rialto-Brücke.
Beeindruckender wirken die Business-Bauten, die Doha wie ein Halbkreis umschließen. Der 300 Meter hohe Aspire Tower beherrscht die Skyline. An der filigran geformten Spitze des taillierten Turms, der ein Hotel und Restaurant sowie das Sportmuseum beherbergt, leuchtet das olympische Feuer. 2006 wurde das gleichnamige Sportstätten-Areal für die Asienspiele aus dem Sandboden gestampft, das jetzt, vor allem im Hinblick auf die Fußball-Weltmeisterschaft, großzügig erweitert und aufgestockt wird. Das für die Fifa-WM 2022 umgerüstete Khalifa-Stadion steht bereits vor dem letzten Schliff, denn die Verantwortlichen wollen noch in diesem Jahr ihre prüfenden Blicke auf den Veranstaltungsort werfen.
Die Reitställe „Al Shaqab“ in der Nähe sind schon jetzt im Hochglanz-Modus. Die opulente Bauweise lässt erahnen, welchen Stellenwert die eleganten Pferde in dem Wüstenstaat genießen. Einem Hufeisen nachempfunden teilt sich die überdimensionierte Vorführarena in einen offenen, an heißen Tagen klimatisierten, und einen geschlossenen Bereich. Drumherum sind die Trainingsplätze sowie die Ruhe- und Pflegeräumlichkeiten. Duschen gehört zum täglichen Ritual. „Besonders ausdrucksstarke Tiere schminken wir vor den Shows“, erklärt Ziggy Wellens. Wie bitte? „Das ist wie bei Menschen, wenn sie ausgehen“, ergänzt der Cheftrainer aus Belgien. Babyöl sei besten geeignet, um die Augenparty zu betonen, während für die Hufe ein spezieller Lack verwendet werde. Die Pferde in den Stallungen aus osmanischer Zeit um 1880 begrüßen uns ganz zutraulich. Sie haben den Topmodell-Stress bereits hinter sich.
Eine andere Art Erziehung präsentiert die „Education City“ mit ihren Bildungs- und Kunsteinrichtungen. „Mathaf“ heißt das erste Museum für moderne Kunst auf der arabischen Halbinsel, das 2010 in einem ehemaligen Schulgebäude seine Pforten öffnete. Für die architektonische Umsetzung hat sich Rafael Vinoly die Form einer futuristischen Sanddüne ausgedacht. Rund 6000 Werke aus dem Fundus des Scheichs Hassan bin Mohamed bin Ali Al Thani umfasst
die eindrucksvolle Kunstsammlung, die sich auch mit Themen der politischen und sozialen Wandlung befasst.
Szenenwechsel Richtung „Corniche“. Die sieben Kilometer lange, sichelförmige Uferpromenade zählt zu den Hauptattraktionen der 250.000 Einwohner zählenden Metropole Doha. Von der Schnellstraße aus fällt der Blick auf eine Reihe markanter Bauwerke der Stadt. Allein durch seine Ausmaße sticht der Regierungspalast des Emirs „Al Diwan Al Amira“ ins Auge, der den historischen Teil der Stadt von der Downtown mit den Wolkenkratzern des Hotel-, Verwaltungs- und Geschäftsviertels trennt.
Im ältesten Stadtviertel wird in den vier Häusern des Msheireb-Museums die Kultur- und Sozialgeschichte Katars aufgeblättert. Dabei rückt das Mohammed bin Jassim House die Stadtentwicklung in den Fokus. Besonders beeindruckend ist, wie sich die Hauptstadt des einstigen Nomadenvolks, das vom Fischfang und Perlentauchen und vom Handel mit Stoffen lebte, innerhalb von drei Jahrzehnten zu einer Weltmetropole gewandelt hat.
Die architektonische Entwicklung ist im Radwani House dokumentiert, Im Mittelpunkt des restaurierten Hofhauses aus den 1920-iger Jahren steht der Innenhof. Vor allem hier spielte sich das Familienleben damals ab, während das Gebäude nach außen hin abgeschlossen war.
In fußläufiger Nähe spiegelt sich das Flaggschiff Katars in der Doha Bay. Auf einer aufgeschütteten Halbinsel am Ende der „Corniche“ erhebt sich das Museum of Islamic Art, kurz MIA. Der amerikanische Architekt mit chinesischen Wurzeln Ieoh Ming Pei, der sich schon mit dem gläsernen Louvre in Paris einen Namen gemacht hat, schuf mit dem kubischen Schatzhaus ein wahres Meisterwerk. Seit der Eröffnung im Dezember 2008 gilt das Museum als künstlerischer Höhepunkt. Der gestaffelte Kubus mit seinen eigenwilligen Ecken mündet in einen diagonal versetzten Würfel mit halbmondförmigen Öffnungen als Symbol für die geheimnisvollen Augen der verschleierten Araberinnen. Menschliche Gesichtszüge hat der geniale Baukünstler auch bei dem 45 Meter hohen Panoramafenster mit Blick auf die Bay angedeutet.
Im Innern gruppieren sich die Ausstellungssäle um die zentrale Halle. Die wohltemperierten und dezent beleuchten Räume vermitteln eine fast ehrfürchtige Atmosphäre, in der man die hochkarätigen Werke islamischer Kunst aus den letzten 1.400 Jahren fasziniert bestaunen kann. Neben Schmuck, Textilien oder Waffen sind edle Kunstwerke wie der aus Gold und Diamanten gestaltete Falke in den entspiegelten Amiran-Glasvitrinen aus deutschem Fabrikat großzügig drapiert.
Die fünfte Etage ist dem Restaurant vorbehalten, das kein geringerer als Philippe Stark gestaltet hat. Versteht sich, dass beim Restaurantkonzept mit Alain Ducasse auch ein Küchenmeister der obersten Liga den Ton angibt. Das feine Gaumenerlebnis begleitet der grandiose Ausblick auf die Küstenlandschaft mit angrenzendem Skulpturenpark. Auf einer Halbinsel hinter dem Museum steht der aus sieben langen, schmalen Stahlplatten gestaltete Turm „Wahrzeichen 7“ von Richard Serra, der damit auf die Bedeutung der Zahl 7 in der islamischen Kultur anspielt.
Das neue Nationalmuseum nach Plänen des Franzosen Jean Nouvel ist ein weiteres baukünstlerisches Juwel am Rande der Corniche. Mit seinen ineinander greifenden Pavillons umschließt das Bauwerk den historischen Herrscherpalast, der seit 1975 als Museum dient. Die weitläufigen Innenräume, die eine traditionelle Karawanserei symbolisieren, reihen sich perfekt in das architektonische Konzept der rasant wachsenden Metropole ein, das moderne Baukunst mit den Traditionen Katars verknüpft. Nouvel hat sich von der Mineralienbildung einer Wüstenrose inspirieren lassen und aufgetürmte Scheiben unterschiedlicher Größe und Neigung in einer Stahl-, Beton- und Glaskonstruktion genial zusammengefügt. Eine Schleife aus Galerien lenkt durch die Kultur-, Natur- und nicht zuletzt die Sozialgeschichte des kleinen Wüstenstaates.
Im grellen Sonnenschein geht es über die „Corniche“ zurück zum Flughafen. Die monumentalen Lichtstäbe sind dunkel und damit kann man das Muster in den Metallleuchten erkennen. „Das ist arabische Kalligraphie“, sagt Ferras, der stolz ist auf seine Wahlheimat.
Renate Wolf-Götz
Anreise
Ab München, Berlin und Frankfurt fliegt Qatar Airways mit neuen, komfortablen Flugzeugen nach Doha.
www.visitqatar.qa
Doha gilt als Drehkreuz auf Fernreisen. Mit einem kostenlosen Kurzvisum (vier Tage) regen die Katari an, einen Zwischenstopp einzulegen und bieten ein abwechslungsreiches Kultur-, Natur- und Sportprogramm zum „Reinschnuppern“ an. Stopover-Passagiere erhalten zusätzlich eine kostenlose Übernachtung bei freier Wahl in einem der 4- und 5-Sterne Hotels.
www.qatar-airways.com
www.visitqatar.qa
Übernachtung
W-Doha-Hotel (5 Sterne), erstes und bisher einziges Lifestyle-Hotel in Doha
www.w-doha-hotel-residences.com
Shangri-La hotel (5 Sterne), elegantes Hotel mit exotischem Flair
www.shangri-la.com/doha
Essen und Trinken
Idam Restaurant im MIA Museum
Sterneküche in edlem Ambiente.
www.mia.org.qa/en
Al Jasra im Souq Waqif in der Altstadt
Angelehnt an die marokkanische Küche hat sich das Restaurant auf Tajine in vielen Varianten spezialisiert. www.swbh.com
Mamig, gemütliches Restaurant mit libanesisch-armenischer Küche
www.mamigdoha.com