Zwickau, ungeahnt sehenswert

Wer stört das Bild? Das Graffitti oder der Dom? Copyright: hhh

Wer es sich leisten kann, hat gerne zwei Häuser, eines in der Stadt, das andere am Meer, in den Bergen oder irgendwo in der Natur. Robert Schumann hat auch zwei Häuser, Schumann-Häuser, in Zwickau und in Endenich, das heute Stadtteil von Bonn ist. In Zwickau wurde er geboren, in Endenich starb er. Wer nun meint, ihn für ein ost-west-deutsches Schicksal in Anspruch nehmen zu können, halluziniert. In den Jahren 1810 bis 1859 gab nur ein Deutschland und Trennungs- und Wiedervereinigungstraumata auch nicht.

Robert Schumann ist einer der großen Söhne Zwickaus, er hat jeden Besuch verdient, zumal man in seinem dortigen Haus auch seine Frau Clara treffen und viele seiner Werke und die beiden selbst besser verstehen kann. Dann gibt es noch Gert Fröbe, den Schauspieler, der hat kein Haus, auch nicht in München, wo er gestorben ist.

Der wichtigste Mann für Zwickau indes war vermutlich August Horch. Er ist Begründer der deutschen Automobilindustrie und hat ein eigenes Museum, kein Horch-Haus, weil er von der Mosel stammt. Und wem Horch nichts sagt, denke an seine Schulzeit und kommt auf: Audi.

August Horch brachte 1904 den Automobilbau nach Zwickau. Noch im selben Jahr wurden in den A. Horch & Cie. Motorenwagenwerke AG 21 Autos der Marke „Horch“ gefertigt. Nach Differenzen mit dem Aufsichtsrat gründete Horch 1909 am gleichen Ort „Audi“, das zum Konkurrenzunternehmen zu Horch wurde. 1932 schlossen sich die Zwickauer Unternehmen Horch und Audi mit den Zschopauer Motorenwerken und den Chemnitzer Wandererwerken zur Auto-Union zusammen: Die vier Ringe auf jedem Audi symbolisieren noch heute den Zusammenschluss. Und dieses kann man sich bei einem Gang durch das Horch-Museum erwandern – und dabei einen künstlerischen Beitrag zur Kulturhauptstadt 2025 erleben.

Das kann man alles an einem Tag in Zwickau, Sachsen viertgrößter Stadt mit knapp 90 000 Einwohnern, gut erwandern und besichtigen, hat dann noch Zeit für die Priesterhäuser hinter dem Dom St. Marien, die Graffitti des Streetart-Künstler Jens „Tasso“ Müller, der auf Bitten des Tattoo-Stars Randy Engelhardt eine Mauer in unmittelbarer Nähe bemalte.

Und dann treffen wir auf den Purple Path, einen purpurnen Pfad, auf dem Kunst- und Skulpturen für die Europäische Kulturhauptstadt 2025 Chemnitz aufgestellt werden und auf das Objekt der Künstlerin Jana Gunstheimer.  Sie ist eine der Künstler, die  mit Ihren Objekten von Menschen, Handwerk und Industrie erzählen. „Alles kommt vom Berg“ lautet das Motto des PURPLE PATH. 850 Jahre Bergbau haben die Landschaften hier – das Erzgebirge, Mittelsachsen, das Zwickauer Land bis nach Chemnitz – geprägt. Der Abbau von Silber, Zinn, Kobalt, Eisen, Kaolin und Uran bestimmte das Leben. Der „Pfad“ verbindet Chemnitz und die Partnerkommunen.

 „Die Kulturhauptstadt 2025 Chemnitz ist für uns eine große Chance und zugleich eine völlig neue Erfahrung“, sagt Constance Arndt, Zwickauer Oberbürgermeisterin.  Der Beitrag ihrer Stadt steht unter dem Motto: „Ungeahnt sehenswert“. Es gehe darum, Unentdecktes und selten Gesehenes in den Fokus zu rücken. „Wir sind eine vielfältige Region, die nicht nur auf viele alte Kulturschätze zurückblicken kann, sondern die auch in der Gegenwart einiges zu bieten hat“, so die Oberbürgermeisterin. In Zwickau hat man für die Kulturhauptstadt vier Themenfelder definiert, die mit Inhalten, Aktionen und Projekten hinterlegt sind. Mit „Ungeahnt vielfältig“ präsentiert sich Zwickaus Kulturlandschaft, „Ungeahnt innig” bespielt das Thema Kulturkirche 2025. Ein historisches Dorf mit Angeboten für die Jugend steckt hinter „Ungeahnt traditionell“ und mit „Ungeahnt innovativ“ will man die Zwickauer Erfindermentalität in den Fokus rücken

Wem das kulturelle Angebot zu viel ist, dem bietet Region Zwickau und seine Region geruhsame Spaziergänge an der Mulde, wenn diese kein Hochwasser hat, und zahlreiche Schlösser und Burgen. Hinzu kommen 65 Museen. In ihnen kann man sich auf die Suche nach Kultur, der industriellen Vergangenheit, vor dem Automobilbau dominierten Textilwirtschaft und Steinkohlebergbau, und sächsischer Geschichte machen.

Die Touristikroute der Sächsisch-Böhmischen Silberstraße verbindet, dem Verlauf des Erzgebirges in östlicher Richtung folgend, die alte Bergstadt Zwickau mit der Landeshauptstadt Dresden.

Ein Nachtrag: Die Villa Massimo-Stipendiatin Jana Gunstheimer wurde in Zwickau geboren. Seit 2016 hat sie an der Bauhaus Universität Weimar eine Professur für experimentelle Malerei und Zeichnung. Ob sie in Zwickau ein Haus hat, ist nicht bekannt.

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Hans-Herbert Holzamer

Autor Kurzvorstellung:

Freier Journalist und Autor

Hinweis: Dieser Beitrag wird regelmäßig von Mitgliedern der Reise-Stories Redaktion wie Heiner Sieger, Gerhard Fuhrmann und Jupp Suttner auf Richtigkeit und Vollständigkeit geprüft. Falls Sie Anmerkungen zu diesem Beitrag haben, kontaktieren Sie bitte direkt hier die Redaktion.

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