Früher heizte Michil Costa im Sportwagen die Bergpässe hoch. Umweltschutz? Das sollten bitteschön Andere machen. Doch die Zeiten ändern sich. Heute ist Costa Inhaber des Hotels „La Perla“ im Südtiroler Corvara – und führt sein Haus nach den Grundregeln der Gemeinwohl-Ökonomie. Der Wandel vom Saulus zum Paulus hat ihm gut getan. Viel zu tun ist aber immer noch.
Der gelbe Porsche. Den hat Michil Costa noch genau vor Augen. „Ich erinnere mich an Zeiten, da gab es für mich nichts Schöneres, als mit meinem gelben Porsche oder dem Motorrad die Pässe hier mit 150 Sachen hoch zu donnern. Damals dachte ich, man müsse das Leben mit Dingen füllen. Aber das muss man nicht,“ resümiert der Inhaber des gediegenen Vier-Sterne-Hotels „La Perla“ in Corvara.
Der mit dem Ski-Tourismus schnell gewachsene Ort liegt in der Südtiroler Region Alta Badia, im Herzen des UNESCO-Welterbes Dolomiten. Heute regt sich der Michil schon auf, wenn zwei Harley Davidson-Fahrer, die für eine Rast im „La Perla“ vorbeigeschaut haben, beim Wegfahren vor dem Hotel den Motor aufbrummen lassen, wie er es früher selber gern mit seiner Moto Guzzi getan hat. „Umweltverschmutzung durch Lärm“, schimpft er. „Ich freu’ mich nicht unbedingt, wenn die kommen“. Kürzlich hat er sich nach Abstimmung mit den Mitarbeitern geweigert, eine Gruppe von 30 Motorradfahrern im Hotel aufzunehmen. Und das mitten in Italiens Wirtschaftskrise.
Früher Saulus, heute Paulus. Michil Costa, Jahrgang 1961, kann sich das leisten. Sein Haus zählt zu den ersten Adressen Südtirols. Sänger Zucchero urlaubt bei ihm, aber auch die Benettons und Ferraris sind da. Reiche Russen, Briten und Amerikaner sowie die Münchner Schickeria, der Kitzbühel zu fade geworden ist, füllen sein Hotel im Winter, blättern bereitwillig 800 Euro die Nacht für ein Zimmer hin.
In seinem Sterne-Lokal „Stüa di Michil“, dass er bereits in den 1980er Jahren aufgebaut hat, kostet ein Gourmet-Menue locker 140 Euro pro Nase. Zubereitet wird es nur, wenn es alle Personen am Tisch bestellen. Dazu schlürfen die wohlhabenden Gäste gerne die eine oder andere Flasche rarer Weine zu Preisen von 1500 Euro bis 2500 Euro. Mit 30 000 Flaschen besitzt Costa den größten und anspruchsvollsten Weinkeller Südtirols – wenn nicht Italiens.
Vom Punk zum Heimatbewahrer
Ausgerechnet der Rebell, der Ende der 1970er Jahre seine Heimat verließ, um eine Zeit lang als Punk in London zu leben. „Früher, da waren die Berge für mich ein Hindernis“, resümiert er. “Ich wollte nur noch weg.”
Heute, nach vielem Nachdenken – und Diskussionen mit dem Dalai Lama – sieht er seine schöne ladinische Heimat mit anderen Augen. Er kämpfte gegen den Südtiroler Landeshauptmann Luis Durnwalder und setzt sich für den Erhalt von Kultur und Almen ein: “Die Regierenden subventionieren keine Ideen, sondern Zementblöcke!” Allerdings: Heute lehnt er sich nicht mit bunten Haaren oder lauten Motoren auf, sondern versucht auf seine eigene Art, die Welt zu retten.
Statt mit einem Motorrad durch die Dolomiten zu knattern, hat der gewandelte Hotellier für die Sommer-Saison vor ein paar Jahren den Fahrrad-Marathon rund um die imposante Sella-Gruppe erfunden. Der ist inzwischen so beliebt, dass sich in diesem Juni zwar 30 000 Interessenten anmelden, aber nur 9500 mitfahren dürfen. Die Teilnehmer mit den teuersten Rädern steigen natürlich bei ihm ab. Erst recht, seit er zusammen mit der Rennrad-Luxusmarke Pinarello eine Radler-Lounge im Hotel eingerichtet hat.
Mit der 2007 gegründeten Costa Family Foundation unterstützen Costa, seine beiden Brüder Matthias und Markus sowie seine Mitarbeiter persönlich und finanziell drei bedürftige Dörfer – zwei in Afrika, und durch die Vermittlung der Schwester des Dalai Lamas eines in Tibet. Mit Mitteln der Stiftung wurden dort unter anderem hochwertige Saaten für ausgewogene Ernährung eingekauft, Schulgärten angelegt, ein Küche gebaut und die Wasserzisternen restauriert. Die Stiftung bezahlt zudem Experten, die der ansässigen Bevölkerung nachhaltige Anbautechniken für Lebensmittel beibringen, sie darin unterrichten, wie sie selber Nahrungsmittel produzieren und einen Ernährungskreislauf schaffen können. Insgesamt wurden 1000 Küken, 40 Ferkel und eine Tonne Saatgut an die Haushalte verteilt.
Gemeinwohlbilanz: Die Summe des Nutzens für alle Beteiligten
Seit vergangenem Jahr hat sich Michil Costa auch der Bewegung der Gemeinwohl-Ökonomie (GWÖ) des Wiener Ökonomen Christian Felber angeschlossen, nach der weltweit bereits rund 1000 Betriebe wirtschaften. Bei diesem System ist Erfolg nicht nur, was sich als Gewinn in Euro in der Firmenbilanz messen lässt, sondern was als Nutzen für alle beteiligten Anspruchsgruppen – Mitarbeiter, Zulieferer, Gäste, Gesellschaft herauskommt. Eine regelmäßige Gemeinwohlbilanz zeigt an, wie weit der jeweilige Unternehmer gekommen ist. In deren Mittelpunkt stehen die Werte Menschenwürde, Solidarität, ökologische Nachhaltigkeit, soziale Gerechtigkeit sowie demokratische Mitbestimmung und Transparenz.
Je besser die Gemeinwohl-Bilanz-Ergebnisse der Unternehmen in einer Volkswirtschaft sind, desto größer ist das Gemeinwohl-Produkt. „Ich bin gegen porno-alpinen Tourismus, der die Berge mit Disneyland und die Dolomiten mit Gardaland verwechselt und kämpfe gegen touristische Monokultur. Unser Tourismus funktioniert nur, wenn auch der Bauer und der Handwerker profitieren“, ist Michil Costa überzeugt. „Ich bin mir ganz sicher, dass es nichts Getrenntes auf der Welt gibt, man ist nur oft weit voneinander getrennt.“
Ich bin gegen porno-alpinen Tourismus, der die Berge mit Disneyland und die Dolomiten mit Gardaland verwechselt.
Von 1000 möglichen Punkten der GWÖ erreicht das „La Perla“ derzeit rund 400. Das ist immerhin der Durchschnitt der handvoll anderer Hotels und Kleinbetriebe in Südtirol, die bislang nach der GWÖ wirtschaften. Dazu gehört auch, dass sein Spitzenverdiener, Sternekoch Arturo Spicochi, nicht mehr als das Fünffache der niedrigsten Lohnstufe, den Zimmermädchen, verdienen darf. 600 Punkte will Michil Costa möglichst bald erreichen. Einfach wird das nicht. Denn die Möglichkeiten, Pluspunkte zu sammeln, hat er schon gut ausgeschöpft.
Stüa di Michil: Jede verkaufte Weinflasche unterstützt Bedürftige in Afrika und Tibet; Foto: Heiner Sieger
Am Freitag bleibt die Speisekarte fleischfrei – aus Umweltgründen
So gibt es im „La Perla“ fast ausschließlich regionale ladinische sowie saisonale Speisen. Gänseleber-Pastete suchen Gäste in seinem Haus vergebens auf der Speisekarte. Auf Äpfel und Erdbeeren müssen die Gäste bis Juni verzichten, allerdings nicht auf Bananen und Ananas – die kauft das Hotel ebenso wie den Kaffee „Fair Trade“ ein. Der Freitag bleibt – mit Ausnahme des Frühstücksspecks – im La Perla fleischfrei. „Der Wassermangel ist eines der großen Probleme unserer Welt“, sagt Costa und weist seine Gäste in einem Informationsblatt am Frühstückstisch unverblümt auf die Zusammenhänge mit dem Fleischkonsum hin.
Um weitere Punkte für seine Gemeinwohlbilanz zu sammeln, wird Costa seine Gäste aus Übersee künftig bitten, 50 Euro für den Ausgleich der CO2-Bilanz zu bezahlen. Er selber legt noch einmal 50 Euro obendrauf. Das Geld investiert er – ebenso wie drei Euro von jeder Rechnung in seinem Sternelokal und einem Euro vom Hauswein – in die Familienstiftung.
„Natürlich muss das Hotel Geld verdienen. Aber das ist nicht mehr das einzige Ziel. Sondern die Zufriedenheit aller beteiligten Menschen, der Mitarbeiter, der Gäste und der Bewohner des Dorfes“, geht der Dolomiten-Paulus konsequent seinen Gutmenschen-Weg. „Die Gemeinwohl-Ökonomie ist nicht die einzige Wahrheit. Aber dieses System ist eine der wenigen Möglichkeiten der Menschen, sich selber zu retten.“ Als Jünger dieses neuen Denkens predigt Michil Costa schon recht überzeugend.