Workation in Büsum: Wo Fisch auf Kohl, Job auf Chillen trifft…

… und wo raue Umstände etwas Gutes hervorbringen: In Dithmarschen wurde einst die demokratische Verwaltungsform „erfunden“ 

An der Küste isst man Fisch. Oder Kohl. Zumindest in Dithmarschen ist das so, dem größten Kohlanbaugebiet Europas. Sie haben so ihre Eigenheiten, die Menschen, die hier leben. Und sie sind stolz darauf, echte Dithmarscher zu sein.

Der Landkreis zwischen Steinburg und Nordfriesland sowie zwischen Nordsee, Eider und Elbe war seit dem Mittelalter in der Geschichte Schleswig-Holsteins etwas Besonderes.

Größtes Kohlanbaugebiet Europas 

Diese Sonderrolle ist dem Menschenschlag hier auch heute noch sakrosankt. Ob das was mit dem Kohl zu tun hat? Durchaus, denn die Menschen, die hier leben, sind stolz auf ihre Erzeugnisse, aber auch stolz darauf, einst den Grundstein gelegt zu haben für die demokratische Verwaltungsform. Diese soll ihre Ursprünge in Dithmarschen gehabt haben? So erklärt es die Büsumer Gästelotsin Martina Köster, die seit 2003 im Dithmarscher Kreistag sitzt.

 Wie einst der 48er-Rat die Vorstufe war zum heutigen Gemeinderat

Und das kam so: Damals, als Büsum noch eine Insel war, bildete sich das sogenannte Geschlechterwesen heraus – und daraus ist tatsächlich die demokratische Verwaltungsform entstanden. Wurten und Warften gab es damals in der Marsch – künstliche Erhebungen, auf denen Siedlungen zum Schutz gegen das Hochwasser errichtet wurden.

Auf diesen Wurten und Warften mussten die landwirtschaftlichen Flächen von vielen Menschen bearbeitet werden, so lebten auf diesen Siedlungen in der Marsch jeweils bis zu 50 Menschen. Diese haben sich, um sich besser zu organisieren, einen Sprecher gewählt, der sie vertreten sollte. Aus den Vertretern von zwölf Wurten und Warften wurde wiederum ein Sprecher gewählt – und erneut weiter so auf der nächst höheren Stufe. 

Eindrucksvolle Dithmarscher Geschichte

Im Jahr 1447 wurde dann das Landrecht – nach einer Zeit des losen Zusammenbunds in einer Bauernrepublik- zusammen gefasst. Es entstand der 48er-Rat, der die gleiche Funktion hatte wie der heutige Gemeinderat und seine Entsprechung in Kreistag, Landtag sowie in der allgemeinen Verwaltung findet. Anderswo jedoch gab es immer noch die von Königen oder Herzogen eingesetzte Leute, die dafür gesorgt haben, dass Steuern eingezogen wurden.

Oben saß dort also immer jemand, der bestimmt hat. Anders dagegen in Dithmarschen. Nachlesen kann man all dies in der Kirche in Lunden, zwischen Lehe und Krempel (ja, die Gemeinden haben dort oft ulkige Namen), um welche herum der Geschlechterfriedhof mit seinen begehbaren Gruften liegt – ein eindrucksvolles Monument Dithmarscher Vergangenheit.

Gefeiert wie Siegertreppchen: Aufeinander gestapelte Kohlköpfe in ganz Dithmarschen

Zurück zu Martina Köster in Büsum, die über die Politik im Kreistag berichtet: Sie sagt: „Wir sind innovativ an der Westküste, weil wir untereinander gut vernetzt sind, daher haben wir großen Einfluß und schaffen es meistens, unsere Anliegen durchzubringen. Das ist bis heute so.“ Alle Entscheidungen würden gemeinschaftlich getroffen, fern der Parteibücher. Was das alles mit dem Kohl zu tun hat? Die Dithmarscher sind – wie bereits erwähnt – stolz auf ihre Erzeugnisse und Errungenschaften.

Der Kohl – ob spitz, rund, weiß oder rot – wird hier gestapelt und gefeiert wie das Siegertreppchen beim Sport. Er gedeiht hier einfach ziemlich gut: das Nordseeklima feucht, der Marschboden fruchtbar. Die Verarbeitung der doch recht sperrigen Pflanze hat man hier an der Küste perfektioniert. In Dithmarschen und auch in Büsum etwa finden jedes Jahr Mitte September die Kohltage statt – ein Fest am Ankerplatz beim Hafen, bei dem die Köpfe wahrlich rollen. Anders als im Dithmarscher Kreistag. 

Kohlrouladen und Diethmarscher Sushi 

Einer, der die Geschichte Dithmarschens und die Kultur der Menschen schmackhaft machen kann, ist Erik Kolle, Juniorchef im gleichnamigen Traditions-Restaurants, nur wenige Meter vom Ankerplatz entfernt. Die Kohlrouladen gibt es hier in verschiedenen Variationen, übrigens auch für Vegetarier mit Buchweizenfüllung.

Ein durch und durch lokales Produkt, denn auch der Buchweizen gedeiht im Marschland ebenfalls prächtig. Besonders zart sind die Frühkohlarten. Die Rouladen werden auch mit Wildfüllung angeboten. Ein vom Seniorchef Karl-Heinz Kolle selbst erlegtes Reh macht den besonderen Geschmack aus. 

Meer trifft auf Land: Ein Axiom, das sich hier vom Großen bis ins Kleinste runter brechen lässt. Bis zu den in den Dithmarscher Sushi. Statt der Nori-Blätter beim herkömmlichen Sushi werden Kohlblätter verwendet, statt Reis gebeizter Lachs und Matjes. Da ist er also wieder, der Fisch, den es hier freilich auch in vielen Variationen gibt. 350 Kohlrouladen wickeln die Köche schon mal an einem einzigen Tag, denn die Nachfrage ist groß. 

Besonderheiten der Insellage in Büsum

Apropos Wild: Die Insellage, bedingt durch die Eider und den Nord-Ostsee-Kanal in Dithmarschen, bewahrt Büsum und die Nachbarregion auch vor der derzeit grassierenden Afrikanischen Schweinepest, da es auf dem Flachland mit seinen vielen Feldern kaum Wildschweine gibt.

Wenn die Tiere aber doch durch die Eider schwimmen, „drehen alle Dithmarscher Jäger durch, weil sie unbedingt mal ein Wildschwein schießen wollen,“ berichtet Karl-Heinz Kolle. Dagegen machen viele Arten von Zugvögeln in Dithmarschen – und vor allem im Büsum – Rast. „Sie essen sich hier im Nationalpark rund und fliegen dann weiter“, berichtet Kolle. 

Workation-Standkörbe für Bleisure Travel und die Work-Life-Balance

Neben der Liebe zur Tradition liebt man in Büsum auch die Innovation. „Workation“ etwa ist ein Begriff, der immer mehr in Mode kommt. Er beschreibt eine ziemlich neuzeitliche Art, Urlaub zu machen, nämlich sozusagen „remote“. Was das schon wieder ist? Arbeiten von überall – egal, wo man sich nun gerade befindet. Auch in der Urlaubsregion. Die Wort-Neuschöpfung setzt sich zusammen aus „Work“ (Arbeit) und „Vacation“ (Urlaub).

Dieser Trend hat sich auch in der Strandkorb-Kultur in Büsum niedergeschlagen: Ab Frühjahr 2025 können Urlauber, wenn sie in ihrem Business auch mit Blick auf Watt und Meer präsent sein wollen, Workation-Strandkörbe mieten. Diese sind mit Fotovoltaik-Anlage, Steckdosen sowie USB-Anschlüssen ausgestattet.

Damit lässt es sich so „by the way“ auf ein gut ausbalanciertes Verhältnis zwischen Ebbe und Flut der viel gepriesenen Work-Life-Balance einschwingen. Bleisure Travel (wieder sie eine Wortschöpfung aus Business und Travel) also im traditionsbewussten Büsum, wo Meer auf Land trifft, Tradition auf Innovation und sich auch Arbeit und Freizeit wunderbar verbinden lassen. Außerdem stehen Meeting-Strandkörbe sowie Schlafstrandkörbe und sogar eine Strandkorb-Sauna zur Verfügung. 

Achtsamkeits-Workshops entschleunigen und fördern die innere Balance

Apropos Verbindung von Job und Freizeit: Auf einen weiteren, aber weniger gesunden Trend hat man in Büsum ebenfalls eine Antwort. Denn wer an seiner Überforderung leidet, braucht Maßnahmen, um besser mit seinen inneren Ressourcen umgehen zu können.

Anne-Marie Reinhardt gibt bei der VHS in Büsum regelmäßig Achtsamtkeits-Workshops, bei denen sie den Teilnehmern Tools in die Hand gibt, um aus der Tretmühle auszusteigen, die Rückverbindung mit sich selbst zu pflegen und damit wieder gestärkt zu sein für die anstehenden Aufgaben.

Denn auch die Kraft aus dem Innern ist kein statisches Prinzip, sondern unterliegt Schwankungen wie Ebbe und Flut. Auf den Wellen, die zwangsläufig auftreten, zu surfen – das ist die Kunst. Ob bei Entspannungsübungen, mit einem Dankbarkeitstagebuch oder im Workation-Strandkorb.

Innere Balance, Achtsamkeit, Lebensqualität und Lebensfreude: Dafür hat man in Büsum ein Händchen. So auch die Klangmassage-Praktikerin Heike Thiede – im Ursprungsberuf Krankenkassenbetriebswirtin – die einst aus dem Rheinland fortzog, in Dithmarschen heimisch wurde und nun Expertin und Coach ist für den „Klang des Lebens.“

Diesen zu finden kann im sanften – oder auch stürmischen – Rauschen der Wellen durchaus leicht fallen. Und darum geht es ja auch: die Leichtigkeit des Lebens wieder zu entdecken, trotz der Verpflichtungen, die weiterhin an die Tür klopfen. Es geht also darum, beides in Ein“klang“ zu bringen, sich auch bei der Arbeit mal zurücklehnen zu können (Workation-Strandkorb) und sich trotz des Diktats durch Job, ökonomische Zwänge und allerhand Verpflichtungen dem Fluss des Lebens hinzugeben. 

„Erfindung“ der Demokratie durch raue Umstände und innovativen Geist

 Und ja, an der Küste isst man Fisch. Aber an der Küste, wo Meer auf Land trifft, ist man auch näher dran, an den Gezeiten und am Wechselspiel von Anspannung und Entspannung, am Akzeptieren, dass mal Ebbe ist – auch im inneren Akku, und dass dessen Aufladung eine Selbstverständlichkeit ist, wenn man der Natur, dem eigenen Naturell und dem, was nun mal ist, gestattet, zu sein und sich ständig zu wandeln. 

An der Küste isst man nämlich auch Kohl. Und am schmackhaftesten gelingt diese Kombi bei den Dithmarscher Sushi. Sie waren schon immer ihrer Zeit voraus, die Marschländer, bei der „Erfindung“ der Demokratie und beim „In Einklang bringen“ rauer Umstände mit positiven Lebensformen.  

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Christiane Barth

Autor Kurzvorstellung:

Ich sammle Geschichten, die sich mir auf Reisen zeigen, füge die Einzelteile wie Puzzlestücke zusammen und erzähle sie weiter. Bin seit vielen Jahren als Reisejournalistin unterwegs.

Hinweis: Dieser Beitrag wird regelmäßig von Mitgliedern der Reise-Stories Redaktion wie Heiner Sieger, Gerhard Fuhrmann und Jupp Suttner auf Richtigkeit und Vollständigkeit geprüft. Falls Sie Anmerkungen zu diesem Beitrag haben, kontaktieren Sie bitte direkt hier die Redaktion.

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