Eine winterliche Fluss-Kreuzfahrt in hiesigen Breiten – der Gedanke ist erst mal gewöhnungsbedürftig. In der Tat war das Dezember-Wetter während unserer dreitägigen Rhein-Fahrt auf der MS nickoSpirit trübe, neblig und verregnet.
Aber in der kalten Jahreszeit hat die traditionsreiche Flusslandschaft, die voller Geschichten und Legenden steckt, ihre ganz eigene Romantik. Die Gegend liegt gleichsam im Winterschlaf; andere Passagierschiffe sind kaum zu sehen.
Los geht es in Köln. Nachts fahren wir flussaufwärts. Beim Aufwachen zieht vor dem Panorama-Kabinenfenster die burgenreiche Landschaft vorbei, die als „Oberes Mittelrheintal“ Welterbe-Status hat.
Schmale Ortschaften am Uferstreifen wechseln mit Weinbergen, Klöstern und den auf Felsenvorsprüngen thronenden Höhenburgen. Die urromantische Gegend ließ einst die Herzen der Künstler höher schlagen, auch das von Heinrich Heine, der die alte Sage von der Loreley in unsterbliche Verse gefasst hat. Der Legende nach soll die auf einem Schieferfelsen sitzende Zauberin so manchen Schiffer abgelenkt und in den Tod gelockt haben.
Einsam an der Loreley
Auch wir passieren Deutschlands berühmtesten Felsen. Wo sonst im Sommer Ampeln den Andrang der Dampfer regulieren, ist die nickoSpirit nun ganz allein auf dem Fluss. Als unser Schiff sich dem Felsen nähert, schallt die Loreley-Melodie mit Heines Text „Ich weiß nicht, was soll es bedeuten“ aus den Lautsprechern.
Später bewundern wir linkerhand das monumentale Niederwalddenkmal mit der bronzenen Germania. Es ist ebenfalls mit einem Lied verbunden: mit der geschwollen-patriotischen Hymne „Die Wacht am Rhein“.
Wegen des niedrigen Wasserstands legen wir leicht verspätet im Wein-Städtchen Rüdesheim an, das vor Corona jährlich drei Millionen Besucher aus aller Welt anlockte. Jetzt bummeln nur eine Handvoll Leute durch die zwei Meter schmale, von Fachwerk gesäumte Drosselgasse.
Wein und Gesang in Rüdesheim
Kultureller Höhepunkt der Reise ist eine Führung durch „Siegfried‘s Mechanisches Musikkabinett“, das oberhalb der Drosselgasse die gotischen Gewölbe eines Rittersitzes bezogen hat. Der Werbeslogan „Ihre Ohren werden Augen machen“ trifft vollkommen zu. Die einzigartige Sammlung umfasst hunderte von selbstspielenden Instrumenten: Spieldosen, Phonographen, Musikautomaten. Von der barocken Flötenuhr über den Berliner Leierkasten bis zur höllisch lauten Kino-Orgel. Auch eine Polyphon-Lochplatte mit der Loreley-Melodie wird zum Klingen gebracht.
Majestätisches Koblenz
Übernachtet wird am Rüdesheimer Kai. Wir starten am Morgen und erreichen gegen Mittag Koblenz am „Deutschen Eck“, wo die Mosel in den Rhein fließt. Auf der Landspitze der Mündung steht das immerhin 37 Meter hohe Kaiser-Wilhelm-Reiterstandbild.
Oberhalb der Mündung, auf einem 180 Meter hohen Felssporn, thront die Burg Ehrenbreitstein, einst preußische Festung.
Wir besichtigen die winterlich leere Altstadt: die Liebfrauenkirche mit ihren beiden barocken Zwiebeltürmen, das Rathaus im einstigen Jesuitenkolleg, die Alte Münze, die „Vier Türme“ mit ihren reich verzierten Erkern in der Marktstraße. Im Schnelldurchlauf erzählt die Historiensäule des Brunnens auf dem Josef-Görres-Platz die zweitausendjährige Stadtgeschichte, von der Römerzeit bis heute.
Wer den Rhein und seine traditionsreiche Kulturlandschaft in Stille und Abgeschiedenheit erleben möchte, liebt, für den ist eine winterliche Reise auf der MS nickoSpirit genau das Richtige.