Wasser, Wind und Whisky: Eine Flusskreuzfahrt in Schottland


Ein Reisebericht mit Augenzwinkern von Philip Duckwitz


Eine Reise nach Schottland ist wie ein Dudelsack voller Überraschungen – man weiß nie was das Wetter für den Besucher bereithält. Die atemberaubende Natur kann rasch zu einem düsteren Erlebnis werden und die Schönheit der Natur hüllt sich nicht selten in das Kleid des Nebels. Eine Flusskreuzfahrt in Schottland auf dem Caledonian Canal ist ein einzigartiges Vergnügen, zuweilen zeigt sich selbiges auch eher selten.

Edinburgh: Wo der Dudelsack die Trübsal bläst

Die Reise beginnt, wie alle guten Dinge, mit einem Schuss Verwirrung und einer Prise Selbstüberschätzung. Edinburgh begrüßt mich mit einem wolkenverhangenen Himmel, der aussieht, als hätte ihn ein schottischer Maler in einer Whisky-Nacht gemalt – düster, aber irgendwie charmant. Ein einsamer Dudelsackspieler versucht, „Amazing Grace“ zu spielen, aber der Wind zerrt an seinen Noten, sodass es klingt, als würde eine Katze in den Wehen liegen. Das Edinburgh Castle thront über der Stadt wie ein grantiger Hausmeister, der jeden Besucher erst mal mustert, bevor er ihn reinlässt. Ich zahle mein Eintrittsgeld und frage mich, ob die Schotten nicht eigentlich die Erfinder des Freemium-Modells waren: „Komm nur rein, aber für alles Interessante musst du extra blechen.“


Auf dem Calton Hill stehe ich dann zwischen halbfertigen griechischen Tempeln und blicke über die Stadt. Wieder ein anderer Dudelsackspieler quält sich und seinen Sack, während Touristen wehmütig schluchzen und sich fragen, warum sie nicht einfach in Spanien Urlaub gemacht haben. Der Wind pfeift mir eine schottische Ballade ins Ohr, die grob übersetzt lautet: „Zieh dir was Warmes an, du Idiot.“

Der Bus nach Inverness: Eine Reise durch das Nichts

Der Transfer zum Kreuzfahrtschiff in Inverness gleicht einer Odyssee, nur mit weniger Abenteuer und mehr Regen. Der Busfahrer erzählt stolz, dass wir gleich am Caledonian Canal entlangfahren, „einer der schönsten Wasserstraßen Schottlands“. Was er nicht erwähnt: Sie ist auch eine der nassesten. Der Kanal wirkt wie eine flüssige Autobahn, auf der sich Enten als Raser betätigen.

Unser Schiff, die Lord of the Hesitate“ – der ursprüngliche Name „Lord of the Highlands“ wurde wohl aus Marketinggründen geändert, nachdem die Kapitänin dreimal zu lange in der Schleuse stand, liegt majestätisch im Hafen. An Bord werden wir mit 35 verschiedenen Whiskysorten begrüßt – eine kluge Strategie, um die Gäste von vornherein gefügig zu machen. Ich probiere einen „Smoky Peat Monster“ und spüre, wie mein Gaumen langsam verkohlt. Es ist ein schwimmendes Luxushotel, wenn man unter Luxus versteht: „35 Whiskysorten an Bord und eine Heizung, die manchmal funktioniert.“

Whisky, Nebel und die Suche nach Nessie

Die erste Station: Fort Augustus, wo wir die berühmte Neptune’s Staircase bestaunen – eine Treppe aus Staustufen, die so langsam ist, dass man meint, die Schotten hätten sie erfunden, um Touristen zur Verzweiflung zu bringen. Die Kapitänin, eine resolute Dame mit der Wetterfurcht einer Katze vor dem Bad, beschließt: „Wir warten ab.“ Während wir warten, erklärt ein Enthusiast, dass der Ben Nevis, der höchste Berg Großbritanniens, „gleich da hinten“ sein soll. Ich sehe nur Nebel. „Ah, der klassische schottische Ausblick“, murmelt eine Mitreisende. Der Nebel ist so dicht, dass man meinen könnte, die schottischen Geister hätten eine Konferenz einberufen. „Nebel des Schweigens“ nennt es der Guide poetisch. Ich nenne es „Sichtweite: eine Hand vor dem Gesicht, wenn man Glück hat“.

Dann geht’s durch Loch Ness, wo natürlich jeder angespannt nach Nessie Ausschau hält. Die Durchquerung von Loch Ness ist der Höhepunkt der Reise – zumindest theoretisch. Wie schade, dass niemand die Sehenswürdigkeiten links und rechts der Ufer erklärt. Und wieder zieht Nebel auf. Die Kapitänin lacht: „Wenn Sie was sehen, ist es entweder eine Welle oder der Whisky.“ Ich trinke vorsichtshalber einen Talisker und beschließe, dass ich Nessie definitiv gesehen habe.


Die Inseln: Wo die Schafe mehr Persönlichkeit haben als die Menschen

Weiter zu den westlichen Hebriden, wo wir auf Isle of Mull landen und in Tobermory den obligatorischen Whisky-Stopp einlegen, der heute ausfällt, weil es die Kapitänin plötzlich eilig hat, die nächste Nebelbank zu erreichen. Die Destillerie wirbt mit „einem rauchigen Aroma, das an ein Lagerfeuer im Hochland erinnert“.

Auf Lunga könnten wir Papageientauchern begegnen, die aussehen, als hätten sie sich im Kostümfundus vergriffen. Leider fällt die Reise aus, die Sorge vor Wind und Wetter sind der Schiffscrew einfach zu groß. Die Ausflugsboote zur Insel schauen wir uns diesmal vom Schiff an, statt darin zu sitzen. Das ist sicherer. Ein Steinadler kreist über uns – oder war es ein besonders großes Huhn? Die Grenzen verschwimmen. Dem mitreisenden Vogelkundler sind mittlerweile auch alle Hoffnungen verflogen.

In Plockton beobachten wir Seehunde, die sich sonnen, Wildlife geht auch in Sichtweite zum Ortskern. Zurück geht es durch endlose grüne Weiten, unterbrochen nur von gelegentlichen Schafherden, die uns mit der gleichen Gleichgültigkeit mustern, wie ich mittlerweile meinen Reiseplan.

Gälische Kultur: Tanz, Musik und Haggis

Abends gibt’s Folkmusik an Bord. Eine Harfe und eine Geige spielen Lieder, die alle gleich klingen: Traurig, aber rhythmisch. Die älteren Reisenden nicken sanft ein, gewiegt vom Whisky und man ist allseits froh, dass alle Gäste später den Weg zurück ins Diesseits finden. An einem anderen Tag werden gälische Tänze von jugendlichen Tänzerinnen dargeboten, ein kunstvoller Lichtschein auf dieser nebeligen Reise.

Zum Abschluss-Dinner gibt’s Haggis, das schottische Nationalgericht, das aussieht, als hätte jemand einen Beutel voller Überraschungen in Schafsgedärm gestopft. Dazu Black Pudding, weil man ja noch nicht genug Innereien gegessen hat. Der Wein fließt, die Stimmung steigt, und irgendwann beschließt die Hälfte der Gäste, dass sie jetzt Schotten sind und anfangen, „Auld Lang Syne“ zu grölen.

Die Rückkehr: Wo der Whisky alle rettet

Die letzte Station ist Inverness, wo wir uns von der Lord of the Hesitate“ verabschieden. Vor der Skye Bridge stoppend, werfen wir einen letzten Blick auf die atemberaubende Landschaft – oder das, was wir davon zwischen Regenschauern erkennen können.

Die Kapitänin gibt mir einen letzten Tipp: „Wenn Sie nochmal kommen, bringen Sie besseres Wetter mit.“ Regen und Wind in Schottland – wer konnte so etwas erwarten!

Ich nicke, trinke einen letzten Dram und blicke auf die Reise zurück: Wasser, Wind und Whisky – eine heilige Dreifaltigkeit, die Schottland perfekt zusammenfasst.

Und falls nun jemand denkt: „Das klingt anstrengend“ – ja, ist es. Aber hey, wenigstens war der Whisky gut.

Slàinte mhath!

Kurz notiert

Wie kommt man hin?

Nach Schottland reist man schnell mit dem Flugzeug nach Edinburgh oder langsam mit dem Schiff von Amsterdam nach New Castle und dann mit dem Auto oder Bus nach Norden.

Flusskreuzfahrt auf dem Caledonian Canal:

Buchbar bei ThurgauTravel

Wetter: Immer unterschiedlich

Beste Reisezeit: Ganzjährig

Diese Reise wurde durchgeführt mit hoffnungsvoller Unterstützung durch Thurgau Travel

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Philip Duckwitz

Autor Kurzvorstellung:

Der „Journeylist“ Philip Duckwitz arbeitet als freier Journalist und Autor in Remscheid, vormals in Köln. Auf seinen Reisen um den Erdball, die er am liebsten in wenig bekannte Länder und Regionen unternimmt, öffnet er seinen Lesern Türen zu unerschlossenen Blickwinkeln. Bekanntes neu entdecken und Neues bekannt zu geben, unter dieser Prämisse reist der Journeylist auf der Suche nach den Schätzen dieser Welt und berichtet darüber, um seine Leser für einen einzigartigen Urlaub in der Ferne zu begeistern.

Hinweis: Dieser Beitrag wird regelmäßig von Mitgliedern der Reise-Stories Redaktion wie Heiner Sieger, Gerhard Fuhrmann und Jupp Suttner auf Richtigkeit und Vollständigkeit geprüft. Falls Sie Anmerkungen zu diesem Beitrag haben, kontaktieren Sie bitte direkt hier die Redaktion.

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