Wer das bekannteste Skikarussel der Welt einmal zusammen mit Peter Runggaldier fährt, darf sich auf einige feurige Pisten gefasst machen. Der mehrfache Super G-Gewinner aus Wolkenstein ist schließlich hier zu Hause. Er fährt so zügig und elegant, dass es selbst für gute Skifahrer eine wahre Freude ist, von ihm etwas abzuschauen.
Man muss die ausgetretenen Pfade verlassen, um neue Schönheiten zu entdecken. Das gilt auch für die immer noch faszinierende Sellaronda. Die Umfahrung des gewaltigen Sellastocks im Herzen der Dolomiten ist die bekannteste und beliebteste Skitour weltweit. Jeder, der das Weltkulturerbe Dolomiten quasi zum Anfassen neben seinen Skiern haben möchte, hat sie mindestens schon einmal gemacht. Abwechslung ist dabei garantiert. Denn sie lässt sich in zwei Richtungen befahren – im Uhrzeigersinn sowie in der Gegenrichtung.
Die beliebteste Skitour der Welt ist leicht an einem Tag zu schaffen, einschlägige Reiseführer sprechen von rund sechs Stunden. Sportliche Fahrer fahren sie aber locker in dreieinhalb Stunden. Genug Zeit also, sich rechts und links der Sellaronda und der Masse der Skifahrer zu bewegen oder die eine oder andere besonders schöne Piste auf der Tour zu wiederholen. Und für mindestens einen Einkehrschwung reicht es auch noch.
Peter Runggaldier – zwischen Sella und Langkofel zuhause
Wer die Finessen des bekanntesten Skikarussels der Welt einmal turbomäßig genießen möchte, kann zum Beispiel zusammen mit Peter Runggaldier auf die Piste gehen. Wir haben das gemacht. Und einen großartigen Skitag eingefahren. Der frühere italienische Top-Skirennfahrer ist schließlich hier in Wolkenstein zwischen Sella und Langkofel zu Hause. Und er kennt nicht nur die besten Pisten rund um den Sellastock und den Seitentälern sondern er fährt so zügig und elegant, dass es selbst für gute Skifahrer eine wahre Freude ist, von ihm etwas abzuschauen.
Gut, die Haare sind schon etwas lichter geworden unter dem hellblauen Helm. Aber seine Augen blitzen immer noch so schelmisch, sein Lachen ist immer noch so ansteckend und vor allem sein Stil auf den Brettern ist immer noch so elegant wie zu seinen besten Zeiten. Und ein angenehmer Pädagoge ist er obendrein. In den 1990er-Jahren war Peter Runggaldier in den Disziplinen Abfahrt und Super-G einer der besten Skirennfahrer im internationalen Vergleich. Höhepunkt seiner Karriere war dabei der erste Rang im Super-G-Weltcup der Saison 1994/95.
Vorbei sind für ihn die Zeiten, als er nach dem Karriereende im Grödnertal eine große Skischule leitete. „Ich muss raus auf die Piste, raus in die Natur“, sagt er. Ab Dezember steht er fast jeden Tag auf den Brettern. Entweder privat oder mit seinen Kunden als Skilehrer oder als Leiter von Skisafaris. Im Sommer ist er mit dem Mountainbike unterwegs, ebenfalls als Guide sowie als Mitorganisator des Mountainbike-Marathon „Sellaronda Hero“ im Grödnertal.
Start in Pozza di Fassa über die Buffaure
Im Reich von Dolomiti SuperSki , mit rund 1200 Pistenkilometern und 450 Liften das größte Skikarussell der Welt, gibt es so manche Attraktion. Und ab der Saison 2015/2016 die eine oder andere mehr, wie wir schnell feststellen. In einer sechsköpfigen Gruppe starten wir mit Peter, der uns die Neuheiten zeigen wird, in einen sonnigen Skitag. Los geht es in Pozza die Fassa im Fassatal (36 Kilometer von der Ausfahrt Bozen Nord). Von hier aus gibt es jetzt nämlich einen neuen Zugang zur Sellaronda über die Pisten, einige davon neu, schwarz und feurig. Wer hier in den Trentiner Dolomiten Urlaub macht, muss nun nicht mehr mit dem Bus oder dem Auto nach Canazei fahren um in die Runde einzusteigen, sondern kann auf dem Schnee schon ordentlich Gas geben.
Um 8.45 Uhr geht es los. Start ist mit der Kabinenbahn vom Ortsteil Meida. Egal, wo man in die Sellaronda einsteigt – man sollte immer möglichst früh losfahren. Dann sind die Pisten noch am besten und man kann besonders schöne Strecken noch besser genießen. Peter schmunzelt: “Was man hat, das hat man.“ Wir ahnen noch nicht, dass heute acht Stunden Vollgas auf dem Programm stehen, inklusive Einkehrschwung.
Der Einstieg ist vielversprechend. Denn wir fahren einen guten Teil der “Panorama-Runde”. Über die Buffaure geht die Tour auf dem 4er Sessellift Col de Valvacin weiter, der uns bis auf 2.354 m Höhe bringt, wo wir die zum Greifen nahen Gipfel Punta Valacia, Cima 11 und Cima 12 bestaunen. Auf der Piste Pala del Geiger sausen wir zum Sessellift Orsa Maggiore, der durch das Val Giumela nach Sella Brunech aufsteigt. Von dort genießen wir den herrlichen Ausblick auf die mächtigen Wände der Sellagruppe und dessen “Pyramide” Piz Boè. Auf einer schönen langen Abfahrt mit 900 Metern Höhenunterschied schlängelt sich die rote Piste von Sella Brunech (2.419 m) bis in die Ciampac Mulde, von wo die anspruchsvolle knapp drei Kilometer lange schwarze Piste Ciampac, mit abwechselndem Gefälle (32 % bis 56 %) auf uns wartet, und bei der das erste Adrenalin des Tages freigesetzt wird.
Mit dem neuen Funifor geht es von Alba Richtung Belvedere
Nach den ersten Schwüngen stoppt Peter, der immer vorneweg fährt, am Pistenrand. Für jeden aus unserer Gruppe hat er noch kleine Tipps und Feinheiten parat, mit denen jeder Stil und Fahrsicherheit verbessern kann. „Noch mehr die Schulter nach vorn, dann erst mit den Skiern lenken und die Hüfte zum Berg bringen“, spricht’s und macht es auch gleich vor. „Das ist vor allem wichtig auf den steileren schwarzen Pisten wie hier. Man kommt mehr auf die Kanten und hat erst recht bei überraschenden Eisplatten einen stabileren Halt.“ Die Eisplatten kommen uns heute zwar nicht unter. Auf allen Pisten ist der Kunstschnee trocken und sehr gut zu fahren, fast besser als auf Neuschnee. Oder trügt da die Erinnerung, weil man sich schon so an die Beschneiung gewöhnt hat?
Weiter geht’s und ein paar Minuten später stehen wir auch schon vor der nächsten Attraktion: die Funifor Bahn von Alba rauf zum Col dei Rossi und der Rifugio Belvedere mit atemberaubenden Ausblick bis rüber zur Marmolada. Knapp 100 Skifahrer katapultiert die auf zwei Seilen rasende Bahn windsicher binnen fünf Minuten über die Länge von 2.262 Metern bei einem Höhenunterschied von knapp 900 Metern. 18 Millionen Euro haben die Betreiber für diesen schnellen Anschluss an die Sellaronda investiert.
Die Bahn reduziert nicht nur den Straßenverkehr im Tal sondern erschließt auch das Fassatal neu für Skifahrer aus Gröden und den anderen Talschaften, die im Bereich der Sellaronda liegen. „Jetzt lohnt sich auch von der Sellaronda ein Abstecher zur Skitour „Panorama“, die nicht so voll ist wie die Sellaronda, aber als eine der schönsten im Skiverbund Dolomiti Superski gilt“, freut sich Peter wie ein Schneekönig über das neue Angebot.
In Arabba ersetzt der neue “Fly” den Fussmarsch
Von der Skiarea Belvedere aus starten wir auf Peters Empfehlung gegen den Uhrzeigersinn in die Sellaronda ein: „So herum sind die Pisten anspruchsvoller und auch weniger voll.“ Aber zunächst geht es einigermaßen gemächlich runter zur Rifugio Fodom, die Eiligen als Wegzehrung leckere Holzofen-Pizza bereit hält und für Genießer im ersten Stock, etwas versteckt, aber bei den Italienern beliebt, ein hervorragendes Restaurant.
In lockeren Schwüngen geht es über den Sessellift Portados runter nach Arraba, wo wir eine weitere Neuheit dieser Saison nutzen können: den „Arraba Fly“. Mit diesem 6er-Sessellift, der buchstäblich über den Ort hinfliegt, ist die bisherige Fußgängerpassage durch Arabba nicht mehr erforderlich. In 1,3 Minuten verbindet der Lift die beiden Talseiten Burz und Porta Vescovo. Direkt unter dem Lift liegt „Micky’s Grill“. „Für Liebhaber hausgemachter fleischlicher Grillspezialitäten ist das ein kleines Paradies“, weiß Peter Runggaldier.
Weil sie so schön ist, stauben wir die anspruchsvolle schwarze Burz ein zweites Mal runter und wechseln dann rüber auf die Porta Vescovo, die eigentlich Teil der Strecke im Uhrzeigersinn ist. „Hier kann man sich richtig austoben auf gleich drei schwarzen Pisten, die von 2500 Meter auf etwa 1400 Meter ins Tal führen. Die sind ein Muss“, kommt Peter während der Gondelfahrt ins Schwärmen. Gesagt, getan, unser Ski-Guide hat wirklich nicht zu viel versprochen. Auf den schwarzen Pisten ist ohnehin immer wesentlich weniger Verkehr, so dass man es immer ordentlich knattern lassen kann. Auf dem Rückweg fliegen wir dann noch mal über Arabba, rauf auf den Bec de Roces und schwingen kurz zum Campolongo-Pass. Über breite Pisten geht es weiter nach Corvara und mit der Zubringer-Gondel „Borest“ nach Colfosco.
Dort scheren wir aus der Sellaronda aus und fahren rüber ins Edelweißtal, einen malerischen Flecken, den die Mehrzahl der Tourenfahren links oder rechts liegen lässt. Weniger die Piste als das landschaftliche Erlebnis mit dem gewaltigen Blick auf den gegenüberliegenden Sellastock macht den kleinen Abstecher auf jeden Fall lohnenswert. Zurück auf der Sellaronda erreichen wir gegen Mittag das Grödner Joch, wo wir uns auf der „Jimmy’s-Hütte“ kurz mit Wasser und Capuccino stärken.
„Gerade, wenn man schnell und konzentriert fährt, sind auch die Pausen wichtig. Außerdem entgeht allen, die Durchfahren doch etwas, nämlich die gute Südtiroler Küche die hier auf allen Hütten geboten wird“, ist Peter Runggaldier spürbar stolz auf seine ladinische Heimat, das Grödner Tal.
Wir schnallen wieder an und erreichen über die Bergstation Dantercepies Peters Hauspiste, die „Cir“, die direkt unterhalb der zerfransten Cir-Spitzen nach Wolkenstein und dort quer durchs Dorf zur Seilbahn Ciampinoi führt. Ebenfalls nicht zur Sellaronda gehört unser nächster Abstecher: Wir fahren hoch zum zum Piz Sella und der wunderbaren Comici-Hütte, die sich an den Fuß des Langkofels schmiegt, den Lieblingsgipfel von Südtirols Bergsteiger-Legende Luis Trenker. Der Wirt der Comici-Hütte fliegt mehrmals wöchentlich frischen Fisch von der Adria an. Mit einer der Gründe, warum diese charmant-alpine Hütte so enorm beliebt ist. Wer vorhat, hier seine Mittagsrast zu verbringen, sollte auf jeden Fall reservieren, auch wenn durch die neue Sonnenterrasse zumindest draußen neuerdings mehr Platz dazugekommen ist.
Mit uns geht es aber weiter. Als Vorspeise zum Mittagsmahl genießen wir frischen „Paprika“ in Form der gleichnamigen feurig-schwarzen Piste, die über 1100 Meter mit einer Neigung von 30 Prozent, als neue Variante zur bestehenden Skipiste Seef, von Piz Sella nach Plan de Gralba führt.
Durch die Steinerne Stadt zur Salei-Hütte
Zwei Lifte weiter, nach der Überquerung von „Colle di Sassi“, der Steinernen Stadt unterhalb der südlichen Langkofelflanke, erreichen wir – endlich, denn der Magen knurrt bedenklich – die Salei-Hütte, laut Peter ebenfalls ein Hotspot für Freunde eines gepflegten Südtiroler Mittagsmahls. Und weil Peter auf den Pisten keine Gefangenen genommen hat, bleibt uns ausreichend Zeit, um einen intensiven Blick in die bestens bestückte Weinkarte zu tun und zu den Köstlichkeiten aus der Küche einen feinen Bozener Lagrein zu genießen. Eigentlich ist Peters Lieblingsplatz aber nicht das feine Restaurant, sondern die Sonnenterrasse. „Da gibt es Bier, Pizza und etwas Lockeres zu Essen. Bei schlechtem Wetter öffnet der Wirt den Schirm über der Bar. Das kann natürlich mal vorkommen hier in den Bergen. Für mich ist es wichtig, wenn ich mit Gästen unterwegs bin, dann einen schönen, trockenen Platz zu haben.“
Weil wir dem selbstgebrannten Enzian des Hüttenwirts, einem Freund Peters, beim Aufbruch nicht entgehen können, schnaufen wir draußen erst mal durch und nehmen für heute die letzte Etappe der Sellaronda. Über Plan Frantaces erreichen wir wieder die Skiarea Belvedere. Von hier aus haben wir immer noch ein sehr schönes Stück Skifahren vor uns, nämlich die Rückkehr nach Pozza die Fassa über die „Panorama-Pisten“ und eine abermalige Fahrt mit dem wahrlich beeindruckenden Funifor runter nach Alba.
Zum schönen Schluss des erfüllten Skitags mit rund 100 Kilometern Strecke sowie je rund 10.000 Höhenmetern bergauf und bergab kommen wir noch in den Genuss der ebenfalls in dieser Saison neu eröffneten schwarzen, zwei Kilometer langen Piste „Vulcano“ – von der Riffugio Buffaure runter nach Pozza di Fassa. Nomen est omen – da staubt es bei der Abfahrt noch mal gescheit. Eine halbe Stunde ist immer noch Zeit, bis die Lifte schließen. Und so fahre ich mit Peter noch ein letztes Mal hoch. Auf der Terrasse der Riffugio Buffaure genehmigen wir uns eine regionale Kaltschale und ratschen noch ein wenig, während die malerisch hinter dem Latemar-Massiv versinkende Sonne den Tag beendet. Dann noch ein letztes Mal den Vulkan hinab. Skiiiiifoahrn!
Die Recherchen von reise-stories.de wurden unterstützt von DolomitiSuperSki.
Ein Extra-Dankeschön an Peter Runggaldier für den exzellenten Skitag und
an Peter Ehler für die tollen Schnappschüsse!
Weitergehende Informationen:
Mehr zu Pisten und Preisen: www.dolomitisuperski.com
Ski- und Mountainbikeführer Peter Runggaldier: www.runghi.com
Tourismusverband Fassatal: www.fassa.com
Salei-Hütte: www.rifugiosalei.it
Hotel-Empfehlung: www.hotelvalacia.it
(gegenüber Talstation Buffaure in Pozza di Fassa)