Unter dem Glanz der Gipfel – delikate Überraschungen im Schweizer Oberengadin

In dem von mehreren Gebirgszügen abgeschirmten Hochtal zwischen der Berninagruppe und dem Malojapass locken viele Extreme: vergletscherte Viertausender, eine an Finnland erinnernde Seenplatte auf 1800 Meter Höhe, sagenhafte Bergwälder und nicht zuletzt mit dem Piz Corvatsch und der Diavolezza hochinteressante Gipfelstationen.

Der Weg ist uns bekannt. Von Silvaplana geht es über eine Brücke, die den noch sehr jungen Inn überquert, der sich aus den Oberengadiner Seen seinen Weg talwärts bahnt. Rechts liegt die malerische Burg Crap da Sass. Am Parkplatz davor laden Familien Schlitten und Langlaufskier aus. Gleich geht es von hier auf die zugefrorene Fläche des Silvaplaner Sees. Über die fast durchgehend beschneite Eisdecke gleiten gut trainierte und mutige Schlittschuhläufer in hohem Tempo, gezogen von bunten Drachen. Im Hintergrund glänzt der 3159 Meter hohe Piz de la Margna vor dunkelblauem Himmel.

Bild ganz oben: Staunende Besucher vor dem Panorama der Berninagruppe

 

Die Burg Crap da Sass am Silvaplaner See, darüber das Corvatsch Massiv

Im Ort, direkt an der Talstation der Corvatschbahn verschwindet unser Auto im Parkhaus. Die Kabinenbahn verlässt den etwa 1850 Meter hohen Ausgangspunkt und gleitet zügig zur Mittelstation. Es ist eine schwierige Entscheidung auf welcher Seite der lohnendere Blick auf die gewaltige Bergwelt ist. Linksseitig zeigt sich das Skigebiet Corviglia und Piz Nair oberhalb von St. Moritz, und gegenüber öffnet sich das Tal über die gefrorenen Seen bis zu den Bergeller Bergen. Ganz oben verziehen sich gerade letzte Wolkenfetzen vor dem dunkelblauen Himmel. Neben dem Ausgang der Bergstation zu den Aussichtsplattformen steht eine große, rote Schneefräse. Ein Techniker macht sich gerade an ihr zu schaffen. Aluminiumschaufeln stehen daneben. Der eisige Wind beißt uns in die Nase. Skifahrer wissen sofort, was zu tun ist: anschnallen und hinab! Doch es wäre zu schade, nicht erst mal das Panorama zu erfassen. Der eigentlich 3451 Meter hohe Piz Corvatsch liegt direkt gegenüber. Aber die gering erscheinende Entfernung täuscht. Der Weg dort hinauf ist ein den Winden ausgesetzter, langer Grat. Aber schon von dieser 3303 Meter hohen Seilbahnstation ist es eine an die Antarktis erinnernde Impression, wie Eisriesen sich in einem Amphitheater ausbreiten, es fehlt nur das schwarzblaue Meer davor. Die Gipfelkette reicht bis zum 4049 Meter hohen Piz Bernina.

 

Brennerei mit fantastischer Aussicht

Höchstgelegene Whiskydestillerie des Globus

Auf dem Weg zur Aussichtsplattform fällt ein Schild auf: Orma. Tatsächlich erkennen wir unter dem Restaurant hinter großen Fenstern blank polierte Kupferkessel der Destillerie Orma. Wir haben einen Termin in dieser Lokalität, und geben uns vor den Glasscheiben winkend zu erkennen. Die Besitzer Rinaldo Willy und Pascal Wittner führen hinein in ihr glänzendes Kesselreich. Mit den Fotos gilt es erst mal eine Weile zu warten, denn alle noch kalten Frontlinsen beschlagen sich sofort in dieser Zimmertemperatur. Inzwischen erklären die beiden Betreiber, wie sie zu Firmennamen und Logo kommen.

 

Die beiden erfolgreichen Unternehmer in ihrer Destillerie

ORMA ist das romanische Wort für Seele und weist auf die Bündner Wurzeln hin. Die zwei Steinböcke symbolisieren die beiden Gründer, die aus ihrer Freundschaft heraus die ORMA Swiss Whisky Ltd ins Leben gerufen haben. In Anlehnung an eine Sanduhr, welche die Endlichkeit des Lebens wiedergibt, stehen die Steinböcke auch für die Dualität des Lebens – Ying & Yang.

Als Hommage an die Zeit und der urschweizerischen Kunst der Uhrenmanufaktur enthält der Schriftzug Elemente einer Uhr. Der Buchstabe R beinhaltet den Uhrzeiger. Wird die ORMA Whisky Flasche um 180° gedreht, so erkennt man die römische Zahl 8. Es ist dieselbe Zahl, die wiederum im Symbol der Steinböcke, den Wappentieren Graubündens, zu finden ist. Sie ist die Glückszahl, die auch für Harmonie, Verbundenheit und Vollkommenheit steht. wunderschön gestaltete Whiskyflasche der Orma Destillery (Foto Copyright: Orma)

Den Traum eigenen Whisky zu produzieren hatten Ronaldo und Pascal schon lange. „Wir sammelten neun Jahre lang Erfahrungen, experimentierten mit Rezepten, unterschiedlichen Lagerorten und Holzfässern aus der Region“, erzählt Pascal Mittner. „Zudem mussten wir einen Lagerbestand aufbauen, denn der Whisky muss von Gesetzes wegen mindestens drei Jahre im Fass reifen.“ Der Standort oben auf dem Corvatsch ergab sich, weil Orma dort schon länger in einer Grotte ein Whiskylager unterhielt. Die beiden Visionäre haben das Projekt viele Jahre geplant. Sie sind übrigens Schweizer Urgestein aus Graubünden und sprechen auch Rätoromanisch. Neben dieser Destillerie haben sie jedoch noch einen Hauptberuf. Es gibt keinen Mangel an Interessenten, die sich an diesem einmaligen Projekt beteiligen. Eine Namensaktie kostet genau 3303 Franken, je einen pro Höhenmeter. Es werden verschiedene Sorten erstellt und in kunstvoll gravierten Flaschen angeboten. Das Sortiment reicht vom Probierset als Geschenkidee bis zur perfekt gestalteten Einzelflasche. In einem großzügigen Salon und der dazu gehörigen Bar verkosten wir, immer die gleißende Gipfelwelt mit im Blick. Der Skibetrieb ist nicht in Sicht. Er spielt sich unterhalb ab.

Panoramarestaurant auf der Gipfelstation des Piz Corvatsch

Standseilbahn und Pferdekutsche

Als die „Heimat des Winters“ bezeichnet sich diese Wintersportregion der Schweiz. Abfahrt, Langlauf oder Bobfahren: alles hat hier Tradition. Anscheinend wurde bereits 1864 der Wintertourismus geboren. Mit vier Hauptgipfeln und 350 Kilometern Pisten, etwa 200 Kilometern Loipen und 150 Kilometern Winterwanderwegen bietet sich ein abwechslungsreiches Urlaubsgebiet. Noch findet man liebevoll restaurierte Häuser und gemütliche Lokale. Dabei ist nicht zu übersehen, dass Luxushotels mit den entsprechenden Angeboten ein wichtiger Faktor im Oberengadin sind.

Ausweichstelle der Standseilbahn Muottas Muragl

Es war zunächst eine Elite von Engländern als Pioniere von Sportarten mit Schlitten, Bobs und zu Pferd auf den zugefrorenen Seen. Aber die allgemeine Entwicklung zum Breitensport im Winter war nicht aufzuhalten. Die über viele Monate schneesichere Lage aufgrund der großen Höhe der Pisten zwischen 1800 und 3300 Meter wirkt sich ebenso förderlich aus wie die Vielzahl der Sonnenstunden. Ist doch das Hochtal auf drei Seiten von Schlechtwetterzonen durch Bergzüge geschützt.

Für Liebhaber sanften Wintervergnügens fahren Pferdekutschen von Pontresina ins Rosegtal entlang. Dick in Decken und Felle gehüllt genießen Gäste vorbeiziehende Winterwälder und den Blick auf umgebende Gipfel. Licht überflutet und blendendweiß zeigen sie sich auch vom Wanderweg oberhalb von Muottas Muragl. Es rattert und knattert. Jetzt sind wir am späten Nachmittag beinahe die einzigen Gäste der historischen Standseilbahn. Sie verkehrt von Pontresina aus bis auf 2453 Meter zum gleichnamigen Romantikhotel. Mitten in der Strecke gibt es eine Ausweichspur für die entgegenkommende Bahn. Wagemutige fahren mit dem Schlitten zurück ins Tal. Weniger abenteuerlich, aber geruhsamer ist die Wanderung auf geräumten Wegen. In der Ferne glänzt die Nordwand des Piz Palü an der italienischen Grenze.

Der Bernina Express fährt entlang des Lago Bianco zwischen St. Moritz und Tirano in Italien

Sternennacht zwischen Eisriesen

Gegenüber diesem Gipfel, bekannt durch den Film „Sterne über dem Piz Palü“ von Louis Trenker, erhebt sich die „kleine Teufelin“, die Diavolezza oberhalb des Berninapaasses. Nahe der Talstation der Seilbahn hält gerade der Bernina Express der Rhätischen Bahn auf seinem Weg von St. Moritz nach Tirano in Italien. Gleich wird er entlang des Lago Bianco auf der Passhöhe seinen Schienenweg verfolgen, mit staunenden Passagieren am Fenster. Das wird ein Erlebnis am nächsten Tag sein. In der Talstation lockt eine Ausstellung: “virtual reality Gletschererlebnis”. Dabei wird auf sehr ansprechende und moderne Art der Zusammenhang zwischen dem Klimawandel, dem Rückgang der Gletscher und den daraus resultierenden Folgen einsichtig gemacht. An verschiedenen Stationen zeigen Computeranimationen das sehr anschaulich auf. Nach dem  Gespräch mit  einem der Fachleute vor Ort fahren wir erstmal auf die Diavolezza zum Panoramarestaurant und Hotel. Tagsüber herrscht Wintersportbetrieb. Anschließend kehrt Ruhe ein in der Gipfelstation. Gerade startet die Kabinen-Bahn zur letzten Talfahrt. Eine Zeitlang ist das Betriebsgeräusch noch zu hören, dann herrscht tiefe Stille. Nur eine Handvoll Gäste bleiben zurück. Sie werden die Nacht in ca. 2972 Meter Höhe in einem der höchst gelegenen Hotels Europas verbringen. Umgeben von Gipfeln der Bernina Gruppe ist die Diavolezza einer der besten Aussichtspunkte auf Piz Bernina, Piz Palü und die Gletscherwelt. „Wollt ihr noch in unser Outdoor-Jacuzzi?“ Luigi, zuständig für den Betrieb im Restaurant wendet sich an die beiden Fotografen, die gerade noch vor dem Hotel unterwegs sind, das besondere Licht der blauen Stunde einzufangen. Was für eine verrückte Idee, mitten zwischen den Eisriesen in einem Trog mit heißem Wasser zu sitzen. Natürlich, warum nicht? Eine Stunde später genießen beide im sprudelnden Bad, wie die Sonne hinter den Gipfeln verschwindet und die Bergsilhouette in magisches Licht taucht. Eine kurze Abkühlung verspricht die Schneemassage zwischendurch.

Langzeitaufnahme mit Mondlicht:  von der Diavolezza Blick zum Piz Palü

Ausgedrückt in modernem Sprachgebrauch ist das echt cool! Im neben dem Restaurant befindlichen Hotel gibt es verschiedene Unterbringungsmöglichkeiten: Mehrbett-Zimmer mit Dusche und WC auf dem Gang, das gern von Bergsteigern wahrgenommen wird. Oder wer die Privatsphäre schätzt mietet sich in einem der gemütlichen Hotelzimmer ein. Natürlich mit Blick auf die grandiose Bergwelt. Keinen hält es zur späten Stunde im Zimmer. Bei wolkenfreiem Himmel leuchten die eisigen Gipfel noch blaugrau unter dem Licht der Sterne.

Informationen:

Allgemeine Auskünfte unter www.engadin.ch; über den ganzen Kanton unter www.graubuenden.ch; bzw. www.switzerland.com 

Informationen:

Allgemeine Auskünfte unter www.engadin.ch; über den ganzen Kanton unter www.graubuenden.ch;

Fahrpläne zum Berninaexpress, dem Bahnanschluss von Chur über St. Moritz und Diavolezza Talstation bis Tirana in Italien unter www.rhb.ch;

Übernachtungen:

Direkt an der Talstation des Piz Corvatsch das Hotel Nira Alpina: www.niraalpina.com

Auf dem Aussichtsberg Muottas Muragl:

https://www.mountains.ch/de/romantik-hotel-muottas-muragl?gclid=CjwKCAiA8ov_BRAoEiwAOZogwdNeCbl_XXjsP5QJNfg24JTix1YRnwesRzV6BNaX-726uajEziE9jxoCy0oQAvD_BwE

Zur Diavolezza mit Übernachtungen im Berghaus mit Restaurant  www.diavolezza.ch

Hier gibt es Sonderpreise z. B. Parkplatz, Seilbahnauf- und -abfahrt, Übernachtung für 2 Personen inklusive Halbpension ab Euro 218. Der Skipass kann für 45 Franken pro Person und Tag stark ermäßigt dazu erworben werden.

Eine Übernachtungsmöglichkeit bietet im Tal das urige und gemütliche Hotel Berninahaus – eine hervorragende Lage für die benachbarte Diavolezza und im Sommer Ausgangspunkt für Wanderungen.  Es liegt ganz in der Nähe der Bahnstation der Rhätischen Bahn und des Bernina Express in Bernina Suot   www.berninahaus.ch;

Denselben Eigentümern gehört das bekannte Hotel Palazzo Salis in Soglio im Bergell; www.palazzosalis.ch

Zu den Seilbahnen: www.corvatsch.ch, auch mit den Informationen zur Diavolezzabahn.

Zur Auffahrt mit der historischen Standseilbahn nach Muottas Muragl unter

https://www.mountains.ch/de/bergerlebnis-engadin-stmoritz/Bergbahnen/betriebs-und-oeffnungszeiten/muottas-muragl/winter ;

Über die weltweit höchstgelegene Whiskydestillerie unter www.ormawhisky.ch ;

Alle Fotos von Rainer Hamberger, Ausnahme Whiskyflasche copyright Orma

 

MEHR STORIES

Von Gerhard Fuhrmann In zahlreichen österreichischen Tourismusregionen wird die Wintersaison mit einem Ski-Opening eröffnet – in Obertauern beim Rock meets ... Weiterlesen

Das alljährliche Trans4JAZZ bietet immer ein buntes Programm. Auch in diesem Jahr lohnte sich wieder die Reise Richtung Bodensee. Ravensburg ... Weiterlesen

Booking.com

Mehr entdecken aus:

Zurück zu:

Rainer Hamberger

Autor Kurzvorstellung:

Monika und Rainer Hamberger haben alle Erdteile mehrfach besucht zwischen dem 80. Breitengrad im Polargebiet, bis hinab zur Antarktis. Rainer hat über 12 Bildbände aus 5 Erdteilen herausgegeben. Es liegen ihnen Reiseziele besonders, wo authentische Erlebnisse möglich sind. Er ist meist der Fotograf, während Monika für die Texte verantwortlich zeichnet. Ihre Reportagen erschienen in den großen deutschen Zeitungen, sowie bei DuMont, Baedeker, Merian, Geo-Spezial und anderen Magazinen. Bei Reise-stories sind sie seit 6 Jahren Autoren.

Hinweis: Dieser Beitrag wird regelmäßig von Mitgliedern der Reise-Stories Redaktion wie Heiner Sieger, Gerhard Fuhrmann und Jupp Suttner auf Richtigkeit und Vollständigkeit geprüft. Falls Sie Anmerkungen zu diesem Beitrag haben, kontaktieren Sie bitte direkt hier die Redaktion.

INTERESSANT FÜR SIE

Tipp_Restaurant_Hotel_finden

Keine Reisetipps mehr verpassen? Abonnieren Sie unseren monatlichen Newsletter! Entdecken Sie als Local oder auf Reisen die besten Restaurants, Bars, Hotels, Events oder Freizeitaktivitäten!

Ich stimme den Datenschutzbedingungen zu.