Eins der vier Jazzfestivals in Finnlands ältester Stadt ist das Turku Sea Jazz. Bei diesem recht neuen Event in Finnland dreht sich nicht alles nur um Jazz. Jussi Fredriksson beobachtet nämlich genau was um ihn herum geschieht. Und was vor allem mit der Archipelago Sea rund um seine Heimatstadt Turku passiert. Algen sind nämlich ein großes Problem. Dabei sind die Gewässer und die vor Turku gelegenen Inseln wunderschön. Aber auch dieses Paradies ist nun bedroht. Und so heißt das Eröffnungsstück von Frederikssons neuer Trio-CD passenderweise „Dead Sea“.
Jazzfestivals in Turku: Vier unter einem Hut
Jussi Frederiksson ist nicht nur Jazzpianist und auch Schlagzeuger, er ist auch der Kopf der „Jazz City Turku“. Inzwischen darf sich die sympathische südwestfinnische Stadt durchaus so nennen. Nicht nur organisieren Fredriksson und sein Team das ganze Jahr über Konzerte in der Stadt und zwei Mal im Jahr eine Jazzcruise zwischen Turku und Stockholm – Turku beheimatet mit dem Turku Jazzfestival das zweitälteste Finnlands, hat mit dem Turku Jazz Orchester eine eigene Bigband und unter dem Namen Archipelago Sea Jazz nun vier kleine Sommerfestivals in der Region unter einen Hut gebracht. Drei davon finden ausschließlich auf Inseln statt. Zwei, Baltic Jazz und Korpo Sea Jazz, existieren schon lange, zwei sind neu hinzugekommen: Das Åland Sea Jazz – und Turku Sea Jazz.
Und letzteres bietet dem interessierten Publikum Besonderes. Etwa die knapp zweistündige Bootsfahrt durchs Archipel zur kleinen Insel Seili. Dort gibt zunächst der finnische Gitarrist Teemu Viinikainen ein Solokonzert in der kleinen Holzkirche der Insel, schafft durch Loops und Samples einige betörende Momente, verzaubert etwa mit seiner Version des alten Charlie Mingus-Klassikers „Goodbye Pork Pie Hat“, hat aber auch nicht immer so zündende Momente in seinem Spiel. Open Air in einem Garten verzücken bei schönstem Sommerwetter ein wenig später dafür durchgehend das Trio PLOP mit Special Guest Juhani „Junnu“ Aaltonen. Der Flötist und Saxofonist ist bereits 87 Jahre, teilt aber die Wildheit, die äußerst kreativen und immer überraschenden Improvisationsausbrüche und den Humor seiner viel jüngeren drei Kollegen, Saxofonist Mikko Innanen, Bassist Ville Herrala und Schlagzeuger Joonas Riippa.
Frischer, eigenständiger Modern Jazz
Der Hauptspielort des Jazzfefstivals Turku Sea Jazz ist in diesem Jahr ein Open Air-Gelände vor dem Forum Marinum, einem Seefahrts- und Marinemuseum, etwa eine knappe halbe, sehr schöne Spazierstunde zu Fuß entfernt vom Stadtzentrum Turkus, immer am Fluss entlang. Dort zeigt das finnische Timo Lassy Trio wie frischer, eigenständiger Modern Jazz zwar zurückblickend, aber dennoch topaktuell und frisch klingen kann, bissig und zupackend, aber auch mit catchy Melodien unterfüttert.
Und einer Virtuosität, die immer schön in den Triokontext eingebunden wird, trotz wilder Soloausflüge aller dreier Musiker. Die Dänin Ida Nielsen hat ihren E-Bass schon für Prince eingestöpselt. Mit ihrer eigenen Combo The Funkbots gibt es eine groovige Funkparty zum Abschluss des ersten Abends am Forum Marinum. Viele tanzen, und Frau Nielsen hat den Funk drauf, Show Offs mit ihrem Tieftöner inklusive. Das ist gute Unterhaltung, die aber nicht lange nachhallt.
Von den drei Sängerinnen auf dem Jazzfestival singen zwei in ihrer Muttersprache. Finnland´s Nummer Eins-Jazzstimme Aili Ikonen (so angekündigt auf der Festival-Webseite) kann wirklich richtig gut singen und Songs mit ihrer Stimme sehr schön kolorieren. Den girliehaften Gesang von Schwedens Lisa Ekdahl muss man allerdings schon mögen. Eine weitere Finnin, Johanna Försti, sorgt dagegen für den richtigen Ausklang des Jazzfestivals mit ihrer souligen, kraftvollen Stimme und auf Englisch gesungenen Pophits, die sie mit ihrem Trio mit Hammondorgel teilweise sehr interessant Richtung Jazz dreht. Und mit der Band Sound Tagine des finnischen Trompeters und Bouzouki-Spielers Ilkka Arola, der am letzten Abend auf einer kleinen Bühne mit zwei kurzen Sets wunderbar die Umbaupausen auf der großen Bühne überbrückte, gab es einen innovativen Künstler zu entdecken, der nahöstliche Meldodien geschickt mit modernen Jazzklängen zu kreuzen verstand. Voller Spiellust und immer wieder mit überraschenden Klanggemälden.
Text: Christoph Giese; Fotos: Juha Kurri
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