Timmendorfer Strand, Ortstermin in der Buddelbar

Strandabschnitte, etwa in Scharbeutz, waren gesperrt. Es waren einfach zu viele da. Zu viele Urlauber, die es wegen eines kleinen Virus namens Covid 19 nicht an die Strände des Mittelmeers, sondern an die von Ost- und Nordsee zog. Und da wir, wenn schon nicht das Original, dann wenigstens das Flair von Saint Tropez haben wollten, trafen wir morgens auf dem Parkplatz des Maritim-Club-Hotels am Timmendorfer Strand ein. Er gilt als exklusiv. Gut, es ist kein schöner, auch kein eleganter Bau, weiß, Messing, Holz und einem grünen Teppich, dem man ansah, dass er in den 70er-Jahren verlegt wurde. Aber wir wollten ja nicht beim Frühstück stören, wir suchten an der Strandpromenade einen Parkplatz, und hinter der Zufahrtsschranke des Hotels fand sich einer. Das Frühstückspublikum war friedlich, ältere Leute mit dem Hang, ihre ersehnte Jugendlichkeit hinter auffälliger Garderobe, gerne weiß die Herren, fließend zart-bunt die Damen. Aber nicht der Stil der Côte d’Azur.

Bild: Timmendorfer Strand, Blick von der Buddelbar

Getrieben an den Timmendorfer Strand fühlten wir uns von der „großer Strahlkraft, dem klangvollen Namen und viel Tradition“, wie es Christian Jaletzke, Geschäftsführer der Timmendorfer Strand Tourismus GmbH so schön auf den Punkt brachte. Der Strand liege „in perfekter Reichweite zu Hamburg und Lübeck“. Und doch sind von den Gästen die meisten aus NRW, die haben dort kein Meer, dafür beängstigende Corona-Zahlen, und da zieht es noch mehr Menschen als sonst an die virenfreie Luft über der Ostsee. Jaletzke versucht den Spagat, „mondän“ soll es sein, „aber für alle Geldbeutel erreichbar“. Dafür wurde Franz Beckenbauer „persönlich“ zum Fass-Anstich zum Auftakt der Oktoberfest-Saison erwartet. Das hat er schon öfters gemacht. Dieses Jahr fällt es aus, wie auch seine Mondänität deutlich gelitten hat. Wir erwarteten keine Promis und gingen daher die wenigen Schritte vom Maritim weiter zur Buddelbar, die direkt am Strand liegt.

Ja, ein Glas Ruinart Rosé zu 35 Euro, das muss es sein und lässt Gedanken an das Tahiti-Plage oder das Petite Plage aufkommen. Wenn man eine Methusalem-Flasche des Dom Perignon für 11.111,11 Euro ersteht, kommt man schon besser in die südfranzösischen Gefilde. Da auf jedem Tisch in der Buddelbar auch eine Flasche zum Desinfizieren steht, stellt sich natürlich die Frage der Verträglichkeit beider Buddeln. Besser nicht mischen. In der Buddelbar sind alle Tische aufs Meer ausgerichtet. Man blickt in eine Richtung. Dort tut sich indes, was die Ostsee betrifft, nichts, glatt wie der Baggersee zuhause liegt das Wasser. Auf der Seebrücke zur linken Hand flanieren einige Fußgänger in der Erwartung, an seinem Ende böte sich etwas, da ist aber nichts.

Am Strand stehen die Körbe in gebührendem Coronabstand voneinander, ausgerichtet zum Schatten hin in einem getrennten Bereich, direkt vor der Bar sehen wir reichlich Plastikzelte, die sich die Besucher mitgebracht haben. Die Sandburgen früherer Zeiten sind out. Zur rechten Hand am Firmament erkennbar die Küste Mecklenburg-Vorpommerns, und dazwischen muss der Priwall liegen, zur früheren Bundesrepublik gehörig, aber jenseits der Trave und daher den Staatshütern der DDR ein Dorn im Auge, den sie mit reichlich Stacheldraht und Panzersperren zu bannen hofften. Als Jugendliche genossen wir den Reiz dieser Spannung.

Ja, und vor uns, im Buddelbarbereich, Leute, die man an der Côte d’Azur vielleicht auf dem Campingplatz treffen würde. Alle gut im Futter, mit feinen Tattoos auf dem geröteten Körper, Frauen mit putzigem Strickmützchen auf dem Haupt, die Herren mit angehender Zentralglatze. Sandalen mit Socken an den Füßen, Polos und kurze Hosen, und in den Händen auf Baucheshöhe ein Handy. Das sieht schon sehr nach NRW aus. Fehlen nur die Pommes rot-weiß. Um wenigstens einem Prominenten, immerhin einem Literatur-Nobelpreisträger, die Ehre zu geben, besuchen wir die Wanderausstellung „Günter Grass und die Ostsee” und gehen dazu in die Trinkkurhalle. Bilder und Texte aus sechs Jahrzehnten können dort kostenfrei bis zum 23. August besucht werden. Die „baltische Pfütze“, wie Grass die Ostsee nannte, lieferte ihm viele Motive wie Möwengeschrei, Wind und Wellen. Anschließend geht die Ausstellung, die von den Lübecker Museen organisiert wurde, nach Travemünde.

Eine mondäne Persönlichkeit haben wir aber doch gefunden, in dem Kriminalroman von Sabine Latzel, „Das gibt es nur in Timmendorf“. Thea, Grande Dame und Königin der Strandkorb-Vermieter, will der Heldin des Romans, Lianne, einen Neustart in Timmendorf ermöglichen. Aber ein Übeltäter stört, der an den Tatorten jeweils eine Botschaft hinterlässt: „Die fetten Tage sind vorbei.“ Wer ist gemeint? Doch nicht die Gäste, die mit uns in der Buddelbar saßen.

Die 16-teilige Serie findet Eingang in eine Foto-Text-Ausstellung „Gesichter Deutschlands“ im öffentlichen Raum in Gräfelfing und in einen Katalog mit gleichem Namen. Der Katalog „Gesichter Europas- eine Reiseliebe“ ist mit der ISBN 978-3-942138-67-3 über die Buchhandlungen oder direkt beim GRÄV-Verlag zum Preis von 15 Euro zu beziehen.
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Hans-Herbert Holzamer

Autor Kurzvorstellung:

Freier Journalist und Autor

Hinweis: Dieser Beitrag wird regelmäßig von Mitgliedern der Reise-Stories Redaktion wie Heiner Sieger, Gerhard Fuhrmann und Jupp Suttner auf Richtigkeit und Vollständigkeit geprüft. Falls Sie Anmerkungen zu diesem Beitrag haben, kontaktieren Sie bitte direkt hier die Redaktion.

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