Über die Entstehung der Länder werden die unterschiedlichsten Geschichten erzählt. Jedenfalls, wenn der liebe Gott vorgehabt hatte, zu Ehren der Geburt seines Sohnes ein eigenes Land zu schaffen, und dies hätte nicht die Region um Bethlehem sein müssen, dann kommt nur Thüringen infrage. Genau wird man das nicht in Erfahrung bringen. Aber wir haben uns die Weihnachtsmärkte angeschaut und fanden auf ihnen eine Bestätigung dafür. Der in Erfurt ist vermutlich der schönste in ganz Deutschland, und glauben wir der göttlichen Eingebung, dann weil der Erfurter Domberg mit seinen eng beieinander stehenden Sakralbauten, dem Dom St. Marien und der Pfarrkirche St. Severi, die Nähe zum Himmel greifbar erlebbar macht.
Dessen Kälte am heutigen Abend trotzen wir mit einem Glas Glühwein. Hier, in einem der 200 Holzhäuschen, bekommt man die „Erfurter Schnittchen“, den traditionellen Stollen. Die Thüringer Bratwurst natürlich auch, man muss nur seiner durch ihren Duft gereizten und frierenden Nase folgen. In diesem Jahr neu: die Erfurter Puffbohne als Christbaumkugel, eher erdnussförmig als rund. Mittelpunkt Erfurts in diesen Tagen sind die 25 Meter hohe, festlich beleuchtete Weihnachtstanne, davor die Krippe und eine 12 Meter hohe Weihnachtspyramide. Bis zum 22. Dezember dreht sie sich im Eingangsbereich des Domplatzes und mit ihr die geschnitzten Figurengruppen, die auf fünf Etagen weihnachtliche Szenen und Erfurter Persönlichkeiten der Geschichte darstellen. Aber auch in Eisenach, in Gera, Gotha, Greiz, Jena, in Lauscha der Kugelmarkt, in Meiningen, der Festtagsmarkt, in Nordhausen, in Saalfeld, der Herrscheklasmarkt in Schmalkalden, der Sühler Chrisamelmart und schließlich der Weihnachtsmarkt in Weimar. Im ganzen Thüringer Land überstrahlt das mystische Erleben den bitteren und oft unverständlichen Alltag. Es kann keinen Zweifel geben: Wir sind im Heiligen Land, im Weihnachtsland.
Das muss sich auch bis zur englische Königin Elisabeth II. herumgesprochen haben, die familiär sowieso mit den hiesigen Fürstenhäusern verbandelt ist. Sie hat ihren Christbaumschmuck in diesem Jahr in Thüringen bestellt. 2 000, von den Schülern der Berufsfachschule Glas in Lauscha im Thüringer Wald gefertigte goldenen Kugeln hängen am Weihnachtsbaum vor dem Buckingham Palast und bringen ihn zum Strahlen, wenn wir auch keine Hoffnung mehr haben, dass sie die Brexit-fixierten Politiker erleuchten könnten. Wir erinnern gerne daran, dass es eine Thüringerin war, Adelheid von Sachsen-Meiningen (1792-1849), sieben Jahre lang Königin von England, die den deutschen Christbaum nach Großbritannien brachte. Aufgewachsen ist Adelheid im Schloss Elisabethenburg in der Theaterstadt Meiningen. Vielleicht wird der Weihnachtsbaum bald als unerwünschter Migrant des Landes verwiesen.
Wir dagegen haben sie in ihrer Heimat gesehen, die schönsten Weihnachtsbäume, Krippen mit lebensgroßen Figuren, Weihnachtspyramiden und Schwibbögen. Wir sind in die Märchenwelt eingetaucht, haben den Glasbläsern zugeschaut, sind Teil eines Adventskalenders geworden, haben Glühwein, den thüringischen Christstollen genossen, Tannenduft in die Lungen gezogen. Und immer wieder haben wir innegehalten und gedacht, hier ist die Adventszeit stimmig, hier im Herzen Deutschlands zwischen seinen schönsten Tannen- und Laubwäldern.
Um uns herum drängen sich fröhliche Menschen, nicht nur in Erfurt, die auch in der ruhigen Zeit geschäftig sind. Sie suchen nach Besonderem und nach Angeboten, in Nordhausen trinken wir Korn zusammen, wühlen mit ihnen im Weihnachtssortiment des Könitzer Porzellans, ob wir wohl aus dem Angeli-Sortiment etwas Passendes finden. In Lauscha kommen wir – wie die Queen – an einer großen Auswahl an Original Thüringer Christbaumschmuck nicht vorbei. Baum- und Tischdekorationen aus Glas, Kerzen, Lichterketten und erzgebirgischer Holzkunst bis zur Schmerzgrenze des Kitsches. Immerhin ist diese kleine Stadt im Wald der Geburtsort des gläsernen Christbaumschmuckes. Vor über 160 Jahren begannen hier Glasbläser für ihren eigenen Weihnachtsbaum Perlenketten und kleine Formen, wie zum Beispiel Früchte und Zapfen anzufertigen.
Natürlich haben wir uns in Schweina im Thüringer Wald angemeldet, wenn brennende Fackeln am 24. Dezember auf dem Antoniusberg in die Nacht hinauf lodern, auch bei den zwölf Raunächten werden wir nicht fehlen, um den Mondzyklen des Jahres zu huldigen, nach dem wie in Schmalkalden die Mettenschicht erlebt haben, die letzte eingefahrene Schicht der Bergleute vor Weihnachten.
Weimar erleben wir in festlicher Stimmung: Die ganze Stadt hat sich in ein vom Lichterglanz verzaubertes Märchen verwandelt. Der Weimarer Weihnachtsmarkt erstreckt sich vom Theaterplatz unter dem Denkmal von Goethe und Schiller bis hin zum historischen Marktplatz. Vom Rathausturm erklingen zu den vollen Stunden weihnachtliche Melodien.
Wer sich mit seinen eigenen Wünschen auseinandersetzen will, der folge dem Ruf zur Leuchtenburg oberhalb der Porzellanstadt Kahla. Am zweiten und dritten Adventswochenende von 11 bis 18 Uhr lädt die fast 1000 Jahre alte Festung zum „Weihnachtsmarkt der Wünsche“ ein. Besucher können persönliche Wünsche auf einem Porzellanteller verewigen und anschließend auf dem 20 Meter langen „Skywalk der Wünsche“ in die Tiefe werfen, getreu dem Motto: Scherben bringen Glück. Das Porzellan der Kunsthandwerker wäre dafür zu schade. Das nimmt man mit heim.
Für Liebhaber des so heißenden (Liebhaber-)Theaters und von Schloss Kochberg ist der Besuch des Kochberger Nikolausmarkt eine angenehme Pflicht. Weihnachtliche Speisen nach alten Rezepten, Musik, eine Silhouettenwerkstatt und gemeinsames Adventssingen sind durch kein anderes vorweihnachtliches Erleben zu ersetzen. Und der Saalfelder Grottenadvent in Gegenwart der Eisfee auch nicht.
Auch wenn man mit dem Tempo des Nikolaus` und seines Gespanns nicht konkurrieren kann, das Weihnachtsland Thüringen, dort in den Wäldern, ist so klein, dass man vieles in kurzer Zeit und ohne großen Reise-Aufwand erleben kann. Und plötzlich wird es ganz still, die Schrecken zu Hause und der ganzen Welt verblassen, das Lärmen der Kriege und Unruhen ist weit weg, wenn auch nur für kurze Zeit.
Information: https://www.thueringen-entdecken.de