St. Moritz vor der Alpinen Ski WM

Die geplante Hahnenseebahn bleibt ein Traum

Verbindung der Skigebiete Corviglia und Corvatsch weiter ungewiss

Ein Gespräch mit Markus Meili, Geschäftsführer der Engadin St. Moritz Mountains AG

Der Skisport spielte schon immer eine wichtige Rolle in St. Moritz. Zwei Olympische Winterspiele 1928 und 1948, vier Weltmeisterschaften 1934, 1948, 1974 und 2003 sowie unzählige Weltcup-Rennen haben den Ort im Schweizer Oberengadin immer wieder ins Rampenlicht gerückt. Für die WM 2003 wurden Liftanlagen, Seilbahnen und Pisten für mehr als hundert Millionen Schweizer Franken erneuert. Doch das ist Schnee von gestern. St. Moritz muss sich immer neu erfinden, so das Credo von Ariane Ehrat, der früheren Rennläuferin und heutigen Chefin der Tourismusorganisation Engadin St. Moritz (www.engadin.stmoritz.ch). Deshalb hatte sich der Ort vor einigen Jahren abermals um die Alpine Ski-Weltmeisterschaft beworben, die dort nun vom 6. bis 19. Februar 2017 zum fünften Mal stattfindet.

Markus Meili

Doch ein wesentliches im Zug der Bewerbung geplantes, mit großen Hoffnungen verbundenes Modernisierungsprojekt stockt: Das Skizentrum in St. Moritz-Bad mit neuen Bergbahnen auf beide Talseiten, sowohl auf den Corvatsch als auch ins Corviglia-Gebiet. Warum dieses für die Zukunft von St. Moritz unverzichtbare Projekt bisher nicht umgesetzt wurde, welche Nachteile dies für den Ferienort hat und welche Chancen bestehen, diese wichtige zentrale Talstation doch noch zu bauen, erläutert Markus, Meili, Geschäftsführer Engadin St. Moritz Mountains AG (www.mountains.ch/de) in einem Gespräch mit reise-stories.de.

 

Herr Meili, Skiurlauber, die heute nach St. Moritz kommen, haben es nicht einfach. Um vom Corviglia-Skigebiet zum Corvatsch zu wechseln, müssen sie nach wie vor umständliche Wege in Kauf nehmen. Eine Liftverbindung, die schon vor 50 Jahren bei der Erschließung des Corvatsch im Gespräch war, sollte nun rechtzeitig bis zur Ski WM im Februar fertig sein. Das war die große Hoffnung ….
Zwei Skifahrer bei der Abfahrt im Skigebiet Corviglia

Meili: … und ist nach wie vor eine grosse Hoffnung. Wir geben nicht auf und arbeiten kontinuierlich daran. Wir wollen in St. Moritz-Bad das Zentrum einer  Liftstation errichten. Von dort sollen unsere Skigäste mit modernen Bergbahnen über die Alp Giop ins Corviglia-Skigebiet auf die eine und über Hahnensee zum Corvatsch auf die andere Talseite gelangen. Nach der Planung sollten wesentliche Arbeiten, wie die Bahn ins Corviglia-Gebiet, wo die Rennstrecken liegen, vor der Ski-WM im Februar 2017 abgeschlossen sein.

Und warum ist es dazu nicht gekommen? In der Öffentlichkeit ist der Eindruck entstanden, diese für St. Moritz so dringend nötige Bahnverbindung Corviglia-Corvatsch wurde stillschweigend beerdigt.

Meili: Dies ist nicht der Fall; wir kämpfen weiter dafür, weil dieses Projekt für die Zukunft von St.Moritz, wie Sie richtig sagen, unverzichtbar ist. Doch das langwierige und komplexe Bewilligungsverfahren mit einer aufwendigen Umweltverträglichkeitsprüfung hat dieses Projekt ausgebremst. Hoffnungsvoll waren wir, weil einige der wichtigsten Umweltorganisationen, wie Pro Natura, World Wildlife Fund und Stiftung Landschaftsschutz, ursprünglich zugestimmt hatten.

Diese Zustimmung hat aber wohl nicht ausgereicht

Meili: Das Gebiet der geplanten Hahnensee-Bahn in Richtung Corvatsch gehört seit 1983 zum Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler (BLN). Obwohl die ersten Oberengadiner Bergbahnen bereits 1907 errichtet worden waren und der Corvatsch für den Skisport 1963 erschlossen wurde, und damals, was die Natur betrifft, im BLN nur von marginalen Einschränkungen die Rede war, ist heute der Neubau einer Seilbahn bei uns einem äußerst komplizierten Genehmigungsverfahren unterworfen.

Es ist ja bekannt, dass die Schweiz auf dem Umweltsektor recht restriktiv ist. Doch so einem Projekt, das für Zukunft eines namhaften, die gesamte Schweiz prägenden Ferienortes wie St. Moritz von eminenter Bedeutung, solche Hindernisse in den Weg zu legen, ist schwer zu verstehen.

Meili: Na ja, für uns Schweizer weniger. In der Schweiz gibt es mehr als 30 einspracheberechtigte Verbände, die, wenn sie gegen ein solches Projekte sind, bis zum obersten Gericht gehen können. Die grundsätzliche Zustimmung wichtiger Umweltorganisationen ist da schon sehr viel wert. Aber trotzdem ist dies nur ein Schritt auf dem schwierigen Genehmigungsweg.

Können Sie uns die weiteren Schritte kurz und verständlich erläutern.
Corvatsch mit Bernina-Massiv

Gern. Wir kennen in der Schweiz grundsätzlich drei Gesetzesebenen, den Bund, den Kanton und die Gemeinde. Jede dieser Ebene kann einzelne Gesetze erlassen, wobei von oben herab Umsetzungspflicht für die darunterliegende Ebene gilt. Für die Hahnenseebahn braucht es auf eidgenössischer Ebene eine Revision, also eine Überarbeitung der BLN-Verordnung. Verläuft diese erfolgreich, ist, ohne jetzt weiter ins Detail zu gehen, eine Anpassungen an Nutzungs- und Erschliessungsplan sowie ans Baugesetz der beiden Gemeinden St. Moritz und Silvaplana erforderlich. Dann erst können wir ein Konzessionsgesuch beim Bundesamt für Verkehr einreichen, um das eigentliche Baubewilligungsverfahren zu starten.

Ganz schön kompliziert. Und wie weit sind Sie seit der Entscheidung der FIS, des Internationalen Ski-Verbandes, die WM nach St. Moritz zu vergeben, gekommen?

Weiter, als es in der Öffentlichkeit den Anschein hat. In fortgeschrittener Planungsphase ist bereits eine Beschneiungsanlage der beliebten Hahnenseepiste von Giand‘ Alva nach St. Moritz-Bad. Was das Bewilligungsverfahren für dieses Teilprojekt betrifft, sind wir guten Mutes, weil in diesem Fall der Einfluss auf Eidgenössischer Ebene bedeutend geringer ist, aber diese Beschneiungsanlage eine wesentliche Grundlage für die Hahnenseebahn in Richtung Corvatsch ist.

War nicht einmal die Rede davon, dass die Genehmigung für das Hahnensee-Projekt abhängig gemacht wird von der Forderung, im Gegenzug die Seilbahn auf die Lagalb, den Skiberg am Berninapass, der bisher zum Urlaubs-Programm jedes anspruchsvollen St. Moritz-Besuchers gehörte, abzubauen?

Meili: Das stimmt. Davon ist aber schon lange nicht mehr die Rede. Wir hätten das auch nur sehr ungern gemacht. Die Lagalb bietet mit den sportlichen Abfahrten, darunter der Schwarze Hang, die

Auch Langläufer, hier vor der Kirche San Gian, sind in St. Moritz gern gesehene Gäste
Und sehr beliebt sind auch Pferdeschlitten-Fahrten durchs Tal

mit 86 % steilste Piste Graubündens, vor allem dem anspruchsvollen Gast ein Erlebnis. Solche Abfahrten brauchen wir, um allen Besuchern, deren Wünsche sich infolge der besseren Pistenpräparation  und des weiterentwickelten Schneesportmaterials massiv verändert haben, entgegen zu kommen. Die Gäste von heute suchen eine Vielfalt sowohl anspruchsvoller als auch weniger anspruchsvoller Pisten. Diese Ansprüche können wir im Oberengadin sehr gut abdecken.

Ursprünglich hatten Sie dort ja dort auch ganz andere Pläne

Meili: Ja, wir wollten die Pisten der beiden Superskiberge am Berninapass, die Lagalb und die Diavolezza, verbinden und mit einer neuen Sesselbahn zu einem zusammenhängenden Skigebiet machen. Das Vorhaben scheiterte am massiven Einspruch der Schutzverbände. Deren Argumentation, es gebe keinen zwingenden Grund, den leistungsfähigen und für den Tourismus zweifellos wichtigen Skizirkus des Oberengadins in die geschützte Kulturlandschaft des Bernina-Gebietes auszudehnen, bewog uns auch, das Skizentrum in Moritz-Bad mit der Hahnenseebahn zu forcieren.

Herr Meili, eine grundsätzliche Frage. Bei diesen großen Hemmnissen – wie sehen Sie generell die Zukunft von St. Moritz als Wintersportdestination? Macht es noch Sinn, groß zu planen, um den Skisport, der in St. Moritz ja eine lange Geschichte hat, als erfolgreichen Tourismusbereich zu bewahren?
Auf der Corviglia

Meili: Ja, dies macht durchaus Sinn. Wir sind eine namhafte, bekannte Schneesportdestination mit einem attraktiven, variantenreichen Angebot. Unsere schneesichere Höhenlage zwischen 1700  und 3303 Meter wird uns, da bin ich sicher, auch in Zukunft entgegenkommt. Dass wir zuversichtlich sind, zeigen viele Projekte, die wir in den letzten Jahren realisieren konnten. Dazu zähle ich am Corvatsch die neuen Kabinen der Furtschellas-Bahn und zwei neue Sessellifte sowie auf der Diavolezza die Modernisierung der Pendelbahn. Auf Corviglia haben wir mit dem größten Naturspeichersee der Schweiz, dessen Wasser überwiegend vom Berg kommt und nicht hochgepumpt werden muss, womit wir viel Energie einsparen, einen große Schritt zur Sicherung dieses Skigebiets getan und zudem ein weiters attraktives Ausflugsziel für den Sommer geschaffen. Dass wir nicht aufgeben, zeigt auch der Planungskredit, den die Gemeinde aufgenommen hat, um in naher Zeit doch noch eine Ski-Talabfahrt bis ins Dorf St. Moritz zu schaffen.

Ein weiteres Problem ist der Währungskurs. Für viele deutsche Skitouristen, die gern nach St. Moritz kamen, ist ein solcher Urlaub seit der Freigabe des Frankens unerschwinglich geworden ist? Was unternehmen Sie, um nicht noch mehr Terrain an die Rivalen in Österreich, Frankreich und Italien zu verlieren?
Die Bergbahn Chantarella-Corviglia

Meili: Dies beschäftigt uns intensiv. Der Druck ist gross und wir haben uns etwas einfallen lassen.Wer in diesem Winter in und rund um St. Moritz mehr als eine Hotel-Übernachtung bucht, bekommt von uns den Skipass für die ganze Aufenthaltszeit für 35 Franken pro Tag. Ein besseres Preis/Leistungsangebot gibt es kaum.

Wir stehen kurz vor der Alpinen Ski WM, die bereits zum fünften Mal in St. Moritz stattfindet. Es ist ja erstaunlich, dass der Ort trotz dieser drastischen Restriktionen als Veranstaltungsort solcher herausragenden Sportereignisse immer wieder den Zuspruch erhält.

Das hat verschiedene Gründe. Durch die vielen Veranstaltung im Tal und auf dem Berg hat die ganze Region eine hohe Sachkompetenz und demzufolge Planungssicherheit. Unsere Zuverlässigkeit und Präzision sind für die Gremien, die solche Veranstaltungen vergeben, sicher nicht unbedeutend. Die Schneesicherheit spielt auch eine Rolle und vergessen sollte man auch nicht unsere Bemühungen um Nachhaltigkeit und Umweltschutz, was bei uns im Lauf der über 150 Jahre Wintersport in Infrastruktur, Serviceleistungen und Knowhow stark verankert ist.

Herr Meili, zum Abschluss: Warum sind solche Veranstaltungen, wie die aktuelle Ski WM, die ja viel Geld kostet, für St. Moritz so wichtig? Ist es das Image nach dem Motto von PR-Chefin Ariane Ehrat „St. Moritz muss sich immer neu erfinden“? Was macht die aktuelle kurz bevorstehende WM so attraktiv? Gibt es etwas ähnliches wie den Freien Fall, den 2003 von Bernhard Russi konzipierten steilsten Starthang der Welt?

St. Moritz steht – wie gesagt – seit über 150 Jahre für Wintersport. Seit gut hundert Jahren ist Skifahren das zentrale Angebot. Das wurde vor 80 Jahren mit der ersten WM untermauert. Mit einer solchen einzigartigen Historie und entsprechenden Verpflichtung muss sich unser Ort immer

Kühner Sprung auf der Hahnensee-Abfahrt

wieder neu erfinden mit guten Ideen, Angeboten und Aktionen, die in die Zeit passen. Dazu zähle ich den steilsten Herrenstart ebenso wie das geplante Skizentrum in Moritz-Bad. Wir sind uns aber auch bewusst, dass wir trotz aller Innovationen, die zurückreichen bis zum Bau der Muottas Muragl Bahn 1907, nie unsere Landschaft, die Schönheit des Tals, aus dem Auge verlieren dürfen. Die Natur ist unser Arbeitgeber. Um diesen müssen wir uns kümmern! So war es unsere persönliche Herausforderung, bei dieser Ski WM 2017 den Athletinnen und Athleten die saubersten Rennpisten zu bieten, die je für eine alpine Skiweltmeisterschaft präpariert wurden. Mit Hilfe von Schneeerzeuger, die durch CO2-neutrale Energie aus hundertprozentiger Schweizer Wasserkraft betrieben werden und mit dieselelektrischen Hybrid-Pistenraupen, die bereits heute den zukünftigen Abgasvorschriften entsprechen. Nicht einfach deshalb, weil wir eine WM haben, sondern weil dies unserer Überzeugung und dem Gelebten entspricht und eine WM eine wunderbare Chance ist, dies zu transportieren und einen Grossanlass in einem neuen Licht erscheinen zu lassen.

Informationen:

www.mountains.ch
www.engadin.stmoritz.ch
www.stmoritz2017.ch

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Hinweis: Dieser Beitrag wird regelmäßig von Mitgliedern der Reise-Stories Redaktion wie Heiner Sieger, Gerhard Fuhrmann und Jupp Suttner auf Richtigkeit und Vollständigkeit geprüft. Falls Sie Anmerkungen zu diesem Beitrag haben, kontaktieren Sie bitte direkt hier die Redaktion.

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