Slowenien – Zwischen Alpen und Adria

Slowenien ist gerade mal so groß wie Hessen, aber beeindruckend vielfältig. Kaum verwunderlich, denn das kleine Land grenzt im Norden an Österreich, im Süden an Kroatien, im Osten an Ungarn und im Westen an Italien. Nicht nur kulturell und kulinarisch haben die Nachbarn das kleine Land zwischen den Bergen der Karawanken und dem adriatischen Meer von jeher beeinflusst.

Durch die Nachbarschaft zwischen Slowenien und Italien wurde indessen nach dem Zweiten Weltkrieg eine Grenze gezogen. Der kalte Krieg zwischen Ost und West hatte begonnen. Buchstäblich über Nacht wurde eine Grenzlinie zwischen Häuser und Höfe, Felder, Wiesen und Wälder, Familien und Freunde gezogen. In einem ehemaligen zum Museum umgestalteten Grenzhäuschen symbolisiert das Foto einer Kuh das Drama der Trennung: Mit den Vorderbeinen steht das Tier im einst yugoslawischen Slowenien und mit den Hinterläufen auf italienischem Boden. Über Jahrzehnte blieb die Grenze dicht. Erst als Slowenien 2007 dem Schengen-Abkommen beigetreten war folgte die Öffnung.
Die leidvollen Grenzerfahrungen von damals haben das Städtchen Nova Gorica auf die Idee gebracht, sich gemeinsam mit der italienischen Schwesterstadt Gorizia als Kulturhauptstadt Europas 2025 zu bewerben. Damit präsentiert sich erstmals eine grenzübergreifende Stadt unter dem Motto „Go! 2025 Borderless“.

Go! Grenzenlos von Goriza nach Nova Gorica

Das einst habsburgische Görz hatte Mussolinis nach seinem Machtantritt bereits konsequent italienisiert. Die Vereinnahmung führte Ende des Zweiten Weltkriegs zu blutigen Gefechten zwischen den italienischen Faschisten und Titos Partisanen. Die Faschisten unterlagen zwar. Dennoch ging das historische Görz fast vollständig an Italien und wurde zu Gorizia. Titos Jugoslawien musste sich mit dem bäuerlichen Hinterland begnügen. Eine schier ausweglose Lage für die italienischen Bauern, die von ihren Feldern und Wiesen und oft sogar von ihren Ställen abgegrenzt waren. Unterdessen plante Tito eine sozialistische Musterstadt und legte im Februar 1947 den Grundstein für Nova Gorica. Mehrstöckige Wohnhäuser und wuchtige öffentliche Bauten ließ der yugoslawische Herrscher gleichsam als Kontrast zu Gorizia bauen, das über Jahrhunderte gewachsen war.

Vom Kloster Kostanjevica bietet sich ein weiter Blick über die grenzübergreifende Kulturhauptstadt. Auf einem Hügel über Nova Gorica breitet sich das im 17. Jahrhundert gegründete spirituelle Zentrum aus, das zum kulturellen Wahrzeichen wurde. Die letzten Bourbonen-Könige, die nach der Französischen Revolution hier im Exil lebten, fanden in dem heiligen Gemäuer ihre letzte Ruhestätte. Ihnen zu Ehren gilt die Rose als Wahrzeichen von Nova Gorica. Über dem beschaulichen Klostergarten liegt der betörende Duft seltener Rosenarten in der Luft, die hier mit besonderer Hingabe gezüchtet werden.

Gut erhaltene Burgen entdeckt man auch beim Wandern im Vipava-Tal. In dem landschaftlich reizvollen Wippachtal haben Herzöge von Friaul, Grafen von Görz, Venezianer, Krainer Herzöge und ab 1918 italienische Könige ihre Spuren hinterlassen. Zwischen den sanften Weinterrassen-Hügeln plätschert die Vipava mit ihrem kristallklaren Wasser durch das sonnenverwöhnte Tal. In dem mediterranen Klima gehört der Weinbau seit Jahrhunderten zur Tradition. Versteht sich, dass die Gastfreundschaft der Einheimischen in den malerischen Dörfern mit ihren gepflegten Steinhäusern immer auch mit dem Wein verbunden ist. Wir kosten hier und da süffige Weine. Dazu gibt es leckeren Käse und Schinken aus der Region und hausgemachtes Gebäck. Stolz erzählen die Winzer, dass einige ihrer Rebsorten wie die Pinela und Zelèn nur hier auf den Böden am Fuß der Karstplateaus gedeihen.

Unterwegs in sonnenverwöhnter Weinlandschaft


Unser nächstes Ziel ist die Region Brda, die wir per Fahrrad erkunden. Start ist im mittelalterlichen Smartno. Vorher spazieren wir durch das Dorf, das mit seinen heimeligen Gassen zu den schönsten der Region gehört. Charmante Lädchen bieten heimisches Handwerk und regionale Produkte wie Olivenöl, Blütenhonig, aromatische Seifen und Naturkosmetik an. Der mächtigen Barockkirche des Heiligen Sankt Martin verdankt Smartno seinen Namen. Während opulente Wandmalereien in dem Gotteshaus vom ehrfürchtig gelebten katholischen Glauben künden, gibt die ethnologische Sammlung zur Volks- und Wohnkultur im „Haus von Brda“ einen Einblick in das einstige Alltagsleben. Dazu gehörte von jeher auch ein Weinkeller.
Nach wenigen Kilometern legen wir einen Stopp am Aussichtsturm in Gonjace ein. Bei klarer Sicht reicht der Blick von der 23 Meter hohen Aussichtsplattform bis zu den Karnischen Alpen und der Friaul-Ebene. Um die malerischen Dörfer der Region Brda breiten sich Rebhügel, Obstgärten und Olivenhaine aus. Ein begnadetes Fleckchen Erde. Im Mittelpunkt liegt die Ortschaft Dobrovo. Ihr Name leitet sich von der Eiche ab, die in der Landschaft allgegenwärtig ist. Am Ortsrand erhebt sich das mächtige Schloss Dobrovo. Besonders beeindruckend ist der pompöse Rittersaal. Anschließend steuern wir die Kellerei Goriška Brda für eine Verkostung an. Die größte Genossenschaftsweinkellerei Sloweniens keltert auch Rebsorten wie die Rebula, die nur hier wächst. Frisch und fruchtig rinnen die erlesenen Weine durch die Kehle. Genau richtig nach unserer Radtour durch die sonnenverwöhnte Weinlandschaft.

Die „Geliebte“ an der Ljubljanica


In der slowenischen Hauptstadt Ljubljana herrscht unterdessen Leben und Treiben. Die Cafés mit ihren Außenterrassen an den Ufern der Ljubljanica, dem Fluss, der sich durch die Stadt schlängelt, sind voll besetzt. Auch die Plätze und Grünflächen wie der weitläufige Tivoli-Park sind belebt. Mit dem gläsernen Aufzug geht es hinauf auf die Burg, die über der denkmalgeschützten Altstadt wacht. Mittendrin erhebt sich der markante Dom. Auf dem Preseren-Platz vor der barocken Franziskanerkirche ist der bedeutendste Dichter Sloweniens, France Preseren, mit einem Denkmal verewigt. Dreh- und Angelpunkt ist die malerische Dreibrückenanlage. Hier trifft sich Jung und Alt. Die dezente Eleganz der Brücken und der historischen Häuser verdankt Ljubljana ihrem Stararchitekten Joze Plecnik. Mit ihrem freundlichen Flair wirkt die autofreie Altstadt geradezu liebenswert. Kein Wunder, dass die knapp 290.000 Einwohner ihrer Stadt, die sich aus dem einst provinziellen österreichischen Laibach zur kosmopoliten Metropole entwickelt hat, den Beinamen „Geliebte“ gegeben haben.

Mediterrane Esskultur und Balkanküche


Nach einem Bummel durch die beschauliche Altstadt mit ihren ansprechenden Boutiquen und einer Verkostung einheimischer Obstschnäpse wird es Zeit, die slowenische Küche zu genießen. Die vielversprechenden Restaurants verbergen sich nicht selten zwischen einem Labyrinth an kleinen Gassen. Die Auswahl zwischen bodenständigem Gasthaus, einfachem Bistro bis hin zur Sterneküche ist groß. „Unsere Küche ist ein Spiegelbild unserer Geschichte und Geografie“, sagt unser Begleiter Uros. Das reicht von der mediterranen Esskultur bis zur Balkanküche, von Cevapcici mit Polenta und Pflaumen mit gefüllten Kartoffelklößen bis zu feinstem Karstschinken, der mit aromatischen schwarzen Oliven serviert wird

Ein anderer Pfad der Geschichte führt uns ins nördliche Isonzo-Tal. In der atemberaubenden Berglandschaft um den Fluss Isonzo, der slowenisch Soca heißt, packen wir nochmals die Wanderschuhe aus und folgen den Spuren der harten Kämpfe im Ersten Weltkrieg. Damals kämpften italienische gegen österreichisch-ungarische Soldaten. Die Schützengräben und Schieß- und Beobachtungsposten in dem bergigen Gelände sind noch gut zu erkennen. Im Städtchen Kobarid, das früher Karfreit hieß, wurde 1991 ein Museum eingerichtet, in dem die unerbittlichen Kämpfe dargestellt sind. Entlang der einstigen Isonzo-Front führt ein Friedensweg durch die malerische Landschaft. Ein Mahnmal gleichsam an die vom Krieg geprägten Zeiten und ein Zeichen, den Frieden zu bewahren. Daran erinnert auch das „Grenzenlos“-Programm im Gorizia-Nova Gorica-Kulturhauptstadtjahr 2025.

Text und Bilder: Renate Wolf-Götz

Weitere Informationen zu Slowenien
Auskünfte: Slowenien Tourismus, www.slovenia.info
Nova Gorica und Gorizia ist neben dem sächsischen Chemnitz/Region Europäische Kulturhauptstadt 2025. Dazu finden ganzjährig zahlreiche Veranstaltungen statt. www.go2025.eu
Essen und Trinken
In der Altstadt von Ljubljana gibt es eine große Auswahl an Restaurants mit traditionellen Speisen. Für den gehobenen Geschmack tischt das verwinkelt gelegene JAZ by Ana Ros kreative Gerichte aus regionalen Zutaten auf. www.jaz.anaros.eu
Informationszentrum in Goriska Brda, www.brda.si
Wein-Safari in Brda mit hausgemachten Gaumenfreuden, www.kontrabant.si

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Renate Wolf-Götz

Autor Kurzvorstellung:

​Renate Wolf-Götz ist eine freie Reisejournalistin und Buchautorin; sie stammt aus Württemberg und lebt in München. Nach Stationen bei Presse- und Nachrichtenagenturen sowie als Redakteurin einer Frauenzeitschrift arbeitet sie freiberuflich und veröffentlicht u. a. auf Reise-Stories.de.​ Zu ihren Büchern zählt „Chiemgau – Die 100 schönsten Ausflugsziele“ (Rosenheimer Verlagshaus).

Hinweis: Dieser Beitrag wird regelmäßig von Mitgliedern der Reise-Stories Redaktion wie Heiner Sieger, Gerhard Fuhrmann und Jupp Suttner auf Richtigkeit und Vollständigkeit geprüft. Falls Sie Anmerkungen zu diesem Beitrag haben, kontaktieren Sie bitte direkt hier die Redaktion.

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