Schweiz: Engelberg – Klosterdorf auf dem Berg der Engel

Zu Füßen hochalpiner Berge, allen voran des alles überragenden Gletschers Titlis und des nicht weniger eindrucksvollen Hausbergs Hahnen, breitet sich Engelberg auf gut 1000 Metern Höhe in einem weiten Hochtal aus. Hier sind die Winter lang und schneesicher. Doch auch die Sommer- und Herbstzeit hat ihre Reize.

Schon die Fahrt über Luzern und die beschaulichen Ortschaften Stans und Oberdorf stimmt auf die herbstlichen Wandertage in den Schweizer Bergen ein. Die Strecke hinauf nach Engelberg ist nicht übermäßig kurvig. So können wir die reizvolle Landschaft schon ein wenig genießen. 

Vor über 900 Jahren wurde der Grundstein für das Kloster gelegt. ©Wolf-Götz

Am Benediktinerkloster Maria-Rickenbach vorbei ist schon der kleine Eugenisee in Sicht. Ebenfalls am Ortseingang der mit 6400 Einwohnern überschaubaren Gemeinde hat die Titlis-Bergbahn ihre Talstation. Mit der Bezeichnung Engelberg-Titlis hat sich das sonst eher unspektakuläre Klosterdorf einen Namen als größter Winter- und Sommerferienort der Zentralschweiz gemacht. Das war nicht immer so.

Lange bevor Engelberg und die rundum eindrucksvolle Bergwelt im Kanton Obwalden erschlossen wurde, soll sich hier eine himmlische Geschichte zugetragen haben. Der Legende nach hatte Konrad von Sellenbüren im Traum Engelsstimmen gehört. Die Engelszungen trugen dem Adelsmann aus dem Kanton Zürich auf, an diesem Ort eine Gott geweihte Stätte zu schaffen. So entstand im Jahr 1120 das Benediktinerkloster auf über 1000 Metern Höhe. Ein Name für den geweihten Ort war schnell gefunden: Der Berg der Engel, kurz gesagt Engelberg.  

Inzwischen dient das Kloster, das nach wie vor maßgeblichen Einfluss auf das Dorfleben hat, nicht mehr nur klerikalen Zwecken. Auf Führungen im Kloster und in der barocken Klosterkirche mit der größten Orgel der Schweiz erfährt man auch, dass die 19 verbliebenen Mönche bei ihren umfangreichen Aufgaben, darunter der Unterricht in der angeschlossenen Stiftsschule mit Internat sowie bei den Arbeiten der außerhalb gelegenen Besitztümer, zu denen auch ein Weinberg und ein Hotel gehört, von 120 weltlichen Mitarbeitern unterstützt werden. 

Energiestadt Engelberg

Auf einem kleinen Spaziergang durch das Klosterdorf, das mit seinem zukunftweisenden Nachhaltigkeitskonzept bereits 2011 zur Energiestadt gekürt wurde, fällt der Blick immer wieder auf Bauwerke im Stil der Belle Époque. Vor über hundert Jahren sei Engelberg ein vielversprechender Luftkurort für Atemwegserkrankungen gewesen, erklärt Nicole Eller. „Noch vor Davos“, ergänzt die Ortsführerin. Deshalb seien damals mehrere Nobelhotels gebaut worden. Allerdings haben sich nicht alle über die wechselvollen Zeiten retten können. Zu den wenigen gehört das noble Kempinski-Hotel mit dem integrierten historischen Kursaal in der Ortsmitte und das Bellevue Terminus direkt am Bahnhof. Das am sonnigen Südhang gelegene Jugendstilhotel Terrace, das ebenfalls über mehrere Jahre geschlossen war, hat sich nunmehr ausschließlich auf indische Gäste eingestellt. Winters wie sommers steuern die Besucher aus der Ferne Engelberg an, um vor allem den Gipfel des Titlis zu stürmen und sich am zuvor nie gesehenen Schnee auf dem Gletscher zu erfreuen.

Der Walenpfad zählt zu schönsten Höhenwanderwege in der Schweiz © Wolf-Götz

Top Ten mit dem Titlis

Der Titlis überragt mit seinen 3239 Metern Höhe alle umliegenden Gipfel. Schon deshalb hat der herausragende Gletscher maßgeblichen Anteil daran, dass  Engelberg zu den Top Ten der Schweizer Skigebiete gehört. Wintersportcracks schätzen die zwölf Kilometer lange Abfahrt ganz besonders, die über 2000 Höhenmeter führt und damit als weltweit längste Abfahrt punktet. Für die indischen Gipfelstürmer ist das allerdings kein Thema. Sie wollen für einen Moment das Gletscherfeeling erleben und mittels Fotoshooting die alpine Atmosphäre den Daheimgeblieben virtuell übermitteln. Damit die fernöstlichen Besucher stilecht im angemessen alpinen Dresscode posen können, bieten die Läden und Boutiquen auf dem Titlis komplette Trachten-Outfit-Varianten. Statt den Haferlschuhen werden allerdings Bergschuhe zum Dirndl oder zur Krachledernen angeboten.  

Blick auf Engelberg aus der Brunni Bergbahn © Wolf-Götz

Zwischen Shoppen und Shooting geht es mit der Rotair-Drehseilbahn auf den Gipfel. Eine 360 Grad-Drehung dauert die Auffahrt, die einen  Rundumblick auf die faszinierende Bergwelt ermöglicht. Oben angekommen wagen sich Mutige auf die schwindelerregend hohe Hängebrücke Cliff Walk. 

Für Höhenängstliche empfiehlt sich eher der Gletscherpark, ein eisiger, mit Eiskunstwerken bestückter Tunnel, der in den Gipfel geschlagen wurde.

Nach dem kuriosen Gipfelerlebnis gondeln wir mit der Standseilbahn Gerschnialp eine Etage tiefer zum Trübsee. Ein Rundgang um den See in der frischen Bergluft macht hungrig. Im Selbstbedienungsrestaurant des einfachen Berghotels direkt am See stärken wir uns mit Hirtenmakkaroni nach Schweizer Art mit Apfelmus. Unterdessen ergießt sich aus der dichten dunklen Wolkendecke ein Wolkenbruch. Damit steigen wir statt in den geologischen Wanderweg in die Brunni-Bergbahn ein und schweben hinunter ins Tal. Beim anschließenden Bummel durch Engelberg entdecken wir die gemütliche Ski Lodge Bar. Der „Place to be“ ist ein beliebter Treffpunkt für Einheimische und Gäste. Man trifft sich auf einen Plausch oder, wie wir, auf einen Cappuccino und zum Schmökern in der erlesenen Auswahl an Büchern mit Bezug auf die Berglandschaft. 

Eindrucksvolle Ausblicke im Patagonien der Schweiz

Unser nächstes Wanderziel ist der Walenpfad, eine der schönsten Höhenwanderwege der Schweiz. Hoch über dem Engelbergtal führt die Tagestour über elf Kilometer vom Brunni- ins Bannalp-Gebiet mit dem Bannalp-Stausee auf knapp 1600 Metern Höhe. Unterwegs eröffnen sich immer wieder eindrucksvolle Ausblicke, die von den gletscherüberzogenen Gipfeln um den Titlis über die hoch aufragenden Walenstöcke bis hin zum Vierwaldstättersee reichen. 

Im Alpbeizli Stäfeli gibt es einheimische Spezialitäten © Wolf-Götz

Am letzten Tag unserer Wanderwoche steht mit dem „Little Patagonia Loop“, dem Patagonien der Schweiz, noch ein Highlight auf unserem Programm. Herbstlich kühl ist es noch, als wir morgens in die Luftseilbahn Fürenalp steigen. Auf 1850 Metern Höhe angekommen reflektieren die ersten Sonnenstrahlen bereits an den mächtigen Gipfeln, während über dem Tal noch ein Nebelmeer liegt. Über schmale Pfade geht es kontinuierlich bergab. Mal plätschert eine Quelle aus dem Gestein, dann fällt der Blick auf seltene Bergblumen und immer wieder fasziniert die mächtige Bergwelt. In der Alpbeizli Stäfeli stehen im Herbst heimische Wildspezialitäten auf der Speisekarte. Zum Nachtisch verlockt der leckere Kaiserschmarrn mit Zwetschgenkompott. Dann geht es flott weiter über Alpwiesen, vorbei am Stäuber Wasserfall und schließlich mit dem kostenlosen Bus zurück nach Engelberg. 

Mit ihren riesigen Glocken sind die Kühe beim Almabtrieb schon von Weitem zu hören
© Wolf-Götz

Längst sind die Kalorien verbraucht, als wir den Tag im bodenständigen Restaurant Spannort mitten im Dorfkern bei einem Menü mit Trockenfleischspezialitäten und Rindsfilet vom Schweizer Weiderind ausklingen lassen. Bei einem „Absacker“ zum Ausklang unserer Wandertage in der Yukatan-Bar des Hotels Bellevue Terminus schmieden wir schon Pläne für weitere Erkundungen auf Schusters´ Rappen.

Text und Bilder: © Renate Wolf-Götz

Informationen

Auskunft: Engelberg-Titlis Tourismus, www.engelberg.ch

Schweiz Tourismus, www.MySwitzerland.com

Anreise: Engelberg liegt zentral und ist bequem über die A2 erreichbar. Nach der Abzweigung steigt die Straße ab Grafenort über etwa 20 Km deutlich an.

Gut zu wissen: Rund um Engelberg-Titlis stehen über 500 Km gut ausgeschilderte Wanderwege unterschiedlicher Schwierigkeitsgrade zur Auswahl. Die Wandertageskarte gibt Auskunft zu den Wanderungen, die mit Bergbahnen erreicht oder abgekürzt werden können.

Nicht alle Wanderwege sind ganzjährig begehbar. Der Walenpfad etwa ist nur von Anfang Juli bis Ende Oktober geöffnet.

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