Die zweitgrößte Insel der Ostsee gehört zu Schweden. Über Jahrhunderte war die mittelalterliche Hauptstadt Visby ein bedeutender Handelsplatz. Aber nicht allein der Handel machte die Hansestadt von jeher zu einem beliebten Reiseziel. Die einzigartige Natur und Kultur lockt noch heute viele Urlauber – besonders in der Mittsommerzeit (Mitte Juni bis Ende August).
Als der Schauspieler Walter Sittler regelmäßig nach Gotland kam, um für die ZDF-Serie „Der Kommissar und das Meer“ zu ermitteln, zog es ihn immer wieder nach Högklint südlich von Visby. Die Lichtspiele der Sonnenuntergänge seien nirgendwo so beeindruckend wie auf den Klippen in Högklint, fand der Kommissar.

In den Morgenstunden steigen wir in Visby aus der Fähre. Tag eins unserer Inselerkundung startet mit einer „Fika“. Der Snack mit Kaffee und Zimtschnecke ist bei den Schweden eine beliebte Tradition. Darauf haben die einheimischen Cafés und Bäckereien ihr Angebot ausgerichtet. Die Wahl der verschiedenen Zimtschnecken-Variationen fällt da oft nicht leicht. Etwa in der idyllisch gelegenen Själsö Bageri. Neben dem Gebäck kommt hier auch das Brot aus der eigenen Backstube. „Natürlich mit Biomehl gebacken“, betont Claes Johansson. Viele Sommer kam der Stockholmer zum Surfen auf die Insel, bis er schließlich blieb, um im Haus des ehemaligen Visby Segelclubs eine Bäckerei im Stil des alten Handwerks und mit schönem Gastgarten mit Meerblick zu betreiben.

Gotland-Kommissar
Wenige Kilometer nördlich von Visby treffen wir in Salthamn nochmals auf Kommissar Robert Anders alias Walter Sittler. Genauer gesagt auf das Haus an der Küste, das der Kommissar mit Familie in der Krimiserie bewohnt hat. Besitzerin Jacqueline Raymond vermietet ihre Häuser im Schwedenstil als Drehorte für Filme wie der „Kommissar und das Meer“. „Das war der Anfang meines kleinen Unternehmens“, sagt die agile Mittfünfzigerin. Im Mittelpunkt ihres weitläufigen Grundstücks steht der Bauernhof, den ihr Vater in den 1950-iger Jahren für seine Nerzzucht gekauft hatte. Nerze zu züchten war für Tochter Jacqueline indessen kein Thema. Die kreative Unternehmerin hat stattdessen einen Ort für kulinarische und musikalische Erlebnisse geschaffen. Zusätzlich bietet sie in ihrer Boutique traditionelle Produkte der Region an. Neben einer Vielfalt an Kunstobjekten findet sich in den kreativ gestalteten Verkaufsräumen Modisches aus Schafwolle und nicht zuletzt die kuscheligen Felle der Gotland-Schafe.
Vom Nerz zum Gotland-Schaf
Ihre Wurzeln hat das Multitalent Jacqueline in Alaska. Vor allem aus dieser nordamerikanischen Region sind zu Beginn des letzten Jahrhunderts viele Fuchs- und Nerzzüchter aufgebrochen, um sich auf Gotland eine neue Existenz aufzubauen. In der Gegend um Salthamn hatten sich damals die größten Nerzfarmen Europas angesiedelt.
Überhaupt gibt es in der Region südlich von Salthamn einiges zu entdecken. Zu den meistbesuchten Attraktionen Gotlands gehört hier die Lummelunda-Höhle. Die Tropfsteinhöhle mit ihren eindrucksvollen Kalksteinfiguren ist von Mai bis September für Besucher geöffnet.

Gotland im Schutz der Natur
Au dem Weg Richtung Tofta südlich von Visby steuern wir das komfortable Zeltdorf Surflogiet an. Bei einem Hauscocktail aus heimischen Blüten an der Strandbar bieten die bunten Kitesurfer eine unterhaltsame Kulisse. Später beim Abendessen im Zeltdorf-Restaurant betont Betreiber Matthias Anderson, dass hier nur regionale Produkte aus biologischem Anbau auf den Teller kommen. Auf der landwirtschaftlich geprägten Insel Gotland mit ihrer reichen Flora und Fauna bietet sich das an. Außerdem hebt der stolze Gründer der umweltfreundlichen Anlage hervor, dass Plastik auf dem gesamten Gelände tabu sei. In der romantisch illuminierten Bar am Strand lassen wir den Tag ausklingen und genießen den spektakulären Sonnenuntergang über der Ostsee.

Von Insel zu Insel
Zum Schutz der artenreichen Naturlandschaft auf Gotland wurden zahlreiche Naturreservate angelegt. Herausragend sind dabei die beiden Karlsinseln Lilla und Stora Karlsö mit ihrer einzigartigen Vogelwelt und der Vielfalt an Orchideen. Vom Schiffsanleger in Klintehamn aus nehmen Kurs auf Insel Stora Karlsö. Die streng geschützte Insel gilt als weltweit zweitältestes Naturreservoir nach dem Yellowstone Nationalpark in den USA. Wegen der Population seltener Vögel und den geschützten Gewächsen begleiten Insel-Rangerinnen und Ranger die Wandergruppen. Nur paarweise dürfen Besucher für eine Nacht auf der Insel bleiben und in einfach eingerichteten Zimmern im Gästehaus am historischen Leuchtturm übernachten. Vor allem passionierte Vogelbeobachter schätzen den Logenplatz am größten Vogelberg der Ostsee, wo Kolonien an Trottellummen und Tordalken brüten. Nachdem die Jungvögel geschlüpft sind, folgt bereits die erste Mutprobe: Angetrieben von ihren Eltern stürzen sie sich die spektakulär steilen Klippen hinunter ins Meer. Ein faszinierendes Schauspiel!

Raukar – bizarres Wahrzeichen Gotlands
Vorbei an Wiesen, Feldern und Wäldern erreichen wir den idyllischen Küstenort Ljugarn. Die eleganten Häuser in klassischer Bäderarchitektur entlang der Hauptstraße zeugen davon, dass Ljugarn einst zum bevorzugten Ort der Sommerfrische beim damaligen Adel und Geldadel gehörte. Vom Zollmuseum in einem der historischen Häuser hat man einen weiten Blick bis zum Hafen von Lausviken. Nördlich von Ljugarn im Naturreservoir Folhammar haben Wind und Wetter bizarre Steinskulpturen geformt. Die „Raukar“ aus Riffkalkstein gehören zu den Wahrzeichen der Insel Gotland.

Kneipp auf Gotland
Auf dem Rückweg nach Visby legen wir noch einen Stopp im Freizeitzentrum Kneippbyn gleichsam vor den Toren der Inselhauptstadt ein. Der angegliederte Vergnügungspark zählt in den Sommermonaten zu den meistbesuchten Attraktionen in Schweden. Besonders beliebt ist das Pippi Langstrumpf-Dorf mit der Villa Villekulla (Kunterbunt) und dem Pippitheater. Mit dem Namen Kneippbyn wollten die Eigentümer des Vergnügungsparks den guten alten Pfarrer Kneipp ehren, der einst nach Gotland gekommen war, um Kranke zu heilen.
Gotland-Metropole
Schon von weitem ist die über dreieinhalb Kilometer lange, gut erhaltene Stadtmauer ebenso zu erkennen wie die stattlichen Türme, die darüber ragen. Die Insel-Hauptstadt Visby, die als eine der besterhaltenen Hansestädte zum Unesco-Weltkulturerbe gehört, gilt auch als wichtige Bischofsstadt. Neben dem reich ausgestatteten Dom sind die vier Kirchenruinen St. Nikolai, St. Clemens, St. Katarina und St. Karin Zeichen des beständigen Glaubens der Inselbewohner. Stattliche Kaufmannsbauten mit Treppengiebeln prägen das Bild der Innenstadt. Die höher gelegenen Gassen sind von malerischen, niedlichen Bürgerhäusern mit farbenfrohen Vorgärtchen gesäumt.
Im historischen Brennerei-Museum ist die Jahrtausende alte Geschichte Gotlands dokumentiert. Dabei erfährt man, dass die Wikinger einst die besonderen Gotland-Schafe gezüchtet haben. So soll der Widder zum Wappentier von Visby ernannt worden sein. In den frühen Abendstunden, wenn der Ostseestrand lockt, herrscht Urlaubsstimmung rund um die Stadt. Bis zum eindrucksvollen Sonnenuntergang bleibt im Mittsommer viel Zeit für Sport und Spiel oder zum Flanieren entlang der Strandpromenade.
Text und Bilder: Renate Wolf-Götz
Weiter Informationen zu Gotland
www.visitsweden.com
Gotland: www.destinationgotland.se
Fährverbindungen
Hansa Destinations bietet Direktverbindungen zwischen Rostock und Visby.
Wer seine Inselerkundung mit einer Festlandtour verbinden möchte, kann von Rostock nach Nynäshamn oder Oskarshamn fahren. www.destinationgotland.se
Von beiden Orten gibt es täglich Verbindungen nach Visby.
Ausflüge und Aktivitäten
Insel Stora Karlsö: www.storakarlsö.se
Töpferei: www.etelhemskrukmakeri.se
Währung
In der schwedischen Währung der Krone entspricht 1 Euro rund 11,70 SEK