Schloss Hofhegnenberg: Blick durch den Zaun auf bayerische Geschichte und europäisches Erbe

Durch den Zaun ein faszinierender Blick

Manchmal will man nur eine kleine Landpartie machen und stolpert dann zufällig, wirklich rein zufällig, über ein Anwesen, hinter dem sich weit mehr verbirgt, als es zunächst scheint. Also, an der äußersten Ecke des Landkreises Fürstenfeldbruch liegt, fast schon im Landkreis Aichach-Friedberg das Dörfchen Althegnenberg. Und einen Steinwurf davon entfernt das Schloss Hofhegnenberg.
Öffnungszeiten gibt es keine, Außenbesichtigung nur durch den Zaun, das Tor ist mit einer Kette verschlossen, daher auch keine Eintrittspreise, Gastronomie gibt es “auf der Burg” keine, es gibt keinen öffentlichen Rastplatz und keine Übernachtungsmöglichkeit. Schloss Hofhegnenberg ist privat. Bewohnt wird es von Peter Werner Maria Löw.
Doch, an zwei Tagen im Jahr erlaubt der Schlossherr den Zutritt. Zum Kipferlmarkt, dem Weihnachtsmarkt, am 09. und 10. Dezember 2025, von jeweils 16:00 bis 20:00 Uhr. Er findet im Hof des Schlosses statt, und der Erlös “wird vollständig für lokale karitative Zwecke gespendet”, heißt es. Neben musikalischen Einlagen und kulinarischen Angeboten kommt der Nikolaus am Sonntag zu Besuch. Da eine Messe abgehalten wird, kann auch die Schloss-Kapelle besucht werden, Die Zeit ist knapp bemessen, daher der Ratschlag, sich diesen Termin jetzt schon ins Handy einzutragen.
Die Kapelle ist die ehemalige Wallfahrtskapelle St. Maria und entstand im 16. Jahrhundert im Zuge des Schlossumbaues. Die Gewölbefresken (um 1740) illustrieren Darstellungen aus der Wallfahrtsgeschichte. Wer die Kapelle betreten darf, erkennt einen schwedischen Soldaten, der das Gnadenbild der Maria während des Dreißigjährigen Krieges ins Feuer werfen will, es dann aber doch unterlässt. Das Gnadenbild im Zentrum des Hochaltares wird in die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts datiert. Die sitzende Madonna ist von einem barocken Strahlenkranz umgeben. Acht Putten sitzen auf Cumuluswolken im Arkadenbogen. Der Altaraufbau stammt von 1739. Die beiden Seitenfiguren der Heiligen Georg und Nikolaus sind Werke Bartholomäus Kriechbaums.
Und zur Orientierung: Das Schloss Hofhegnenberg liegt schon im Landkreis Aichach – Friedberg, damit bereits in Schwaben, und gehört zu Steindorf, wie es Bürgermeister Paul Wecker erläutert, in der Herzog-Wilhelm-Straße 22. Der Blick geht weit übers Land, auch wenn man mit dem Rücken zum Schloss auf einer Wiese steht. Sie liege auf der höchsten Erhebung zwischen München und Augsburg, dem Roßberg, sagt Professor Löw.
Rätselhaft erscheinen Schlossherr und Schloss. Daher ein Grund, sich mit beiden näher zu befassen. Die Geschichte des Schlosses ist spannend, die seines Herren auch.


Beim Schloss Hofhegnenberg bei Steindorf handelt es sich schon rein äußerlich um einen imposanten Bau. Ursprünglich stand an der heutigen Stelle bloß ein Holzturm, als Ausguck nach Feinden. Die fanden sich, je nach Standort im nahen Augsburg, im etwas ferneren München. Die Gebäudeteile des Hauptschlosses bilden eine in sich geschlossene Vierflügelanlage mit einem rechteckigen Innenhof. Der Turm an der südwestlichen Ecke, steht auf Buckelquadern, dem mutmaßlichen Bergfriedstumpf der ehemaligen hochmittelalterlichen Wehranlage. Die Erbauer der ursprünglichen Befestigung, die Herren von Hegnenberg, wittelsbachische Ministerialen, hatten bis zum Ende des 13. Jahrhunderts ihren Stammsitz in Althegnenberg, bevor sie ihn um 1300 nach Hofhegnenberg verlegen. Dort errichteten sich eine größere Burg auf dem etwa vier Kilometer entfernten, weithin sichtbaren Hügelrücken. Die ursprünglich unfreie Dienstmannenfamilie hatte sich mittlerweile im Niederadel etabliert und wollte dies durch eine repräsentative Burg dokumentieren.Sie stammte wahrscheinlich aus Oberschwaben. In den Schriftquellen erscheinen Ende des 12. Jahrhunderts Engelschalk und Hermann von Hegnenberg als welfische Dienstmannen . Der namengebende Ansitz dieser Ministerialenfamilie war die kleine Turmhügelburg, Burgstall Althegnenberg, am südlichen Ortsrand des nahen Althegnenberg im heutigen Landkreis Fürstenfeldbruck.
Möglicherweise wurde der Burgneubau auch auf herzogliche Anordnung begonnen. 1296 hatte der Augsburger Bischof die Burg Kaltenberg bei Geltendorf zerstören lassen, um den Expansionsbestrebungen der Wittelsbacher Einhalt zu gebieten. Die Hegnenberger gehörten damals zum Gefolge des neuen Herzogs Rudolf. Die Burg dürfte also als Machtsymbol und Grenzbefestigung gegen das Hochstift Augsburg zu deuten sein.
Im späten 14. Jahrhundert kam es dann zum offenen Konflikt zwischen dem Herzogtum Bayern, damals geteilt zwischen Ingolstadt, Landshut und München, und dem Hochstift Augsburg. Und der Hofhegnenberg spielte eine strategische Rolle : Herzog Stephan I. von Bayern–Ingolstadt (* um 1337 – † 1413) und sein Bruder, Herzog Friedrich der Weise von Bayern–Landshut (* 1339 – † 1393), gerieten um etwa 1370 bis 1390 in heftigen Streit mit dem Rheinischen Bund, einem lutherisch inspirierten Städtebund, zu dem Augsburg gehörte. Dieser Streit war Teil des sogenannten „Städtekriegs“ – Augsburg und seine Verbündeten gegen die Wittelsbacher Herzöge. Um ihr Territorium an der Lech-Ebene gegen Streifzüge und militärischen Druck Augsburgs zu sichern, ließen diese das Schloss Hofhegnenberg zur Festung ausbauen.
Die Zeiten vergingen, die Rivalitäten blieben, nur die Streitenden und die Besitzverhältnisse wechselten. 1420 war es Herzog Wilhelm III. von Bayern‑München (* 1375 – † 1435) , der die Burg “Häginperch” gegen Herzog Ludwig VII. von Bayern‑Ingolstadt, der Gebartete (1368 – † 1447). aufrüsten ließ. 1470, in der Fehde zwischen den Brüdern Herzog Wolfgang ( 1451 – † 1514) und Herzog Albrecht IV. der Weise (* 1447 – † 1508) wird „der duo Hägenberg“ (also Alt- und Hofhegnenberg) durch Albrecht IV. als Vergeltung für die Plünderung von Tölz, eingenommen.
1542 belehnte Herzog Wilhelm IV. von Bayern, der Standhafte, (* 1493 – † 1550) seinen illegitimen Sohn Georg mit Hofhegnenberg, um in den Wirren der Reformation für Ruhe zu sorgen. Wilhelms Herrschaft begründete die Stellung Bayerns als Bollwerk der Gegenreformation in Deutschland, woher auch sein Beiname rührt, und war bedeutsam für die Anfänge der Kunst der Renaissance in Bayern, Der um 1511 geborene Georg wurde zum Stammvater der Familie von Hegnenberg-Dux, deren letzter männlicher Spross aus einer Seitenlinie 1902 verstarb. Die Hofmark wurde 1848 aufgelöst.
Das Baudenkmal zählt zu den ganz wenigen Schlösser im bayerischen Raum, das die Zerstörungswut der Schwedischen Truppen im Dreißigjährigen Krieg unversehrt überstanden hat. Es veranschaulicht den Wandel von einer Festungsanlage, die im Mittelalter zu Verteidigungszwecken erbaut wurde, zu einem repräsentativen Renaissance-Schloss. Ab 1557 erfolgt der grundlegende Umbau in ein Renaissanceschloss: Ein Vieflügelwohntrakt entsteht um ein Arkadeninnenhof. Im 18. Jahrhundert erfolgt eine barocke Umgestaltung des Osttrakts und der Kapelle im Südflügel. Der Nordostturm erhält eine Zwiebelhaube. Bis 2008 vererbte sich das Schloss an die Freiherren von Gebsattel. Danach begann ein langer Abstieg. Das Schloss verfiel. Die Feudalbande wurden durch ökonomischen Zwang zerrissen. Der ehemalige Adelssitz ist heute in Privatbesitz und wurde aufwendig restauriert und saniert. Grund genug, diesem unbekannten Wahrzeichen der bayerischen Geschichte einen Besuch abzustatten. Auch wenn man es nur von Außen bestaunen kann, es sei denn man kommt am 2. Adventswochenende. Das Schloss diente mehrmals als Fernsehkulisse, so von 1988 bis 2006 für die Fernsehserie Forsthaus Falkenau.


Der Unternehmer Prof. Dr. Dr. Peter Löw hat das Schloss Hofhegnenberg wieder herrichten lassen. Nun wohnt er selbst darin. Es ist umgeben von fünf Hektar Park, verfügt über einen großen Wirtschaftsteil samt Gästehaus, Gestüt und backsteinernem Brauereigebäude. Zum Schlossherrn sei er mehr durch Zufall geworden, erzählte Löw einmal der Süddeutschen Zeitung. Vor mehreren Jahren war er beruflich in Augsburg, als vor ihm ein Makler das Schild mit dem Schloss aufstellte. Zu verkaufen für “unter zwei Millionen für alles”. Löw schlägt zu.
Auf mindestens zehn Millionen Euro schätzt Löw die laufenden Renovierungskosten, die bisher angefallen sind. Inzwischen sind die Bauten saniert und hergerichtet. Der Bergfried war Ende des 18. Jahrhunderts eingestürzt. Ohne ihn habe dem Schloss einfach etwas gefehlt, auf alten Stichen sei das Schloss schließlich stets mit Turm abgebildet, sagte Löw der SZ. Nach einigem Hin-und-her mit Denkmalschutz und Landratsamt wurde der Wiederaufbau genehmigt. Löw bezeichnet sich selbst als Historiker, damit begründet er seine Liebe zum Original.
Das Schloss veranschaulicht den Wandel von einer Festungsanlage, die im Mittelalter zu Verteidigungszwecken erbaut wurde, zu einem repräsentativen Renaissance-Schloss. “Baudenkmäler bewahren die Geschichte vieler Generationen”, sagte Löw in einem Interview mit dem “Architektur-Blatt”.
Er hat die private Initiative „The European Heritage Project“ gegründet, die der Erhaltung des kulturellen und architektonischen Erbes in Europa dient. Sie kauft historische Gebäude und rettet sie vor dem Verfall. Darunter ist ein Bergbauerhof in Tirol, mehrere Schlösser, Klöster und sogar zwei Palazzi am Canal Grande. Die neuesten Errungenschaft sind Anwesen am Ufer des Gardasees und auf den Shetland-Inseln.
Wir haben uns die Nase plattgedrückt am Zaun, und meinen trotz des Respekts vor der Leistung, dieses Schloss vor dem Verfall zu retten, dass man das europäische Erbe eigentlich der Öffentlichkeit zugänglich machen müsste, nicht nur an zwei Tagen im Advent. Den aufkeimenden Zorn kühlen wir im nahen Mandicho-See, der Name klingt spanisch, ist aber bayerisch. Kämen wir erst im Advent, dürfte es zu kalt sein.

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Hans-Herbert Holzamer

Autor Kurzvorstellung:

Freier Journalist und Autor

Hinweis: Dieser Beitrag wird regelmäßig von Mitgliedern der Reise-Stories Redaktion wie Heiner Sieger, Gerhard Fuhrmann und Jupp Suttner auf Richtigkeit und Vollständigkeit geprüft. Falls Sie Anmerkungen zu diesem Beitrag haben, kontaktieren Sie bitte direkt hier die Redaktion.

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