Von Elke Backert
2018 hat die noch junge Reiseregion Saale-Unstrut in Sachsen-Anhalt allen Grund zum Feiern: 25 Jahre Straße der Romanik, 25 Jahre Weinstraße Saale-Unstrut. Die Straße der Romanik gehört zu den beliebtesten Tourismusrouten Deutschlands. Rund 1,6 Millionen Gäste jährlich besuchen die 88 Bauwerke aus der Zeit des Mittelalters.
Bild oben: Vorzeige-Weinbau Schweigenberge
Herzstück der Kulturlandschaft und 2020 Welterbe ist der imposante Naumburger Dom St. Peter und Paul. Er gehört mit seinen zwölf Stifter-Figuren zu den bedeutendsten Bauten des europäischen Hochmittelalters. Uta von Naumburg, die berühmteste Stifter-Figur, gilt als „schönste Frau des Mittelalters“.
Überragend wurde der Gemütszustand der Figuren erfasst. Nur Sieglinde wagt es zu lachen. Die Stadt selbst wird 2028 1.000 Jahre alt. Einzigartig in Deutschland ist der bis heute fast unversehrt erhaltene Stadtgrundriss mit Bürgerstadt und Domfreiheit. Interessieren dürfte auch, dass hier der Naumburger Stollen gebacken wird, der statt Rosinen wie in Dresden getrocknete Kirschen enthält. Kirschbäume sieht man allenthalben.
Der Merseburger Dom zählt ebenfalls zu den herausragenden Baudenkmälern an der Straße der Romanik. Mit seinem Schatz, darunter die Merseburger Zaubersprüche von Bischof Thietmar, kündet er vom Glanz der einstigen Pfalz- und Bischofsstadt. 2018 wird es eine Sonderausstellung geben: „Thietmars Welt. Ein Merseburger Bischof schreibt Geschichte“. Hildegunde, Frau Heinrichs II., des letzten der Ottonen, und Dom-Stifterin, führt Besucher durch den Dom. In der dem Heiligen Laurentius geweihte Hallenkirche predigte 1545 sogar Martin Luther. Hier sei auch Friedrich Ladegast erwähnt, der 1855 den prachtvollen barocken Orgelprospekt zu einem „Klangwunder“ mit vier Manualen und 81 Registern restaurierte und 2018 200. Geburtstag begehen würde. Ihm ist es zu verdanken, dass man dort jedes Jahr Ende September/Anfang Oktober besondere Konzertabende erleben kann, die Merseburger Orgeltage – unter dem Luther-Ausspruch „Aus allen Orgeln pfeyffen“. Ein unglaubliches Erlebnis.
Auch Schloss Goseck, um 800 als Grenzburg entstanden und ab dem 11. Jahrhundert Benediktinerkloster, nach der Reformation Rittergut, widmet sich alter Musik. Hier hat das „Europäische Musik- und Kulturzentrum Schloss Goseck“ seinen Sitz und richtet in der romanischen Klosterkirche Konzerte aus. Robert Weinkauf, Ensemble-Mitglied von Montalbâne, führt durch das Schloss und gibt zum Abschluss eine gewaltige Darbietung seines Könnens. Die Krypta der Schlosskirche hebt sich ab von anderen, sie hat nur einen Stützpfeiler und eine hohe Decke. Eine Kuriosität: Da das Martyrium der hl. Barbara von Lucas Cranach dem Älteren aus Schloss Goseck nach New York ins Metropolitan Museum ausgewandert ist, kreierte Neo Rauch eine Nachbildung – auf seine Weise. Eine weitere traurige Kuriosität: Das Epitaph in der Kirche wurde zerstört, aber nach und nach wurden anonym Fragmente zurückgegeben, so ein Christus-Kopf.
Erst nach der Wende wurde Kloster und Kaiserpfalz Memleben an der Grenze zu Thüringen und idyllisch an der Unstrut gelegen, aber fernab der Zivilisation, öffentlich zugänglich. Bei einer Führung hatte ich den Eindruck, die Klosterruinen-Reste werden nur gezeigt, damit sich Schulklassen, aber auch Erwachsene Gedanken machen, wie das Kloster einmal ausgesehen haben mag. Deshalb steigen die Besucher auf einen Hochstand, sehen die Abbildung eines Grundrisses der Klosterkirche und dann von oben, wie man mit Steinen im Boden den Grundriss nachvollzogen hat. Auf dem Weg zur Krypta, einzig komplett erhalten, kann man ein Puzzle zum Erstellen des Klosters spielen. An der Leinwand sieht man die Landschaft, in die das Kloster eingepasst werden muss. Man greift sich einen der Holzsteine und fährt damit über den Bildschirm, auf der Leinwand zeigt sich, wenn zum Beispiel Grundriss oder Krypta an der richtigen Stelle sind. „Richtig“, lobt der Computer, und weiter geht`s. Interaktiv sind heute alle Museen, aber dies Puzzle ist einzigartig.
Selbst der Klostergarten birgt Besonderheiten wie einen Perückenstrauch, aber auch ungewöhnliche Hochbeete mit allerlei Gemüse und Kräutern, um Besuchern klarzumachen, dass sich ein Kloster selbst versorgen musste. Auch mit Wein. Auf dem 0,5 Hektar großen Weinberg erntet man 200 bis 300 Flaschen Weißburgunder Spätlese, die heutzutage verkauft werden.
Auf 25 Jahre kann 2018 auch die Weinstraße Saale-Unstrut stolz sein. Saale-Unstrut ist eine hochmittelalterlich geprägte Wein- und Kulturlandschaft im Herzen Deutschlands. Ein weltweit einmaliges architektonisches Erbe aus 1.000 Jahren europäischer Geschichte bildet mit malerischen Flusslandschaften, alten Weinbergen, Steilterrassen, Naturstein-Mauern und Weinberg-Häuschen ein facettenreiches Nahreiseziel, das anspruchsvolle Wein- und Kulturinteressierte ebenso anzieht wie aktive Naturgenießer. Besonders nah und eindrucksvoll, wandert man von Kloster Zscheiplitz entlang der Schweigenberge nach Freyburg. 2010 wurden diese Weinberge in die exklusive Liste „Höhepunkte der Weinkultur“ des Deutschen Weininstitutes aufgenommen.
Das private Vorzeige-Weingut Frölich-Hake in Naumburg-Roßbach baut ausgezeichnete Weißweine aus, ob Weiß- oder Grauburgunder, Müller-Thurgau oder Silvaner. Ich habe selten so hervorragende Weißweine getrunken.
Steile Hänge und idyllische Auen prägen die Flusslandschaft an Saale und Unstrut. Sie ist ideal für den Weinbau. Denn sie wird begünstigt von 1.600 Sonnenstunden im Jahr und nur etwa 500 mm Niederschlag, wobei die Gewässer Saale und Unstrut als „Heizung“ dienen, sie speichern die Sonnenstrahlen. Den Grundstein für die nördlichste Qualitätswein-Region Deutschlands legten die Mönche des Mittelalters. Die Weinstraße führt zu kleinen Winzerdörfern, steilen Terrassenweinbergen und gemütlichen Winzerstuben und Straußwirtschaften.
Wen wundert es da, dass hier die Rotkäppchen-Sektkellerei beheimatet ist. Was im Jahr 1856 mit der Sektkellerei Kloss & Foerster in einem Hinterhaus in Freyburg an der Unstrut begann, ist heute mit einem Marktanteil von 55 Prozent Deutschlands verkaufsstärkste Sektmarke. Bei einer Führung lernen die 100.000 Besucher im Jahr das riesige Cuvéefass und den Lichthof kennen, eine der ältesten denkmalgeschützten Industriehallen Deutschlands. Eine Probe der perfekten Flaschengärung darf nicht fehlen.
Der Weinanbau am Geiseltalsee, dem größten von Menschenhand geschaffenen See Europas – und das Ergebnis einer spektakulären Metamorphose, ist etwas Besonderes: Aus wüster Tagebaulandschaft wurde ein Erholungsgebiet mit einem bis zu 70 Meter aufsteigenden neu entstandenen Weinberg. Eine Rundbahn fährt in zweieinhalb Stunden um den See.
Info:
Übernachtung: z. B. Hotel „Zur Alten Schmiede“ im historischen Stadtzentrum von Naumburg, wo der letzte Schmied bis 1963 tätig war und Amboss und Amboss, Schmiedefeuer und weitere Utensilien noch im Restaurant zu sehen sind. ck-domstadt-hotels.de/hotel-zur-alten-schmiede/
Saale-Unstrut-Tourismus e.V., Lindenring 34, 06618 Naumburg, Tel. 03445/233790, www.saale-unstrut-tourismus.de
Fotos Elke Backert