Riesengebirge – Auf dem Weg der Freundschaft 

Der Name Riesengebirge trügt. Der Gebirgszug, den sich die tschechische mit der polnischen Republik teilt, zählt zu den  kleineren in Europa. Am Bergkamm treffen die beiden Länder aufeinander. Mit einem Freundschaftsweg haben sie hier ein Zeichen ihrer guten Nachbarschaft gesetzt. 

Schneeschuhwandern zwischen den von Winterstürmen bizarr geformten Bäumen ©Wolf-Götz

Erste Sonnenstrahlen in den Morgenstunden kündigen einen perfekten Tag zum Winterwandern an. Noch ist es bitterkalt. Der eisige Wind, der in der Nacht fauchend über den Gebirgskamm gefegt ist, hat aus den verschneiten Bäumen bizarre Figuren geformt. „Das sind die Berggeister“, sagt Petr Elias. Seit seiner Kindheit kennt der heimatverbundene Kosmopolit die Geschichten von Rübezahl, der mit seinen Gefährten im Riesengebirge umhergeistern soll. Durch das Revier des legendären Riesen erstreckt sich der tschechisch-polnische Freundschaftsweg. Über 28 Kilometer verläuft der Wanderweg über die Kammlinie und bildet so eine natürliche Grenze zwischen Böhmen und dem schlesischem Hirschberger Tal.

Böhmische Baudenkultur

Der Weg hinauf auf den höchsten Kamm im Riesengebirge ist schweißtreibend. Er führt durch die arktisch-alpine Tundra-Landschaft, die nach Schlesien hin brüsk abfällt. Auf böhmischer Seite geht es dagegen gemäßigter aufwärts. Die bequemere Variante bietet der Sessellift auf den Medvédin-Gipfel. Oder man fährt mit dem Bus bis zur Spindler Baude, die wir als Startpunkt für eine „Bauden“-Tour auf Schneeschuhen wählen. Unterwegs erfahren wir einiges über die tschechische Bauden-Kultur und über den großen Verlust der Petrova Bouda, dem ältesten Gästehaus im Riesengebirge, das nach über zweihundert Jahren den Flammen zum Opfer fiel.

Mittagspause in der Spindlerbaude ©Wolf-Götz

In der glitzernden Stille geht es weiter durch die unberührt wirkendende Schneelandschaft dieses rauen osteuropäischen Winkels. Auf einem von Schneekristallen fast verdeckten Hinweisschild ist noch das Wort Pozor! zu erkennen, das zur Vorsicht mahnt. Kaum vorstellbar, dass an so einem sonnigen Wintertag unversehens ein Unwetter über dem Gebirgskamm aufziehen kann. In Windeseile könne es dann ziemlich ungemütlich werden, versichert Petr. Da heißt es, in flottem Schritt die nächste „Baude“ anzusteuern.

Um die Mittagszeit kehren wir ein in die „Spindlerova Bouda“, einem Berghotel auf 1200 Metern Höhe. Aus der behaglichen Gaststube dringt Bratenduft. Zum leckeren Lendenbraten mit Preiselbeeren werden Serviettenknödel und reichlich Rahmsoße aufgetischt. Nach dem üppigen Genuss darf ein Gläschen Becherovka, der traditionelle tschechische Kräuterschnaps, nicht fehlen. 

Am Tor zum Riesengebirge entspringt die Elbe

In der Hochmoorlandschaft des Riesengebirges entspringt die Elbe. Ihre Quelle wurde bereits im Jahr 1634 eingefasst und geweiht. Unweit des stilisierten Stadtwappens der Elbstädte, von Spindler Mühle bis Cuxhaven, stürzt das junge Gewässer über Kaskaden in eine schwindelnd hohe Felsenschlucht. Im Tal liegt das Gebirgsstädtchen Vrchlabi, das als Tor zum Riesengebirge gilt. Hier ahnt man noch nicht, dass sich das munter plätschernde Flüsschen zu einem Europa prägenden Wasserlauf entwickelt, bevor die Elbe träge in der Nordsee mündet. 

Die junge Elbe plätschert durch das Städtchen Spindler Mühle ©Wolf-Götz

In Vrchlabi, das vor dem ersten Weltkrieg Hohenelbe hieß, lebten damals überwiegend Deutsche, darunter Gerhard Hauptmann. In seinem Drama „Die Weber“ hat der berühmte Schriftsteller das einst karge Leben seiner Landsleute beschrieben. Im Riesengebirgsmuseum im  sorgfältig renovierten Renaissance-Schloss, in dem auch die Stadt- und Naturparkverwaltung untergebracht sind, lässt sich die bewegte Geschichte des Städtchens nachempfinden. 

Die nahe gelegene, von Bergen beachtlicher Höhe umschlossene Kleinstadt Harrachov hatte der einstige Gründer Graf Harrach schlicht Dörfli genannt. Indessen hat sich der einstige Bergbauort mit seinen  internationalen Skispringerwettbewerben inzwischen weithin Ansehen verschafft. Solange der eisige Wind mit seinen arktischen Temperaturen über die alpine Tundra-Landschaft fegt, durch die der tschechisch-polnische Freundschaftsweg führt, wird das auch so bleiben.

Text und Bilder: Renate Wolf-Götz

Infos

www.visitczechrepublic.com

Spindlerova Bouda, www.spindlerovabouda.cz

Infozentrum Spindlermühle, www.mestospindleruvmyln.cz

www.polen.travel

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Hinweis: Dieser Beitrag wird regelmäßig von Mitgliedern der Reise-Stories Redaktion wie Heiner Sieger, Gerhard Fuhrmann und Jupp Suttner auf Richtigkeit und Vollständigkeit geprüft. Falls Sie Anmerkungen zu diesem Beitrag haben, kontaktieren Sie bitte direkt hier die Redaktion.

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