Fotos und Text: Lic. Irina Grassmann
Alles war bereit. Der Himmel klar, der Wind sanft, die Piloten startklar, und die Sonne wärmte die Hänge – fast wie ein Motor, der langsam anläuft.
Nur ich musste mich noch entscheiden...
Ich musste meine Füße davon überzeugen, Richtung Startplatz zu gehen. Dem Piloten in die Augen schauen, als würde ich dieser verrückten Idee stumm zustimmen. Mir ein schweres Gurtzeug über die Schultern werfen, das sich anfühlte wie ein riesiger Rucksack voller Decken. Mich von einem Fremden am Rücken festbinden lassen und dann – ohne Möglichkeit zur Umkehr – gemeinsam auf den Abgrund zulaufen, voller Adrenalin, als würde uns der Teufel jagen.
Doch fangen wir diese Geschichte lieber von vorne an.
Die Suche nach Pioniere der Touristik im kolumbianischen Himmel
Meine Suche nach Pionieren der Touristik führte mich nach Kolumbien – genauer gesagt zur Finca El Trébol, neun Kilometer von Roldanillo entfernt, im Valle del Cauca: dem „Mekka des Gleitschirmfliegens“. Dort, wo Alejandra Hernández, Gründerin von Viajes Mágicos, den Wind in ein touristisches Erlebnis verwandelt.
Das satte, üppige Grün der westlichen Andenkordillere Kolumbiens bildet zusammen mit dem tiefblauen Himmel eine filmreife Farbkombination. Und dort – gleichsam hinter den Kulissen – entstehen unsichtbare Luftsäulen, vom Morgensonnenlicht erwärmt, die Piloten und Passagiere scheinbar mühelos in die Höhe tragen.
Der Wind steigt empor und trägt den Duft reifer Früchte und wilder Pflanzen mit sich, vermischt mit dem fernen Gesang der Vögel und dem Rascheln der Blätter.
Eine Sinfonie, so fein und beinahe unhörbar, dass sie die Wartezeit in eine beruhigende, meditative Erfahrung verwandelt – und für einen Moment von der eigentlichen Frage ablenkt: Fliegen… oder nicht fliegen?
Die aufsteigenden Thermiken in Roldanillo – ausgelöst durch Temperatur- und Druckunterschiede – bilden natürliche Aufzüge für die leichten Gleitfluggeräte. Die Bedingungen hier sind nicht nur außergewöhnlich stabil, sondern auch ideal für lange Streckenflüge und präzise Manöver. Ein wahres Paradies für den freien Flug.
Ein Reiseziel in Kolumbien – sowohl Abenteuerspielplatz für Touristen als auch Arbeitsfeld für diejenigen, die aus dem Wind ihren Beruf gemacht haben.

Er wartet nicht, um zu schubsen, sondern um uns zu tragen.
Letzte Vorbereitungen vor dem Sprung ins Leere – angeschnallt an Gleitschirmpilot Jorge Marín, Gleitschirmpilot bei Viajes Mágicos Colombia.
(© Foto: Irina Grassmann)
Wo Träume fliegen lernen: Viajes Mágicos
Und mittendrin, auf einem dieser Berghänge, steht sie: Alejandra Hernández – Pionierin der Touristik und Gründerin von Viajes Mágicos. In ihren Händen laufen alle Fäden zusammen: Reiseorganisation, Events, Sicherheitsprotokolle… Doch wie beim Gleitschirmfliegen, in dem sich viele einzelne Leinen zur Tragfläche vereinen, so halten auch bei Alejandra all diese Fäden ihr Lebensprojekt zusammen – mit dem Ziel, auch anderen das Fliegen zu ermöglichen.
Ihr Blick verliert sich einen Moment lang am Horizont. Vielleicht folgt sie einer schwebenden Silhouette… Doch dann öffnet sie die Tür zu ihren Erinnerungen:
„Ich sah die Notwendigkeit, ein ordentlich gegründetes Unternehmen aufzubauen – organisiert, fundiert und mit vollständiger Dokumentation. In Roldanillo gab es solche Strukturen nicht. Wir waren die erste Gleitschirmflug-Agentur vor Ort. Wir organisierten alles, statteten uns einheitlich aus, gründeten ein richtiges Unternehmen. Das hat nicht nur zur wirtschaftlichen Entwicklung beigetragen, sondern auch zur Positionierung Roldanillos als Tourismusziel.“
Wie viele Pioniere der Touristik ging Alejandra einen Weg durch Improvisation, Unsicherheit und wenig Unterstützung. Sie erkannte das Potenzial des Gleitschirmflugs – und professionalisierte ihn: mit einem eingespielten Team, klaren Prozessen und einem hohen Sicherheitsniveau. So wurde Viajes Mágicos – und mit ihr Roldanillo – zu einem international anerkannten Hotspot.

(© Foto: Irina Grassmann)
Im Innen wurde die Frage lauter
Während ich ihrer Geschichte lauschte, wurde in mir ein innerer Dialog immer lauter: Werde ich heute wirklich fliegen?
Die Bedingungen: perfekt.
Ausreden: keine.
Aber jetzt ging es um mich.
Etwas zu filmen ist das eine – selbst abzuheben jedoch etwas ganz anderes.
Ich hatte alles gesehen, fotografiert, gefilmt.
Ich hatte bemerkt, wie jede Schnalle präzise einrastete, jede Leine überprüft wurde – von Piloten, die nicht nur fliegen, sondern den Himmel verstehen.

andere entdecken es mit Viajes Mágicos Colombia.
(© Foto: Irina Grassmann)
Mit oder ohne Angst?
Mit der nötigen Akribie erklärt Alejandra das Sicherheitsprotokoll:
„Vor jedem Flug wird der gesamte Schirm kontrolliert – von den Leinen bis zur inneren Struktur. Dazu wird ein technisches Datenblatt ausgefüllt, das ein detailliertes Wartungsprotokoll ermöglicht. So halten wir alle Vorschriften ein und kennen die Belastungsgrenzen jedes Geräts.“
Auch die Gesundheit der Piloten wird regelmäßig überprüft. „Wir stellen sicher, dass niemand Alkohol oder andere Substanzen konsumiert hat. Sie müssen voll bei Sinnen sein. Zum Glück haben wir ein außergewöhnliches Team – verantwortungsbewusst, engagiert, mit echter Leidenschaft für das, was sie tun.“
„Und was ist mit der Angst? Wie viel Angst bringen die Reisenden mit?“, fragte ich.
Alejandra lächelt selbstbewusst: „Sollen sie ruhig Angst mitbringen… hier lernen sie damit umzugehen.“
Ein Schritt ins Leere – und in die Freiheit
Traums
Die Spannung steigt, wenn andere loslaufen – direkt in den Himmel. Man wird mitgerissen von Rufen, von aufsteigender Euphorie, von Adrenalin.
Und dann war ich plötzlich die, die vorne stand.
Die Ausrüstung saß.
Der Pilot war bereit.
Die Rampe vor mir.
Die warme Brise auf meinen Armen.
Und… keine Zweifel mehr.
„Ich rannte wie eine Verrückte – mit dem Gefühl, dass mich dieses Gewicht gar nicht weiterkommen lässt. Doch es ging nicht nach vorne, sondern nach oben.“
Der Boden löste sich unter mir.
Vier Füße baumelten in der Luft.
Ich vertraute: dem Piloten, dem Wind, den Thermiken, dem Team…
Der Wind streichelte meine Haut wie eine warme Stille.
Die Zeit schien stehenzubleiben.
Ein neues Gefühl breitete sich aus: einfach… fühlen.
Dort oben, wo die Seele fliegt
Aus der Höhe leuchten die Grüntöne noch intensiver, überstreut vom Sonnenlicht.
Tränen des Glücks liefen über meine Wangen, der Wind trocknete sie.
Unter mir: eine Miniaturwelt aus Feldern, Hügeln, Häusern, Flüssen – bis zum Horizont.
Der Boden entfernt sich mehr und mehr. Und alles wird kleiner.
Die Luft – mein einziger Halt.
Keine Schwerkraft. Nur Gleiten.
Und dort oben verstand ich, warum Alejandra das tut.
Fliegen ist mehr als Abheben. Mehr als Adrenalin.
Es ist Entdeckung. Es ist Freiheit.
„Ich habe Adrenalin schon immer geliebt“, erzählt Alejandra. „Egal ob wegen der Höhe oder anderer Dinge – ich habe es immer gesucht. Ich wollte Pilotin werden. Aber das Leben führte mich auf andere Wege.“
„Das hier war mein Weg, dem Himmel ganz nahe zu kommen… und zugleich der zugänglichste Weg, anderen diese Erfahrung zu schenken. Fliegen – aber ohne Motor.“

erlebt mit Viajes Mágicos und
festgehalten für „Pioneros del Turismo“. Foto © Patricia Molaioli
Eine Frau, ein Traum, ein Vermächtnis
Ihre Geschichte ist nicht nur die einer Unternehmerin.
Es ist die Geschichte einer Frau, die verstanden hat:
Fliegen heißt nicht nur Abheben.
Es heißt, zu verwandeln.
Perspektiven zu schenken.
Brücken zu bauen – zwischen Himmel und Erde, zwischen Angst und Vertrauen, zwischen Traum und Wirklichkeit.
Alejandra hat sich diesem Ziel verschrieben.
Loslassen. Vertrauen.
Ich flog.
Und ich verstand: Manche Reisen enden nicht mit der Landung.
Das Schwierigste ist nicht, zu springen.
Sondern – sich zu entscheiden.
Ich bin nicht nur geflogen.
Ich habe eine der intensivsten Erfahrungen meines Lebens gemacht.
Und sie bleibt – in meinem Herzen.

auf der Suche nach weiteren Pionieren der Touristik.
Die ganze Geschichte auf Spanisch,
mit weiteren Bildern und dem Video finden Sie hier
👉 Pioneros del Turismo – Alejandra Hernández 👈
Mit Viajes Mágicos den Himmel von Roldanillo entdecken.
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