Nepal ohne Berge

Alle fahren zum Trekking nach Nepal, dabei hat das ehemalige Königreich am Rande der höchsten Berge der Erde so viel zu bieten, dass zum Wandern kaum noch Zeit bleibt. Und nicht immer lassen sich Machapuchare, Annapurna und Co. blicken.

Kathmandu – eine andere Welt

Katmandu Altstadt
Katmandu Altstadt

Mörderischer Verkehr in Kathmandu, Horden von Mopedfahrern drängeln zwischen baufälligen Taxen, überladenen Lastern und anderen Geräten mit Rädern. Alle im Stau oder alle fahren kreuz und quer. Mittendrin versucht ein Polizist den Verkehr zu regeln, dann greift er im Getöse gelassen zum Handy und lässt das Chaos an sich vorbeirauschen. Die Luft ist genauso kontaminiert wie der heilige Fluss, die Bagmati, der neben Asche der Toten jede Menge Plastikschrott transportiert. Aber die Menschen lächeln!

Endlich in der Altstadt. Hier sind Autos und andere laute Fahrzeuge verboten. Es bleibt einem trotzdem die Luft weg, so fremd und exotisch ist es. Wie im Film steht man plötzlich vor wunderschönen Pagoden, kunstvoll verzierten Tempeln und prachtvollen Plätzen, zwischen gläubigen Hindus, unzähligen umherflatternden Tauben, Souvenirständen, Opfergaben und Gebetsmühlen.

Kathmandu ist neben Bhaktapur und Patan eine der drei Königstädte des Landes, deren Herrscher im 15. Jahrhundert um die Wette bauten. Fast jeder Hindugott bekam am Durbar Square in Kathmandu seinen eigenen Tempel. Den ganzen Tag über bringen hier die  Gläubigen ihre Opfergaben dar. Die Götter haben es gut in Nepal. Der Taleju-Tempel am Hanuman Dhoka-Palast ist der höchste. Die Göttin Taleju, einst Schutzgöttin der Malla-Könige, sieht gerne Blut, etwa das einer Ziege, der vor dem Tempel schnell mal die Kehle durchgeschnitten wird: mit dem Messer, zack, ohne Vorwarnung. Der steingewordene Schutzgott Hanuman, behängt mit Blumengirlanden, grinst in Affengestalt von seinem Sockel herab.

Die „lebende Göttin“, die Kumari, darf dagegen nicht einen einzigen Blutstropfen vergießen. Angeblich eine Inkarnation der Taleju, ist sie gerade mal neun Jahre alt. Schon als kleines Mädchen wurde sie zur Göttin auserkoren und wohnt seitdem getrennt von ihrer Familie im Kumari Bahal, dem „Kloster der Jungfrau“ am Durbar Square. Ihre Füße dürfen den Boden nicht berühren, so dass sie immer umhergetragen werden muss. Geschminkt nach altem Ritual zeigt sie sich kurz am wunderschön holzgeschnitzten Fenster – Fotografieren streng verboten – und kann ihren traurigen Gesichtsausdruck nicht verbergen. Mit dem Blut der Pubertät ist Schluss mit dem Göttinnendasein. Nun muss sich auch eine Kumari in der banalen irdischen Realität zurechtfinden, was ihr nicht immer leicht fällt.

Der „Affen-Hügel“ von Swayambhunath

Blick auf Katmandu von Swayambunath
Blick auf Katmandu von Swayambunath

Hinduismus und Buddhismus mischen sich in Nepal. Wir erklimmen den Hügel zum Tempel Swayambhunath, dem „temple of monkeys“, am Stadtrand von Kathmandu. Das Heiligtum mit weithin sichtbarer weißer Stupa wird von Hindus und Buddhisten gleichermaßen gerne besucht. Hinauf führen 365 schweißtreibende Stufen. Die vielen Affen klettern überall herum und klauen alles, was nach Futter aussieht. Oben flattern Gebetsfahnen, es schallt Meditationsmusik und der Blick auf die Stadt ist einfach gigantisch.

Totenverbrennung live

Totenverbrennung in Pashupatinah
Totenverbrennung in Pashupatinah

Am nächsten Tag Pashupatinath, einer der wichtigsten hinduistischen Tempel Nepals, dem Gott Shiva geweiht. Seine größten Fans sind die am ganzen Körper mit Asche beschmierten und nur mit Lendenschurz bekleideten Sadhus. Sie hocken vor den Tempeln herum, rauchen ihre Haschischpfeifchen und lassen sich gerne ablichten, aber nur gegen genügend Scheinchen.  Rauchschwaden ziehen durch die Luft. Unten am Fluss Bagmati wird eine Leiche nach der anderen auf dem Scheiterhaufen verbrannt – der Herzenswunsch aller Hindus. Für die Lebenden ist eine rituelle Waschung im trüben heiligen Wasser das Höchste.

Im Chitwan-Nationalpark

Der Gharial mit langer Schnauze
Der Gharial mit langer Schnauze

Raus aus der abgasgeschwängerten Millionenstadt. Nach etwa 180 Kilometern Schlaglöchern, staubigen Holperstrassen, vorbei an immer wieder freundlich winkenden Menschen erreichen wir in gut sechs Stunden den Chitwan-Nationalpark, im Südwesten Nepals. Terai heißt diese heiße, schwül-warme, aber sehr fruchtbare Tiefebene. Also am besten erst einmal in der Hängematte relaxen und den Geräuschen des Dschungels lauschen. Danach kann man auf einem Elefanten durch die Gegend schaukeln und aus gesicherter Höhe nach anderen Tieren Ausschau halten: Nashörner, eine Menge Vogelarten, Damhirsche und sogar noch ein paar bengalische Tiger leben hier.

Klassisch im Chitwan-Park ist der Jungle-Walk mit anschließender Bootsfahrt. Im Gänsemarsch trappeln wir hinter dem einheimischen Guide her – its very dangerous – bitte nur flüstern – da, ein Nashorn am Horizont! 25 mal klicken Kameras. Plötzlich knattert ein Moped vorbei und weg ist das Rhinozeros. Am Fluss aalen sich Krokodile in der untergehenden Sonne. Vereinzelt gibt‘s hier noch Ghariale, Krokodile, die mit ihrem langen schmalen Maul überall anstoßen und deshalb leider fast ausgestorben sind. Mitten im Busch werden sie in einer „Breeding Station“ gezüchtet und aufgepäppelt, sind aber physiognomisch fürs Überleben in freier Wildbahn nicht wirklich gut geeignet.

Wer genug Tiere gesehen hat, macht eine „Village Tour“ und beschaut die Menschen. Die Tharu sind Bauern und leben in Lehmhäusern zusammen mit Kühen, Ziegen und Hühnern. Immerhin haben sie alle einen Brunnen vor der Tür. Scheinbar stört es sie nicht, wenn die Touristen sie beim Zähneputzen oder Wäsche waschen beobachten und auf ihren Fotos mit nach Hause nehmen.

Auf der Suche nach Bergen

Der Machapuchare guckt aus den Wolken
Der Machapuchare guckt aus den Wolken

Wo sind denn nun aber die Berge? Auf dem Weg in den Nordwesten prangen sie auf jeder Postkarte. In Pokhara, einem früher beliebten Hippie-Ziel, gehört das Annapurnamassiv eigentlich zum Stadtbild wie der Dom zu Köln. Aber Pech, kein Berg zu sehen, alles in Wolken. Dann also eine Mini-Trekking-Tour durch die Bergdörfer. Schulkinder aller Altersgruppen streichen in ihren Schuluniformen um uns herum. Selbst die Sechsjährigen müssen erst einmal eine Stunde Bergwandern, um die Schule zu erreichen. „Give me chocolate“ und „give me money“, so viel Englisch haben sie bereits gelernt. Plötzlich reißt der Himmel doch einmal ein Stückchen auf und die Spitze des Machapuchare, heiliger Berg Vishnus, blitzt durch den Dunst.

Nach einer schier endlosen Ruckelfahrt zurück durch das Kathmandutal, vorbei an Hängebrücken, Feldern und Reisterrassen landen wir in Dhulikhel auf 1600 Metern Höhe. Hier endlich soll sie sein, die klare Sicht auf die Himalaya-Gipfel rund um den Mount Everest. Für einen besonders guten Blick hat man in die Hotelzimmer der Mountain Lodge riesige Panoramafenster eingebaut: Bett mit Fernsicht! Ein Angestellter des Resorts soll uns bei gutem Wetter um sechs Uhr früh wecken. Klopf, klopf, klopf: „Good Morning Mam, the weather is not good!” Aha, also weiterschlafen.

In der wunderbaren Altstadt der kleinen Stadt Panauti, einem Geheimtipp des Reiseleiters, und in den Königsstädten Bhaktapur oder Patan bleibt man dann wieder im Staunen stecken und fühlt sich um Jahrhunderte zurück in eine andere Zeit versetzt. Kunstschätze, die es bei uns allenfalls im Museum gibt, und Holzschnitzereien überall. Fein ziselierte Steinskulpturen „erzählen“ die komplette Story des Ramayana. Das ist die Geschichte des Prinzen Rama, seiner Frau Sita und ihrem Kampf gegen die Dämonen, asiatische Grimms Märchen.

Essen auf Nepalesisch

Nepalesisches Essen
Nepalesisches Essen

Am letzten Abend wird nepalesisch aufgetischt, im besten Lokal Kathmandus, dem „Krishnarpan“. Man hockt ganz authentisch an niedrigen Tischchen und faltet seine Beine einfach darunter irgendwie zusammen. „Are you comfortable?“ Man bindet uns noch ein Lätzchen um, eigentlich nicht nötig, denn Samaya Bajee, der traditionelle Opfergang für Gott Krishna, ist eher eine trockene Angelegenheit. Danach kommen aber die köstlichen Momos, gedämpfte Teigtaschen mit würziger Füllung aus Gemüse oder Fleisch, Dal Bhat, das Nationalgericht aus Linsen und Reis, das grandiose Palak Paneer, ein Gericht aus selbstgemachtem Kuhmilchkäse mit Spinat, scharfes Hühner-Curry und noch mehr. Dazu ein fruchtiges Mango-Lassi, ein kühles Everest-Bier oder ein Glas französischer Rotwein für ca. 10 €, aber zum Schluss auf jeden Fall einen leckeren Masala-Chai.

Am nächsten Tag schließlich Take off in südlicher Richtung, eine Flugschleife über der Stadt…und da tauchen sie endlich noch auf die schneebedeckten Mountains. Echt schön, aber Nepal ist in jedem Fall ein fantastisches Land – mit oder ohne Berge.

Claudia Bruckmann

 

Weitere Informationen:
Tourismus Nepal

 

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Hinweis: Dieser Beitrag wird regelmäßig von Mitgliedern der Reise-Stories Redaktion wie Heiner Sieger, Gerhard Fuhrmann und Jupp Suttner auf Richtigkeit und Vollständigkeit geprüft. Falls Sie Anmerkungen zu diesem Beitrag haben, kontaktieren Sie bitte direkt hier die Redaktion.

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