Die kleinste Bewegung könnte das Kentern des Bancas, wie das Einbaumkanu genannt wird, bedeuten – glaubt man. Als würde schon ein Wasserspritzer genügen, den nassen Spaß frühzeitig zu beenden. Einen fast 100 Meter hohen Wasserfall gilt es zu erreichen, der Mitten im Urwald liegt und nicht über Landweg zu erreichen ist.
Manila ist Ausgangspunkt für die Tagestour. Mit dem Taxi lässt man sich in die etwa 90km südlich gelegene Provinz Pagsanjan bringen. Schon die letzten 15km bringen etwas Aufregung der ganz anderen Art: Motorradfahrer überholen einen links oder rechts und fordern auf, die Scheiben herunterzulassen. Bei Tempo 70 bieten sich die Zweiradfahrer als “die besten Führer” an. Sie wissen, wo Touristen hinwollen, der Taxifahrer glücklicherweise auch und lässt die ‘guides’ abblitzen. Auch die ‘besten Parkplatzeinweiser’ im Örtchen Pagsanjan haben keine Chance. In einem kleinen Restaurant, direkt am Bumbungan-Fluss, gibt es erst einmal eine Stärkung, bevor man sich Schwimmwesten und Helm anzieht. Alles ohne Hektik, ohne Zeitdruck.
Bis zu vier Touristen passen in die extrem schmale Schale, wenn sie nicht sofort wieder, die Balance verlierend, ungewollt im Wasser landen. Aber die Bankeros, die Bootsleute, geben Acht: einer vorne, einer hinten.
Auf dem zunächst noch sehr breiten Bumbungan-Fluss wird das Kanu von einem Motorboot in Schlepptau genommen. Fast eine halbe Stunde kann man das Leben der Philippinos am rechten und linken Flussufer beobachten.
Fischer lassen sich nicht aus der Ruhe bringen von dem doch recht regen Verkehr. Ganze Reisegruppen, Japaner und Koreaner, wollen die Tour unternehmen. Ein Dutzend Bancas auf einmal zu sehen, ist keine Seltenheit.
Nach rund zwanzig Minuten drehen die Motorboote ab, jetzt müssen die Bankeros paddeln. Das Tal wird enger, links und rechts ragen steinerne Klippen über 100m hoch in den Urwald. Überall kleinere Wasserfälle, an den immer enger werdenden Wänden wachsen wilde Orchideen, Farne und Kletterpflanzen.
Eigentlich müsste man jetzt das Boot verlassen und zu Fuß weitergehen, denn man sieht fast nur noch Felsen, kaum noch einen Wasserweg. Aber nur die Bankeros steigen aus und ziehen das Kanu mit den Touristen, die bequem sitzen bleiben dürfen, gegen die Stromschnellen, über Steine, flussaufwärts. Mitunter müssen sie eine Pause einlegen, selbst für die gut durchtrainierten Bootsführer ist das Unternehmen schwerste körperliche Arbeit. Eisenstangen sind quer auf den Felsen befestigt – ein Hindernis? Die Bankeros haben sie angebracht, um die Boote so leichter (inklusive Touristen!) schieben und ziehen zu können.
Nach einer guten Stunde ist man endlich am Ziel, darf aussteigen und muss noch ein paar Minuten zu Fuß gehen, um endlich den gewaltigen Wasserfall zu sehen, den man schon von Weitem hört. Der einheimische Name lautet übrigens Magdapio und geht auf einen Einwohner zurück, der in einer tödlichen Dürreperiode als Überlebender in völliger Erschöpfung auf der Suche nach Wasser gegen einen Fels schlug, aus dem plötzlich Wasser rann. So soll, verkürzt wiedergegeben, der Pagsanjan (gesprochen: pag-sang-han) entstanden sein.
Nun warten Bambusfloße, die die Touristen direkt an den Wasserfall bringen. Die Bankeros ruhen sich aus, jetzt sind ihre Kollegen dran. Man wird am Fall vorbeigezogen und landet in einer stockfinsteren kleinen Höhle, auch Teufelshöhle genannt. Mit etwas Unverständnis reagieren die Touristen auf das Angebot der Floßführer, die eine Massage anbieten. Natürlich aber nicht von Menschenhand! Die Touristen werden gebeten, sich auf den Bauch zu legen, ehe das Floß direkt unter den Fall gezogen wird. Massage ist wohl eher ein falsches Wort, es wirkt wie pure Folter, wenn die Wassermassen mit einer schier unglaublichen Wucht auf den Körper herunterpeitschen. Manche Touristen halten es gar nicht aus und geben ein Handzeichen, um das Floß wieder zurückzuziehen. Die Wucht der Wassermassen ist so stark, das selbst das Atmen schwer fällt. Zart besaitete Touristen können durchaus ein Gefühl von Panik entwickeln. Rufe würde man nicht hören, so lärmend schlägt das Wasser nach unten.
Die Rückfahrt, flussabwärts, geht natürlich verhältnismäßig schnell, auch wenn die Bankeros erneut häufig das Einbaumkanu verlassen müssen, um es zu ziehen oder zu schieben. Die Touristen sind sich einig, dass das Erlebnis einmalig war und unvergesslich bleiben wird.
Oder war da noch etwas? Schon zu Beginn der Tour wird man vor Bootsverkäufern gewarnt: man solle keine Getränke auf dem Wasser kaufen. Sie seien viel zu teuer. Kaum legt das Boot ab, hängen sich schon die ersten Händler an und halten einem ihre gut gekühlten Dosen mit Zuckerwasser entgegen. Den Bankeros dagegen dürfe man am Ende, sofern es einem gefiel, Trinkgeld geben. Doch auch die Floßführer halten die Hand auf, obwohl es hieß, alles sei bezahlt. Und die Bankeros wollen sich am Ende auch nicht mit Trinkgeld zufrieden geben, werden gar unangenehm, wenn man ihnen ‘zu wenig’ reicht. Sie wollen richtig Geld sehen. Ein leicht bitterer Nachgeschmack, wenn Touristen diese Art von ‘Forderungen’ nicht kennen und unvorbereitet sind. Billig ist das Unternehmen ohnehin nicht, selbst wenn man die heftige Abwertung der europäischen Währung im asiatischen Raum mit einrechnet. Wer aber dieses einmalige Naturerlebnis genießen möchte, schluckt den kleinen Wermutstropfen …. andere Länder, andere Sitten. Die Pagsanjan-Tour möchte man nicht ausgelassen haben.
Thomas Schreyer
Fotos: Thomas Schreyer
Infos
wikipedia.org/Pagsanjan-Wasserfall