Blockierte Straßen, lange Staus, geschlossene Schulen und Geschäfte, heftige Auseinandersetzungen mit der Polizei – die Unabhängigkeitsbestrebungen Kataloniens waren heftig und deutlich spürbar. Auch im Ausland. Viele Touristen, die eine Reise nach Barcelona planen oder bereits gebucht haben, fragen sich, ob sie bedenkenlos reisen können. Das Auswärtige Amt, wichtigster Informant für Auslandsreisen, gibt aktuell keine Reisewarnung, empfiehlt Besuchern jedoch, die lokalen Medien zu verfolgen. Mittlerweile hat sich die Situation aufgrund der politischen Entwicklung deutlich beruhigt. Deshalb haben wir uns von reise-stories nach längerem Zögern entschieden, die folgende Geschichte über eine Reise nach Barcelona – vielleicht als hilfreiche Lektion für künftige Besucher – auch zum jetzigen Zeitpunkt zu veröffentlichen.
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Wie sich Barcelona zur Tourismusmetropole entwickelte
Die Gänse schnattern laut. Sie sind nicht zu überhören. Tritt man aus der Kathedrale in den Kreuzgang, kommen sie aufgeregt ans Gitter und recken die Hälse dem Besucher entgegegen. Gänse im Innenhof einer Kirche? In Barcelona ja. Die imposante Kathedrale der katalanischen Hauptstadt, die Catedral de la Santa Creu i Santa Eulalia aus dem 15. Jahrhundert im Zentrum des Barri Gotic, dem ältesten
Stadtviertel Barcelonas, ist eines der schönsten gotischen Bauwerke der Stadt. Der imposante Innenraum, vom kunstvoll geschnitzten Chorgestühl bis zur grandiosen Apsis, ist ebenso sehenswert wie der Kreuzgang mit kleinen Kapellen, Gärten, Brunnen, mittelalterlichen Grabsteinen und den 13 Gänsen; sie sollen an die heilige Santa Eulalia, die Schutzpatronin der katalanischen Hauptstadt erinnern, die dort in spätrömischer Zeit vom damaligen Stadthalter Dazianus mit nur 13 Jahren zu Tode gefoltert wurde.
Die Kathedrale ist nicht das einzige sehenswerte Kirchengebäude in der engen Altstadt von Barcelona, der Ciudat Vella. Dazu zählt auch die zu Fuß in knapp zehn Minuten erreichbare Basilika Santa Maria de la Mar aus dem 13. Jahrhundert. Der Weg führt vorbei an einem poppig-bunten Mosaik, das zwei sich intim berührende Lippenpaare zeigt. Geschaffen hat dieses eindringliche Werk Juan Fontcuberta; der 1955 in Barcelona geborene Künstler hat dafür rund 4000 von den Lesern der Zeitung “El Periodici” eingesandte Fotos in kleine Kacheln umgewandelt und zu einem Fotomosaik zusammengesetzt, mit dem er Eigenschaften wie Zuneigung und Empathie sowie Freiheit, besondere Eigenschaften der Katalanen, ausdrücken möchte.
In der Basilika Santa Maria de la Mar zieht die Statue der Heiligen Maria im Altarraum die Blicke auf sich. Eine berührende Skulptur. Doch was bedeutet das Segelboot
auf einem separaten Sockel? Das Schiff, auch an anderen Orten immer mal wieder zu sehen, erinnert an die Zeit, in der die Katalanen den Seehandel beherrschten, der damals, vor mehr als 600 Jahren, bis in den Orient reichte. Heute geben die Touristen den Ton an. Vor der Basilika auf der Plaça de Santa Maria sind die meisten Tische der zahlreichen Restaurants belegt. Auch die des liebenswerten, kleinen Weinlokals “Il Vinyard de la Senyor”. Wer das Glück hat, den winzigen Tisch auf dem schmalen Balkon im ersten Stock des Lokals zu erlangen, hat den idealen Platz, abseits des bunten Treibens ungestört den wunderbaren Wein zu genießen. Um den Hunger zu stillen, empfiehlt sich die nahe gelegene Tapasbar “Sagardi”, in der die freundliche Kellnerin jedem neuen Gast ein Glas reicht, das sie umgehend – je nach Wunsch – mit Vino tinto oder blanco füllt, ehe sie ihm Zeit lässt, sich den vielen leckeren, auf einer langgestreckten Bar angebotenen Tapas zu widmen.
Im Picasso-Museum – Bilder, die man sonst nicht sieht
Viele solcher Lokale gibt es im engen, unübersichtlichen Gassengewirr der Ciutat Vella, zu der neben dem Barri Gotic auch Raval, Sant Pere, Santa Caterina i la Ribera, genannt El Born und Barceloneta zählen. Man sollte weiter zu Fuß gehen. Während auf den großen Durchgangstraßen, wie der Via Laietana, welche die Ciutat Vella durchschneidet, der Autostrom nicht abreißt, ist es in den schmalen Gassen, wie der Carrer de la Freneria oder der Carrer del Agenteria, erstaunlich ruhig. Kein Auto stört beim Bummeln. Auch nicht in der Carrer Montecara, wo vor dem Picasso-Museum (Eintritt elf Euro) viele Menschen in einer langen Schlange geduldig warten. Für die Wartezeit wird man entlohnt. Die Ausstellung zeigt Bilder, die man sonst nicht zu sehen bekommt, insbesondere Werke, die Picasso bereits im Alter von 13, 14 Jahren gemalt hatte, darunter Porträts und andere grandiose Werke, die auch dem Laien die einmalige Begabung dieses Genies verdeutlichen. Empfehlenswert ist die Barcelona Card (zu buchen über barcelona.de); sie gewährt freien Eintritt in viele Museen (teilweise ohne Wartezeit) und darüber hinaus weitere Vorteile wie “Freie Fahrt” mit den öffentlichen Verkehrsmitteln.
Barcelona ist eine Kunstmetropole. Nicht nur wegen der Museen. Es gibt wohl kaum eine andere Stadt mit so vielen sehenswerten, zum Teil ungewöhnlichen Bauwerken. Herausragend die Gebäude des
Modernisme, des katalanischen Jugendstils. Eines der schönsten Beispiele ist der Palau de la Musica Catalana im nördlichen Teil der Altstadt, der auf der Liste des UNESCO-Welterbes steht. Vor der prächtigen Fassade mit ihren mosaikverzierten Säulen drängen sich ständig Besuchergruppen. Man muss reingehen. Alles überstrahlt der glanzvolle Konzertsaal mit seiner fantastischen Buntglaskuppel. Neben dem unverzichtbaren Besuch empfiehlt es sich, an der Kasse “um die Ecke” nach Konzertkarten zu fragen. Vielleicht hat man das Glück, ein Gitarrenkonzert des Weltklassemusikers Jesus Guerrero zu erleben, das so recht zum Rahmen eines Barcelona-Besuchs passt.
Der wichtigste Architekt des Modernisme ist Antoni Gaudi (1852-1926). Viele Gebäude zeugen von seiner Schaffenskraft, wie die Villa Batllo mit Elementen des Drachen, den der Heilige Georg, der Schutzpatron der Katalanen, in mutigem Kampf besiegt hat. Eine schöne
Tradition: Am Tag des Sant Jordi, am 23. April, schenken in ganz Katalonien die Männer ihren Frauen eine Rose und die Frauen den Männern ein Buch. Die Generalitat, der Palast der katalanischen Autonomieregierung am Plaça de Sant Jaume, ist dann für das Publikum geöffnet. Im und um den Palast herum findet ein großer Rosenmarkt statt. Überall kann man Bücher kaufen. Die Villa Batllo im Stadtteil L’Eixample (Erweiterung) mit seinem charakteritischen, schachbrettartigen Straßenbild ist von der Placa Catalunya, dem Verkehrsknotenpunkt der Stadt, zu Fuß in wenigen Minuten erreicht, ebenso wie ein weiteres Haus von Gaudi, die Casa Mila, unter den Einheimischen eher bekannt unter dem Namen La Pedrera, der Steinbruch, weil die Fassade an einen massiven Felsen erinnert. Seine ganze Fantasie hat Gaudi am Dach ausgelebt. Ein Spaziergang vorbei an kunstvoll gestalteten Schornsteinen, Lüftungsschächten, Treppen und Durchgängen hoch über dem Boulevard Passeig de Gracia wird zu einem heiterer Spaß, der zudem einen grandiosen Ausblick auf die Stadt bietet.
Die Casa Mila war – wie Studiosus-Stadtführer Dirk Schreiber weiß – das letzte Bauwerk des genialen Architekten Gaudi, bevor er sich nur noch mit dem Bau der Sagrada Familia beschäftigte, diesem
Wunder von einer Kirche, die bereits jetzt, obwohl immer noch an ihr gebaut wird, als Wahrzeichen Barcelonas gilt. Um die umliegenden Berge der Stadt, ein Werk Gottes, nicht zu überragen, wird der höchste Turm einmal 172,5 Meter in den Himmel ragen und damit einen halben Meter unter dem Hausberg, dem Montjuic, bleiben. Immerhin wird der Turm den bisher höchsten Kirchtum der Welt, das Ulmer Münster, einmal um elf Meter überragen.
Das Inneren der Sagrada Familie überwältigt. Die Dimensionen sind gewaltig. Die bunten, hohen Glasfenster, der Altarraum, die Seitenschiffe – alles ist von einer erhabenen Größe. Beieindruckend das mächtige, bronzene Eingangstor, auf dem in vielen Sprachen zu lesen ist: Unser tägliches Brot gib uns heute. Viele Besucher drängen sich davor, um den Bibelsatz in ihrer Sprache zu finden. Das Tor soll sich im Jahr 2026 öffnen, wenn der Bau der Kirche zum 100. Todestag des Architekten Antoni Gaudi fertig gestellt sein wird.
Neben der Sagrada Familia gehört der Park Güell, ebenfalls von Gaudi, zu den am meisten besuchten Sehenswürdigkeiten der katalanischen Hauptstadt. Ursprünglich als Gartenstadt mit vielen Villen geplant, ist der weitläufige Park mehr und mehr zu einer grünen Fantasielandschaft geworden mit fanasiereichen Säulen, vielen Treppen, der berühmten, farbenreich gewundenen Bank und dem freundlichen Drachen aus buntem Keramik am Eingang, einem der beliebteste Fotomotive insbesondere für Selfie-Jäger.
Olympische Spiele – Barcelona öffnet sich zum Meer
Der Tourismusboom begann Anfang der Neunziger Jahre mit den Vorbereitungen für die Olympischen Spiele 1992. Die einmalige Gelegenheit für den damalige Bürgermeister Pasqual Maragall, der Stadt das dringend erforderliche Facelifting zu verpassen. Barcelona, das bisher mit dem Rücken zu Meer gelebt hatte, drehte sich um. Der Passeo Maritimo, der Zugang zum Meer, veränderte das Gesicht der Stadt. Die herunter gekommenen Teile der Ciutat Vella wurde saniert, Schrott und Müll weggeräumt, die
Strände gesäubert. Am deutlichsten sichtbar wurde dies in Barceloneta, das ans Meer grenzenden Stadtviertel. Um Platz für die neue Strandpromenade zu schaffen, verschwanden die vielen holzhüttenähnlichen Fischlokale, die Chiringuitos, in denen man damals als Kenner köstliche Fischgerichte zu spottbilligen Preisen bekam.
Von Barceloneta schwebt die zur Weltausstellung 1929 erbaute Hafenseilbahn zum Montjuic, dem Olympiaberg. Das Olympiastadion, in dem der Deutsche Dieter Baumann über 5000 m den afrikanischen Favoriten völlig unerwartet mit einem listigen Endspurt die eingeplante Goldmedaille entriss, macht anbetracht der heutigen Architekturleistungen einen recht veralteten Eindruck und ist bei Touristen kaum gefragt. Um so mehr jedoch – vor allem wegen des grandiosen Ausblicks – der Berggipfel des Montjuic mit dem Kastell aus dem Jahre 1751 und die Fundacio Joan Miró. Dieses unglaubliche Museum, das allein schon
wegen des Gebäudes sehenswert ist, zeigt eine große Auswahl der farbenfrohen Werke des berühmtestenn katalanischen Künstlers (Eintritt 12 Euro). Später bringt die Funicular, die Montjuic-Standtseilbahn, die Besucher rasch wieder hinunter zur Stadt, vielleicht zu einem letzten Bummel vorbei an der
Columbussäule auf die Rambla, Barcelonas berühmte Flaniermeile, die sich etwa eineinhalb Kilometer hinaufzieht vom Meer bis zur Placa Catalunya. Auf halbem Weg lohnt eine Pause in der Patisseria Escriba, einer der bekanntesten Konditoreien Barcelonas, berühmt wegen ihrer verführerischen, süßen Köstlichkeiten, sehenswerten Tortentürmen, fantasievollen Schokoladeskulpturen. Köstlich auch die heiße Schokolade. Wer sie probiert, wird nicht nur diesen Geschmack länger auf der Zunge tragen, sondern vielleicht die Tage in der katalanischen Hauptstadt für immer mit nach Hause zu nehmen.
Weitere Informationen: www.barcelona.de. Wir reisten mit Studiosus Reisen München GmbH, Riesstraße 25, 80992 München, Tel: 089 500 60-0 oder 00 800 / 24 02 24 02 , info@studiosus.com, www.studiosus.com