Mehr Musik geht kaum – Montreal Jazz Festival

Von Christoph Giese (Fotos: Montreal Jazz Festival) ///
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Groß ist es, das „Montreal Jazz Festival“. Über 500 Konzerte in zehn Tagen, von kleinem Club bis zur Riesen-Outdoorbühne. Vieles davon ist gratis. Und ein ganzes Viertel in Downtown Montreal wird zur riesigen Kulturwiese. Vergleichbares gibt es auf diesem Planeten nicht und darum rühmt sich das Festival in Kanadas Osten auch das größte der Welt zu sein. Das Programm der 39. Ausgabe war zudem sehr exquisit.

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Das Album „Kind Of Blue“ aus dem Jahre 1959 wurde zu einem Meilenstein in der Karriere von Miles Davis. Auch der Song „Flamenco Sketches“ ist auf dem Album. Genau so hat der spanische Pianist Chano Dominguez ein in Montreal packendes Musikprojekt benannt und sich dabei nicht nur auf Flamenco, sondern auch auf das ganze Jazzalbum von Davis gestützt. Wie in der fünfköpfigen Liveband Jazz und Flamenco verschmelzen! Mit unter die Haut gehendem Gesang, krachenden, mitreißenden Tanzeinlagen der ausdrucksstarken Tänzerin und packenden musikalischen Momenten, die die bekannten Themen geschickt mit eigenen Interpretationsmöglichkeiten verschmelzen ließen. Das war ein Wahnsinnskonzert am ersten Abend des Jazzevents. Auch der Pianist Guillaume Martineau aus Montreal beleuchtete ein großes Meisterwerk. Und setzte mit seinem Projekt „Lucioles“ Pink Floyds „The Dark Side Of The Moon“ mit Streichern, Klavier oder Vibrafon in einen jazzigen Kontext, teils mit eigenen Texten. Das hatte was und klang stellenweise sehr interessant.

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Das „Montreal Jazz Festival“ ist zwar groß, aber bietet dabei auch immer die Möglichkeit intimer Konzerte. Wenn etwa die kapverdische Sängerin Elida Almeida bei ihrem Open Air-Konzert ein paar Hundert Zuhörer zum Mittanzen animiert mit ihrer Gute Laune-Musik, gespeist aus diversen Rhythmen der Kapverdischen Inseln, dann fühlt man sich als Zuhörer wie auf einer netten Party unter Freunden. Noch intimer war es beim Auftritt des brasilianischen Songwriters, Sängers und Gitarristen Vinícius Cantuária im kleinen Club-Ambiente. Lakonisch ist sein Gesang und doch packend. Und wie er mit seiner Band Jazz, Bossa Nova und Samba zusammenbringt, ohne jemals eine Note zuviel zu spielen, ist einfach nur zauberhaft.

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Den größten Hype in der Jazzwelt entfacht derzeit wohl der US-Saxofonist Kamasi Washington, der natürlich auch in Montreal auftrat. Mit seinem neuen, vorzüglichen Doppelalbum „Heaven & Earth“ hat er gerade erst wieder ein episches Monumentalwerk mit spiritueller Musik veröffentlicht. Dieses Konzept wirkt im Live-Kontext aber in erster Linie wie ein lautes, wildes „Showing Off“. Natürlich lassen sich die im Studio opulenten, ausgeklügelt produzierten Breitwand-Melodien nicht so einfach auf eine Konzertbühne übertragen. Aber ein wenig mehr Live-Magie hätten Washington und seine mit gleich zwei Drummern angereiste Band schon entfachen können. Dann doch lieber nachts draußen zu zuckenden Blitzen am Himmel zur heißen Salsa vom „Spanish Harlem Orchestra“ zu tanzen – großartig!

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Die zehn Festivaltage waren in diesem Jahr mit besonders vielen Leckerbissen gespickt. Den US-Sänger José James Lieder von Bill Withers singen zu hören, den sehr gefragten, so melodiös und doch auch kraftvoll trommelnden Schlagzeuger Brian Blade mal mit seiner eigenen „Fellowship Band“ erleben zu können oder das britische Quartett „Sons Of Kemet“ zu sehen, wie es mit 2 Schlagzeugern, Saxofon und Tuba eine treibende, aufgeladene Mischung aus Jazz, Rock, Karibik und Afrika aufs Parkett legt, das waren memorable Konzerterlebnisse. So wie der Auftritt von US-Trompeter Theo Croker und seinem Quintett, das zu später Stunde mit Groove und energiegeladenem Straight Ahead Jazz das Publikum begeisterte.

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Bei all dieser großartigen Musik – Profit ist nicht das Ziel der Veranstalter. Sie sind darauf angewiesen, dass das zahlreiche Publikum Merchandising-Produkte kauft, um die Ausgaben zu refinanzieren. Selbst Restaurants machen da mit. Das sehr empfehlenswerte „Blumenthal“, im gleichen Gebäude wie die Festival-Schaltzentrale beheimatet, etwa leitet alle erwirtschafteten Überschüsse ans Festival weiter. Und das kann dann auch im Jubiläumsjahr 2019, wenn der 40. Geburtstag gefeiert wird, sicher wieder ein Riesenprogramm anbieten.

Der Besuch von Kanadas zweitgrößter Stadt lohnt sich aber ohnehin. Montreal atmet französisches Flair, schließlich ist Québec, die größte Provinz des Landes, in der Montreal liegt, frankophon und ist seit 2006 offiziell als „Nation in einem vereinten Kanada“ anerkannt. Viele Nationen haben ihr eigenes Viertel in Montreal. In denen ein wenig herumzubummeln, macht viel Spaß, denn diese Multi-Kulti-Metropole wirkt trotz ihrer Größe immer herrlich entspannt.

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Christoph Giese

Autor Kurzvorstellung:

Der Journalist interessiert sich schon immer für die Kulturszene und berichtet mit Freude darüber. Musik und Reisen sind seine große Leidenschaften, die er auch gerne miteinander verbindet.

Hinweis: Dieser Beitrag wird regelmäßig von Mitgliedern der Reise-Stories Redaktion wie Heiner Sieger, Gerhard Fuhrmann und Jupp Suttner auf Richtigkeit und Vollständigkeit geprüft. Falls Sie Anmerkungen zu diesem Beitrag haben, kontaktieren Sie bitte direkt hier die Redaktion.

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