Lennep oder die liebenswerte Lebensart im Bergischen Land

Die Schritte hallen auf dem Kopfsteinpflaster der Altstadt. Hier ist noch alles wie früher, man fühlt sich in eine andere Zeit zurückversetzt. Ich bin in Lennep, die Stadt, die zu Remscheid gehört, aber doch gerne unabhängig sein möchtre. Und sie ist anders als andere Städte im Bergischen. Ursprünglich, traditionell, malerisch.

Als ich das erste Mal von Lennep hörte, dachte ich zunächst an eine kleine Stadt, die man schnell mal durchqueren kann. Aber ich wurde eines Besseren belehrt: Lennep hat eine lange Geschichte als Tuchmacherstadt und ist eine der ältesten Städte im Bergischen Land. Bereits im 13. Jahrhundert erhielt Lennep das Stadtrecht und die Stadtgeschichte ist bis heute in vielen historischen Gebäuden im Stadtkern präsent. Die Stadt hatte eine lange Tradition in der Herstellung von Tüchern aus Wolle und Baumwolle, die in alle Teile Europas exportiert wurden. Heute erinnern noch viele historische Gebäude im Stadtkern an diese Zeit, darunter einige wunderschöne Fachwerkhäuser aus dem 18. Jahrhundert.

Das Fachwerk und Schiefer der alten Gebäude geben Lennep eine besondere Atmosphäre. Ich lebe nunmehr seit zwei Jahren im Zentrum der Altstadt und bin immer wieder fasziniert von der Bergischen Kultur, die hier gepflegt wird. Die jüngste Bereicherung ist eine Skulptur von Tony Cragg auf dem Munsterplatz. Aber auch sonst hat Lennep viel Kultur zu bieten. Hier finden regelmäßig Konzerte, Ausstellungen und Theateraufführungen statt, In der ehemaligen Klosterkirche und dem Rotationstheater.

Wer Glück hat, darf in den Glockenturm der Evangelischen Stadtkirche hinaufklettern und hat dort nicht nur einen tollen Blick über die Stadt, sondern ist auch den Glocken ganz nah. Vorsicht jedoch, zu jeder vollen Stunde wird es dort laut. Und samstags läuten die Glocken sogar eine Viertelstunde lang zum Wochenende!

Der berühmteste Sohn der Stadt ist wohl Konrad Röntgen, der Entdecker der gleichnamigen Strahlen-Technologie. Deshalb nennt sich die Stadt auch Röntgen-Stadt. Das Museum am Rand der Altstadt bietet Besuchern einen vielseitigen Einblick in die Erfindung und Entwicklung der Röngten-Technologie. Und das Geburtshaus kann hier ebenfalls besucht werden.

Gar nicht weit vom Röntgen-Museum befindet sich der Gänsemarkt mit dem markanten Brunnen und einer bronzen Gans, die zuweilen Flügel zu bekommen scheint. Zweimal verschwand sie schon, einmal tauchte sie wieder auf bei einem Schrotthändler, der sie von dem Dieb erworben hatte. Kein Wunder, dass die Lenneper sich freuten, ihre Gans wieder am Brunnen zu haben und diesen Anlass auch gebührend feierten.

Lennep ist zudem Pilgerstadt, der Jakobsweg geht hierher und inzwischen gibt es auch einen eigenen Platz mit einer Jakob-Skulptur. Das Pilgerbüro befindet sich mitten in der Altstadt. Wer genau hinschaut, entdeckt auch an vielen Stellen das bekannte Pilgerzeichen gelb auf blauem Grund.

Aber nicht nur die Kultur, sondern auch das Nachbarschaftsdenken und der Zusammenhalt in der Altstadt beeindrucken mich immer wieder aufs Neue Es ist schön, an einem sonnigen Tag einfach vor dem Haus zu sitzen und mit den Nachbarn zu plaudern. Dabei gibt es immer wieder interessante Anekdoten über die Stadtgeschichte zu hören.

Ich erinnere mich an eine Geschichte, die ich vor einiger Zeit auf dem Kirchplatz hörte: Dort wollte ein Anwohner eine Gasleitung für seine neue Heizung verlegen lassen. Nach wenigen Metern stießen die Bauarbeiter auf Knochen, Es folgte der sofortige Baustopp, die Archäologen kamen und untersuchten alles ganz genau. Es wurde Herbst, der Bewohner sorgte sich bereits, im Winter keine Heizung zu haben. Er bat die Stadt, sich zu beeilen mit der Analyse der Knochen. Nun, da es sich ja um einen Kirchplatz handelte, müssen es wohl Knochen aus Zeiten vor dem große Stadtbrand Ende des 18. Jahrhunderts sein. Schön und gut. Doch wohin nun mit den Knochen? Beisetzen konnte man sie vor dem nahenden Winter nicht mehr. Man bat den Bewohner, diese Gebeine doch in Säcken bei sich im Keller aufzubewahren. So kam es, dass der Anwohner des Kirchplatzes in Lennep einen Winter lang die sterblichen Überreste von Lennepern aus grauen Vorzeiten bei sich beherbergte, bis diese dann im Frühjahr abgeholt und ordentlich beigesetzt wurden. Eine Geschichte, die heute noch gerne zum Gruseln erzählt wird.

Man muss die Bewohner, die im Sommer oft vor ihren Häusern sitzen, nur ansprechen, viele wissen Geschichten zu erzählen, die nirgends geschrieben stehen.

Für Touristen gibt es viele Möglichkeiten, die Stadt kennenzulernen. Besonders empfehlenswert ist die Altstadttour mit dem Nachtwächter “Gustav vom Hackenberge”. Dabei erfährt man nicht nur Wissenswertes über die Stadtgeschichte, sondern auch einige skurrile Geschichten aus vergangenen Zeiten. Auch für Fotografen gibt es viele tolle Motive in Lennep, zum Beispiel auf dem Kirchplatz oder dem Alter Markt oder bei einem Spaziergang durch die verwinkelten Gassen.

Die Gastronomie und der Lifestyle in Lennep sind vielfältig. Es gibt nicht nur gute italienische Restaurants, sondern auch kleine Boutiquen und eine tolle Esskultur. Besonders empfehlen kann man die Café-Kultur in der Stadt. Hier kann man in gemütlicher Atmosphäre einkehren oder auch den Tag ausklingen lassen.

Auch rund um die Altstadt gibt es so manches zu entdecken, etwa die Panzertalsperre oder die Alpaca-Farm, In – und um Lennep herum lässt es sich herrlich durch das Bergische Land wandern.

Wer Lennep im Winter besucht, kann sich auf eine Art „Winterwonderland“ freuen, an der Romantiker ihre Freude haben. Wenn Schnee liegt, entfaltet die Stadt einen ganz besonderen Charme und es herrscht eine verzückende Stimmung.

Lennep ist eine Stadt, die man nicht nur durchqueren sollte. Die Stadtgeschichte und das Kopfsteinpflaster in der Altstadt laden zum Verweilen ein. Ich liebe es, durch die engen Gassen des Stadtkerns zu spazieren und die vielen Details der verschieferten Fachwerkhäuser zu bewundern. Dabei fühle ich mich in eine vergangene Zeit zurückversetzt und kann mir gut vorstellen, wie hier einst das Leben pulsierte. Lennep zu besuchen hat schon manchen dazu bewogen, Lennep zu lieben und als lebenswerte Stadt anzunehmen.

Kurz notiert

Wie kommt man hin?

Lennep erreicht man über die A1 mit dem Auto, Ausfahrt Remscheid-Lennep oder mit der Bahn am Bahnhof Remscheid-Lennep

Sehenswürdigkeiten/Museen

Deutsches Röntgen-Museum

Tuchmuseum

Hardtpark

Rotationstheater

Kulturzentrum Klosterkirche

Kulturzentrum Die Welle

Panzertalsperre

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Philip Duckwitz

Autor Kurzvorstellung:

Der „Journeylist“ Philip Duckwitz arbeitet als freier Journalist und Autor in Remscheid, vormals in Köln. Auf seinen Reisen um den Erdball, die er am liebsten in wenig bekannte Länder und Regionen unternimmt, öffnet er seinen Lesern Türen zu unerschlossenen Blickwinkeln. Bekanntes neu entdecken und Neues bekannt zu geben, unter dieser Prämisse reist der Journeylist auf der Suche nach den Schätzen dieser Welt und berichtet darüber, um seine Leser für einen einzigartigen Urlaub in der Ferne zu begeistern.

Hinweis: Dieser Beitrag wird regelmäßig von Mitgliedern der Reise-Stories Redaktion wie Heiner Sieger, Gerhard Fuhrmann und Jupp Suttner auf Richtigkeit und Vollständigkeit geprüft. Falls Sie Anmerkungen zu diesem Beitrag haben, kontaktieren Sie bitte direkt hier die Redaktion.

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