Nach 19 Uhr wird es ruhig in Órzola ganz im Norden Lanzarotes. Wenigstens im Frühjahr. Vor den Kaimauern tobt der Atlantik: Wind und Wellen, Ebbe und Flut, das ewig gleiche Spiel. Die Fähre zur Nachbarinsel Graciosa macht sich zielsicher auf den Weg. Unbeirrt durch den Wellengang befördert sie Einheimische wie Touristen stündlich zwischen den Inseln hin und her.
Foto oben: Die Feierberge im Nationalpark Timanfaya
Aus einem schmalen Türspalt erklingt Gitarrenmusik. Einfache Melodien, Gedanken verloren und sinnierend. In den Restaurants leeren sich die Stühle. Ein paar Katzen sind noch unterwegs nach etwas Essbarem. Gerade das Nicht-Vorhandensein von spektakulärem Inselbetrieb zieht zahlreiche Touristen auf die die nördlichste der Insel der Kanaren.
Beim Landeanflug auf Lanzarote kommt einem braun-rot-schwarze Landschaft entgegen, sowie kegelförmige Ausbuchtungen, erloschener oder schlafender Vulkane, nur unterbrochen von weißen, Kubus ähnlichen Gebäudeansammlungen der wenigen Städtchen, die scheinbar willkürlich über die Insel verteilt sind. Da stellt sich einem schon die Frage: Wie kamen Menschen dazu, sich auf diesem öden Gelände eine Bleibe zu schaffen? Tatsächlich wurden die Kanaren, deren viertgrößte Insel Lanzarote ist, bereits 400 v. Christus wahrscheinlich von Berberstämmen aus dem Nordwesten Afrikas besiedelt.
Lava, Rauch und Asche
„Plötzlich tat sich bei Timanfaja die Erde auf, glutflüssige Lava ergoss sich gen Norden. In der winzig kurzen Zeit eines Wimpernschlags zerstörte die glühende Masse die Dörfer Maretas und Santa Catalina. Als sich der Himmel mit Asche und Rauch bedeckte und die Sonne verdunkelte, flohen die Bewohner von Yaiza“, wie es in seinem Tagebuch der Gemeindepfarrer von Yaiza Amires Lorenzo Curbelo am 1. Septembers 1730 festhielt. Sechs Jahre hielten die heftigen Ausbrüche an, die das Gesicht der Insel prägten. Ein Drittel des Archipels samt Dörfern und fruchtbarem Land lagen unter einer Lava-Decke die teilweise vier Meter dick war. Auf der anderen Seite vergrößerten die zerstörerischen Lavamassen die Inselfläche um ein Drittel.
Der Bus arbeitet sich langsam die schmale Straße durch den Nationalpark Timanfaya hinauf. Dabei muss er in den Kurven weit ausholen. Ein Blick in die Tiefe genügt den Adrenalinspiegel zu heben. Auch nach dem verheerenden Beben 1730 ruhte die Erde nicht. Der letzte Ausbruch erschütterte 1824 die Insel. Alte Öffnungen verschwanden, neue Schlote entstanden. Malpaís- schlechtes Land; besser könnte man die Mondlandschaft nicht beschreiben. Die Verwitterung schreitet nur langsam voran, zaghaft bildet sich neues Leben zwischen dem Geröll. Geblieben sind hohe Oberflächen-Temperaturen, verursacht durch eine Magma-Kammer in nur vier bis fünf Kilometer Tiefe. Bereits nach 13 Meter wird schon eine Temperatur von 610°Celsius gemessen. Spektakuläre Vorführungen verdeutlichen dies. In eine Vertiefung werden Grasbündel geworfen, die nach kürzester Zeit zu brennen beginnen. Nur wenige Stellen auf der Erde gewähren diesen Blick auf die Vorgänge im Erdinneren.
Die Lanzarotenos müssen fleißige Menschen gewesen sein. Anders lassen sich die vielen Steinmauern zur Stabilisierung ihrer Felder nicht erklären. Auch die geniale Idee Weinstöcke oder andere empfindliche Pflanzen in Stein-Rondells zu pflanzen, ließ sich nur mit viel Mühe verwirklichen. Jeder der aufeinander gestapelten Steine ging einmal durch Menschenhand. In der ungewöhnlichen Weinregion La Geria, direkt neben dem Nationalpark entstand eine außergewöhnliche Kulturlandschaft. Die halbrunden Steinmauern wehren die starken Winde ab. In der Kuhle sammelt sich kostbares Regenwasser. Die mit Lapilli, kleinsten Lava-Stückchen, abgedeckten Kreise speichern Wärme und Wasser. Wein aus der für die Insel typische Malvasia-Traube ist etwas Besonderes.
César Manrique und „das Paradies der Wenigen“
„Selbst im Badezimmer zeigt sich Manriques gestalterisches Können; die Verbindung von etwas Nützlichem mit Einbindung der Natur unter ästhetischen Gesichtspunkten,“ erklärt die Dame den Touristen. César Manrique prägte die Insel wie kein Anderer. Sein Wohnhaus im ruhig gelegenen Haria im Inselinneren ist eine wunderbare Kombination aus „moderner“ Architektur und bereits vorhandenen traditionellen Baustilen. Zahlreiche persönliche Gegenstände wie Kleidung, selbst gestaltete Lampen, Gemälde und sein Flügel vermitteln intensiv die Gedanken und Ideen des auf Lanzarote geborenen Künstlers, der die Insel aus ihrem Aschenputtel-Dasein holte.
Geboren 1919 in der Hauptstadt Arrecife stand César Manrique ein wechselhaftes Leben bevor. Beim Studium an der Kunstakademie in Madrid musste er sich als „Hinterwäldler“ behaupten. Er malte jedoch als einer der ersten spanischen Künstler abstrakte Bilder inspiriert von seiner Heimat. Im Jahr 1963 zog er nach New York, wo schon nach kurzer Zeit seine Gemälde von Joan Miró und Max Beckmann in der Galerie von Catherine Viviano hingen.
Zurück in Lanzarote durchstreifte er 1968 mit seinem Freund die Insel um Landschaft und mögliche Architektur zu dokumentieren. „Ich bin in diesem Land der Vulkane selbst ein Vulkan,“ zitieren ihn seine Biografen. Als Gegner des Massentourismus stellte er sich Folgendes vor: „ Ich hoffe nicht auf reiche, sondern auf neugierige, gebildete, empfindsame, kurzum auf kultivierte Touristen.“ Er träumte von einem Paradies der Wenigen.
Müll und Unrat häuften sich in den Höhlen des schwarzen Lavagesteins als Manrique eine der weltweit größten Vulkanblasenketten entdeckte. Da entstand ein Plan, den er mit Hilfe seines Freundes Pepin Ramírez, zur damaligen Zeit Präsident der Inselverwaltung, verwirklichen konnte. „Wenn du mir hilfst mache ich daraus einen der schönsten Plätze der Welt.“
Taro de Tahíche ist heute Sitz der Fundación César Manriques. Um Gäste anzulocken erdachte er Kunstbauten, die sich perfekt in die Landschaft einfügen. Hier begann er mit einem Gebäude, erbaut auf Lavablasen, die bei den Vulkanausbrüchen von 1730 entstanden. Wieder eine Symbiose aus moderner Architektur, die Gegebenheiten der Natur einbezieht. Die Vielseitigkeit des Künstlers zeigt sich auch in anderen Gebäuden und Einrichtungen. Von außen kaum erkennbar wegen seiner erdfarbenen Fassade ist Mirador del Río, ein Aussichtspunkt hoch in den Bergen mit verglasten Erkern. Von dort hat man nicht nur einen guten Blick auf die Nachbarinsel La Graciosa, sondern man entdeckt bei genauem Hinschauen in den Felsen auch die vor Jahrhunderten begehrte Ochilla-Flechte.
1966 fand die Eröffnung der Jameos del Agua statt, einer Grotte als Touristenattraktion: Von zwei Seiten offen, beinhaltet der hundert Meter lange Höhlenabschnitt einen kleinen See, in dem sich weiße Krebse tummeln. Am Höhlenausgang vermittelt ein Swimmingpool karibisches Flair, dahinter ein Gewölbe, in dem Konzerte stattfinden.
„Die Landschaft entdecken, ohne sie zu zerstören.“ Diese Vision Manriques ließ sich leider nicht verwirklichen. Obwohl viele Stellen auf der Insel seine Handschrift tragen, nahm die Entwicklung des Tourismus seinen Lauf. Den Bewohnern half er zu einem bescheidenen Wohlstand. Eines der wichtigsten Beschlüsse, die er erreichte war, dass Lanzarote 1993 von der UNESCO zum Biosphärenreservat erklärt wurde. Diesen Erfolg zu erleben war ihm nicht vergönnt. Dem arbeitsreiche Schaffen des Künstlers bereitete 1992 ein selbst verschuldeter Verkehrsunfall ein allzu frühes Ende.
Wieder rollt eine mächtige Welle heran. Diesmal muss es gelingen. Der Surfer paddelt kräftig um mit der Geschwindigkeit des Wasser Schritt zu halten. Dann steht er auf dem Brett und lässt sich stets ausbalancierend an Land tragen. Eine sportliche Herausforderung die rasches Reaktionsvermögen erfordert. Andere vertrauen sich mit einem Drachen Wind und Wellen an. Ein fantastisches Schauspiel. Der Playa de Famara ist bekannt unter Wassersportlern. Hier offerieren Surfschulen ihre Dienste. Das Hinterland bietet viele menschenleere Wanderwege. Der Großteil der Insel lebt von seiner Ursprünglichkeit. Die Entdecker, die Empfindsamen, die Neugierigen – man trifft sie in den Weiten wo Erdgeschichte hautnah zu erleben noch möglich ist.
Informationen:
Lanzarote wird von mehreren deutschen Flughäfen mehrmals wöchentlich angeflogen. Von der Ferienwohnung bis zu größeren Strandhotels gibt es alle Arten von Unterkünften. Allgemeines über die Insel findet sich unter www.spain.info
www.turismolanzarote.com/de
Reisebeispiel:
7 Übernachtungen im COOEE HD Pueblo Marinero (4 Sterne, direkt am Yachthafen gelegen) im Doppelzimmer inklusive HP, Preis pP ab € 287. Flüge können zu tagesaktuellen Preisen im Reisebüro dazu gebucht werden (z.B. TUIfly ab EUR 352 pro Person).
Näheres unter
www.dertour.de