Landpartien durch das Quercy und das Périgord im Südwesten Frankreichs
Von Norbert Linz (Text und Bild) ///
Bild oben: St-Cirq-Lapopie, eines der schönsten Dörfer Frankreichs
Wenn die Franzosen eine Region zu „la belle France“ rechnen, ist dies ein deutliches Insider-Kompliment! Die Départements Lot und Dordogne gehören mit ihren touristisch nicht so überlaufenen historischen Provinzen Quercy und Périgord unbedingt dazu. Diese zählen zu den reizvollsten Landschaften Frankreichs.
Weit schweift der Blick über nicht verbaute Natur, endlose Sonnenblumenfelder und Bauernhöfe aus goldfarbenem Kalkstein mit spitzen Schieferdächern. Taubentürmchen stehen verstreut in der Landschaft, viereckig oder rund, mit Flach- oder Satteldach. An den mäandrierenden Flussläufen liegen bezaubernde Dörfer, mittelalterliche Städtchen, verspielte Schlösschen. Auf den Kuppen lagern die malerischen Bastiden, planmäßig angelegte Wehrdörfer mit zentralem Marktplatz und schattigen Arkadengängen. Kurzum: eine Bilderbuchlandschaft!
Die deftige Landküche der Region ist beliebt bei Feinschmeckern: Trüffel und Entenstopfleber, Steinpilze und Ziegenkäse, Lamm und Ente. Dies alles bietet mittwochs und samstags der berühmte Markt auf der Place de la Liberté in Sarlat. Der 9000-Einwohner-Ort liegt unweit des Flusses Dordogne. Pittoresk das Gewirr von Gassen und Plätzen mit honigfarbenen Bürgerhäusern, mittelalterlichen Glockentürmen und stattlichen Renaissancepalais. Alles bestens restauriert. Filmregisseure wissen den Charme des schmucken Städtchens zu nutzen. Neues Wahrzeichen ist die Markthalle. Die ehemalige Kirche hat der Stararchitekt Jean Nouvel, ein Sohn der Stadt, mit gigantischen modisch grauen Toren und einem gläsernen Panorama-Aufzug zu einem Gourmet-Tempel umgestaltet.
Sarlat gelte als einer der schönsten Orte Frankreichs; aber nur außerhalb der Hochsaison, sagt Josephine Assmann. Die Romanistin, gebürtig vom Bodensee mit französischer Mutter, ist die Studiosus-Reiseleiterin. Sie hat die Landpartien in der Region mit ausgeheckt. Täglicher Ausgangspunkt ist das bei Saint Beauzeil zwischen Wald und Weinbergen gelegene „Château de l´Hoste“, ein gepflegtes Herrenhaus aus dem 17. Jahrhundert.
Auch wenn dieses kleine Hotel mit 29 Zimmern „nur“ drei Sterne besitzt, strahlt es doch komfortable Eleganz aus. Besitzer sind der Franzose Eric Trepp und seine Frau, die Deutschschweizerin Lisa. Sie führt zudem im Nachbardorf eine in der Region bekannte Galerie mit Werken zeitgenössischer Künstler. Mit deren Gemälden schmückt sie Speisesalon, Bibliothek und Bar und natürlich die Zimmer. Alle sind individuell eingerichtet, stilsicher farblich abgestimmt auf die Bilder.
Wenn es die Temperatur erlaubt, speist man abends vor dem Herrenhaus auf der Terrasse unter hundert Jahre alten Bäumen. Die anerkannt gute Küche zieht auch einheimische Gäste an. Chef de Cuisine ist seit vielen Jahren Guy Herauld, der seine Gäste täglich neu mit französischen Köstlichkeiten überrascht: als Hors d’œuvre etwa Ochsenschwanz-Salat mit Birne und Koreander, dazu violette Kartoffeln.
Dann gebratenes Perlhuhn, Chicorée-Creme mit mildem Knoblauch und Safran-Zucchini. Zum Nachtisch eine Tarte Tatin mit Mirabellen und Fruchtsorbet.
Bei dieser Fülle empfiehlt sich vor dem Essen ein „Schwumm“ im großen Pool im Park. Wenn dies nicht ein Programm ist nach dem Motto: wie Gott in Frankreich leben…
Geographisch fast um die Ecke von Saint Beauzeil thront auf einem Felssporn die wuchtige Burg Bonaguil. Nie wurde dieses Meisterwerk der Militärarchitektur mit seinen bis zu vier Meter dicken Mauern angegriffen, informiert Josephine. 40 Jahre hatte der Bau gedauert. Mit seinen zahlreichen Türmen, Zugbrücken und unterirdischen Gängen ist es die imposanteste Anlage in Frankreich. Der Wohnturm konnte in seiner stromlinienförmigen Gestalt der Artillerie besser widerstehen. Bei den 800 Stufen bis zur Aussichtsplattform kommt man ins Schnaufen. Der Lohn: ein herrlicher Blick auf die Täler und Wälder rund um den Fluss Lot.
Mit dem Kleinbus geht es auf Nebenstraßen weiter durch das Haut Quercy nach Norden zu den hängenden Gärten von Marqueyssac. Sie sind von ausländischen Touristenströmen noch weitgehend verschont. Die Kalkwände des Hochplateaus fallen hier 130 Meter fast senkrecht zur Dordogne ab. Zu bestaunen ist historische Gartenbaukunst mit Wasserfällen, Pavillons und einem Labyrinth aus über 150 000 akkurat zugeschnittenen Buchsbäumen: Es sind Kugeln, Kuben und viele amorphe Formen. Jean-Pierre, einer der fünf Gärtner, stutzt gerade mit einer Riesenschere eine geometrische Figur. Unser Motto, sagt er, lautet: Der Schnitt folgt dem Wuchs – so lenkt die Natur die Entwürfe. Liebevoll streichelt er über die gerade perfekt geglättete Fläche.
Rund um das ehemalige königliche Jagdschloss sind 22 Hektar mit sechs Kilometer Wegen zu betreuen. Ohne jede Menschenscheu stolzieren frei lebende Pfaue durch das Grün. Höhepunkt des Besuchs ist ganz oben der neu errichtete Aussichtspunkt „Belvedere“ mit einmaligem Panoramablick ins Périgord: auf das weite Tal, einige Schlösser und ganz nah, tief unten an einer engen Dorgogne-Schleife, das malerische Dorf La Roque-Gageac.
Eine halbe Autostunde östlich hängt an einer Steilklippe hoch über dem Alzou-Tal in drei Etagen völlig verschachtelt der seit Jahrhunderten äußerst beliebte Wallfahrtsort Rocamadour. Die schwindelerregende Szenerie mit Kirchtürmen und Steinkapellen unterhalb einer Burg ist laut Josephine einer der meistbesuchten Orte Frankreichs.
Rocamadour ist Namensgeber für einen bei Gourmets geschätzten Ziegenfrischkäse. Nördlich des Ortes kann man den Ziegenhof „La Borie d´Impert“ besichtigen. Marc und Sophie Vilard besitzen 450 Ziegen. Die junge Bäuerin führt durch die Produktionsstätten, wo im Jahr 31 Millionen Stück dieser kleinen runden Köstlichkeit hergestellt werden. Nach sechs Tagen in der Reifekammer kommen sie in den Verkauf. Dann zu den großzügig angelegten Ställen: Immer wieder krault Sophie ihre Leitziegen und meint schelmisch: die wollen das! Zum Schluss sitzen alle Besucher unterm Kakibaum vor dem Käseladen und verkosten den Käse in unterschiedlichen Reifegraden. Sahnig zerschmilzt der junge Käse auf der Zunge. Dazu wird Quinqui Noix gereicht, ein für die Regionen typischer Wein-Aperitif mit Walnusssaft.
In der Region finden sich zahlreiche Grotten mit prähistorischen Malereien. Viele sind aus konservatorischen Gründen geschlossen. In der Nähe von Cahors, dem Hauptort des Quercy, wurde 1922 die Grotte von Pech-Merle entdeckt. Bei ihr ist die tägliche Besucherzahl auf 700 begrenzt. Josephine hatte Karten vorbestellt. Wie Grotten-Führerin Audrey erklärt, schuf vor etwa 50 Millionen Jahren ein unterirdischer Fluss ein ausgedehntes Höhlensystem. Hier finden sich rund 500 Malereien, Zeichnungen und Ritzungen, die teilweise bis zu 20000 Jahre alt sind. In dem prächtigen Dekor der hängenden und stehenden Tropfsteine erläutert Audrey mit der Taschenlampe Mammuts und Bären, abstrakte Symbole und die stilisierte Silhouette von weiblichen Gestalten. Einzigartig ein vier Meter langer Fries mit gepunkteten Pferden: Der Künstler nutzte die Unebenheiten der Wand, um dem Bild einen dreidimensionalen Effekt zu geben. Beeindruckend und berührend der mit Rötelfarbe gesprühte Negativabdruck einer Hand. Ebenso in einem ausgetrockneten Bach die Fußspuren eines Kindes – sie sind zwölftausend Jahre alt!
Bei Cahors liegt hundert Meter über dem Lot eines der schönsten mittelalterlichen Dörfer Frankreichs: Saint-Cirq-Lapopie, mit nur 200 Einwohnern. Der Ort streckt sich in Stufen einen Kalksteinfelsen hoch. Mittelalter pur: Schmale Kopfsteinplaster-Gassen, teilweise schiefe Fachwerkhäuser, erkergeschmückt, mit steinernen Fensterkreuzen und Terrakottadächern, eine befestigte Kirche, Wachtürme und oben von der Burgruine ein spektakulärer Blick ins Lot-Tal.
Zwanzig Kilometer flussabwärts liegt in einer engen Schleife des Lot die im Mittelalter blühende Handelsmetropole Cahors. In dem von engen Gassen durchzogenen Altstadtviertel hatten in den oft pastellfarbenen Häusern mit Galerien und Fachwerk die reichen Händler gewohnt. Das Highlight ist die siebenbogige Pont Valentré. Sie gilt als eine der schönsten Wehrbrücken des Landes. Mit drei 40 Meter hohen Türmen war sie Teil der städtischen Festungsanlagen.
Den Namen der Stadt tragen die Cahors-Weine, die auf den Geländeterrassen des Lot wachsen: Bei einem Besuch im Château de Rouffiac nahe Duravel lässt sich mehr erfahren. Besitzer Philippe Ducoum (61) ist schon in fünfter Generation Winzer und brennt für seine Sache! Er bewirtschaftet 76 Hektar. Nach der Kellerbesichtigung gibt es im gepflegten Salon die Weinprobe. Tiefdunkle Rotweine werden kredenzt: körperreich, kraftvoll, mit gutem Tannin. Grundlage ist die Malbec-Traube. Monsieur Philippe traut seinen Weinen eine Lagerfähigkeit von bis zu 20 Jahren zu. Also dann: auf ein langes Leben!
Info:
de.france.fr/de/tal-der-dordogne
Diese Reise bietet Studiosus (smart & small) an: Südfrankreich, Urlaub im Schloss, 9 Tage, max. 15 Teilnehmer, HP, ab 2125 € p.P.;
www.studiosus.com/smart-and-small
Reiseführer zur Region, alle Auflagen von 2018:
Du Mont direkt: Dordogne, Perigord 120 S.; € 12,99.
Müller-Verlag: Midi-Pyrénées 430 S.; € 19.90.
Vis-à-Vis: Südwestfrankreich 320 S.; € 22,99.