VON JUPP SUTTNER /// Kultur oder Sex – über was lesen Sie lieber? Falls Sie nur an Sex interessiert sind, also daran, was es mit dem Orgasmus im Stubaital auf sich hat – dann scrollen Sie einfach zum ziemlichen Ende dieser Geschichte hinab. So wie Sie es in Vor-Internet-Zeiten auch mit gedruckten Büchern praktizierten, welche Sie einfach durch blätterten, um nach „Stellen“ zu suchen. Sollten Sie jedoch (auch) an Kultur interessiert sein, so lesen Sie diesen kleinen Bericht ganz von Anfang an. Sie haben die Wahl! Viel Vergnügen…
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ABGEFAHREN! Die Ski-Reporter von Reise-Stories.de unterwegs im Schnee. Jede Woche wieder! Um aktuell zu schildern, wie es auf den Pisten von ……. gerade aus sieht. Dieses Mal: So war es vom letzten Freitag, 17. Februar bis Sonntag, 19. Februar 2017, im Tiroler Stubaital in Österreich.
Foto oben:
GAIA-Ski-Demonstration bei der Premiere am 17. Februar 2017 in Milders bei Neustift/Tirol. Copyright: www.guentheregger.at
Fotocredit & Copyright aller anderen Fotos dieses Reports, falls nicht anders gekennzeichnet:
Jupp Suttner. Sämtliche Bilder wurden aufgenommen am 18. Februar 2017 (Stubaier Gletscher) bzw. 19. Februar 2017 (Skizentrum Schlick 2000).
Text:
Jupp Suttner
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Freitagabend. Plötzlich weht ein Hauch von James Bond durch die Nacht. Die Skifahrer tragen weithin leuchtende Bekleidung und schweben zu acht den dunklen Hang hinab. In dichter Formation. Schwung um Schwung. Eng an eng. Ästhetik pur. Als plötzlich ein Skidoo, eine Art Motorrad mit Kufen, nach oben rast – mitten auf die Gruppe zu! Die Zuschauer schreien entsetzt auf. Der Bösewicht vollführt Vollgas – gleich wird es ein Blutbad setzen! Doch im letzten Moment stieben die Skifahrer zur Seite. Das motorisierte Gefährt schießt geradeaus ins Leere – alles gut gegangen! Für die Guten. In diesem Fall gespielt von einheimischen Skilehrern des Stubaitals.
Es war dies die heißeste Szene anlässlich der Premiere von „GAIA – Stubai Mutter Erde“, eines Events, das am kommenden Freitag, 24. Februar 2017, erneut in Milders bei Neustift/Tirol aufgeführt wird. Das Spektakel, welches angeblich 250 000 Euro Produktionskosten erforderte, versteht sich als (Pressetext:) „völlig neuartige Performance aus Ski, Tanz, Musik, Show und multimedialem 3D-Mapping“, bei der Regisseur Enrique Gasa Valga im Zuge der „Koordination von Tänzern, Skifahrern, Pferden, Statisten und Technik einen unglaublichen Kraftakt vollbringen musste.“ Schließlich sei „das Thema gleichermaßen universal brisant wie regional relevant.“ Denn es gehe in dem „Epos um die Erdmutter GAIA und deren Kampf gegen Hass und Zerstörung“, die Inszenierung verstehe sich als „Appell, die Schönheit und Vielfalt der Natur und damit einhergehend die Freiheit jedes einzelnen Menschen zu schützen und zu bewahren“.
Nach der Show am Würstlstand. Zwei Einheimische.
Der eine: „Und?“
Der andere:
„Jaaa.“ (Den Kopf abwägend nach links und rechts drehend.)
„Jaaa.“ (Mit den Schultern zuckend.)
„Jaaa.“ (Die Mundwinkel herab ziehend.)
Ein Dialog der Polt’schen Art, der in stringenter Kürze mehr aus drückt als tausend Worte. Die drei „Jaaa“s könnte man am besten so übersetzen:
Ganz nett.
Muss aber net sein.
45 Euro Eintritt ist schon ein Haufen Geld für so etwas.
In der Tat: Wer ohnehin gerade seinen Skiurlaub im Stubaital verbringt – wird sich das Stück vielleicht als hübsche Abwechslung zu Gemüte führen. Aber extra der Aufführung wegen aus München, Salzburg oder Sonstwoher an reisen? Eine Empfehlung dieser Art, fürchten wir, könnte zu etlichen Beschwerden von Reise-Stories.de-Leser(inne)n an die Redaktion führen. Denn:
Zu Vieles wirkt noch unausgegoren. Zum Beispiel die Sicht (es existieren nur Stehplätze):
Wer nicht über 2,20 Meter misst, wird meist nur den Hinterkopf des Vordermannes erblicken.
Wer weit vorne steht, bekommt zwar (jedoch nur, wenn groß genug) mit, was für wunderbare Ballett-, Eiskunstlauf- und Kopulationsfiguren (Fuck the Earth?) die Tanzpaare vollführen. Erkennt dafür nur schwer, was sich am daneben liegenden Skihang alles tut.
Und wer weiter oben steht, besitzt zwar die Gesamt-Übersicht – erblickt jedoch kaum mehr, was sich auf der nunmehr weit entfernten Tanzbühne tut.
Abhilfe schüfe sicher eine Erhöhung der Bühne um ein ganzes Stockwerk – sowie die Installation einer Video-Wall. Technische Details dies, die ja vielleicht 2018 zum Tragen kommen, denn GAIA soll zum Dauerbrenner geraten – wie etwa das Open Air-Event „Hannibal“ im Ötztal. Das stets fast ausverkauft ist. Bei der GAIA-Premiere wurden 2.200 Tickets im Vorverkauf abgesetzt, so Insider, wie viele sich zusätzlich noch via Tageskasse hinzu gesellten, wurde nicht verlautbart.
Was so gut wie allen Zuschauer(inne)n gefiel: die Musik – eine Mischung aus Oper und Moderne.
Und die Handlung?
„I hobs net verstanden“, so ein Betrachter zu seiner Frau.
„Do brauchst nix versteh“, so die Gattin, „das ist Tanz – das muscht Du FÜÜÜÜH-LEN!“
„Aber wos is, wenn i nix fühl?“
„Ah – Du fühlst ja NIEEEE was!“
Mit einer Art GAIAwally oder gar der GAILTALERIN im Mittelpunkt der Aufführung wäre der Nichtfühler vermutlich etwas leichter in die Welt der Fühlenden vorgedrungen.
45 Euro für rund 45 Minuten – wie gesagt, mmmmh… 46 Euro hingegen für den Tagesskipass tags darauf am Stubaier Gletscher: jeden einzelnen Cent wert! Sonne, Pulverschnee – ein Traum! Auch off-pist.
Dazu die neue 3S-Eisgratbahn – Komfort pur. Wenn Schifoan nicht so schön wäre, würde man am liebsten mit dieser Gondel dauernd bergauf und wieder bergab fahren.
Dazu – es war Samstag – kaum Menschen auf der Piste! Der berühmte Wechseltag. Die nächsten beiden Wochen jedoch mit Faschings-Ferien allerorten wird die Ruhe am Gletscher eine Illusion sein.
Weshalb wir jenen Samstag genießen bis ins letzte Fitzelchen. Martin, unser Ski-Guide: „So einen Tag wie heute gab es noch nicht allzu oft in diesem Winter“. Dann deutet er Richtung Ötztal hinüber:
„Wisst ihr, warum das Ötztal so schön ist?“
Und erteilt auch gleich die Antwort:
„Weil man von dort aus das Stubaital so gut sehen kann…“
Wobei die Ötztaler in diesen Tagen das Stubaital ganz besonders im Visier haben werden. Um zu eruieren – ob GAIA eine Gefahr für ihren HANNIBAL werden könnte.
Tags darauf, am Sonntag – der nächste Kaiserwetterskitraumtag. Dieses Mal im zweitgrößten Pistengebiet des Stubaitals, dem Skizentrum Schlick 2000 bei Fulpmes. Ein absolut rassiges Areal (Tagesskipass 37,50 Euro) mit 21 Pisten-Kilometern – davon 3 km schwarz (schwierig), 6 km rot (mittelschwer) und 12 km blau (leicht).
Fulpmes ist berühmt für die Fertigung von Schmiedewerkzeugen. Zum Beispiel wurde hier der Eispickel gefertigt, mit dem der russische Weltrevolutionär Leo Trotzki 1940 in seinem Exil in Mexiko erschlagen wurde.
Das letzte Mal bewegten wir uns vor elf Jahren hier. Und erinnern uns noch genau an die Antwort des Hüttenwirts, als wir nach dem „absoluten Drink der Saison“ fragten. Sie kam wie aus der Pistole geschossen: „Der Orgasmus!“ Kostete 2,60 Euro und wurde beworben als „höchster Orgasmus von Tirol“. Ein Höhepunkt des Après-Sk-Betriebs.
Und dieses Mal? Fanden wir ihn nirgendwo mehr angeschrieben, den O., dem wohl nur eine kurze Laufzeit beschieden war. Längst schließlich gilt das Stubaital als absolute Familien-Region. Nicht etwa moralischer Erwägungen wegen – sondern einer kühl kalkulierten Marketing-Strategie folgend: Ischgl und Sölden hatten im letzten Jahrhundert gewaltig mit exzessivem Apès-Ski-Treiben reüssiert – also musste das Stubaital sich anderweitig positionieren. Und ein Hotelier freut sich:
„Ich habe noch keine einzige nackerte Frau bei uns im Tal gesehen und auch keine nackerten Männer!“ Und die nackten Ansichten, die ihm noch nie zu Gesicht gekommen sind, meint er nicht privat, sondern ausschließlich geschäftlich: „Natürlich haben wir im Stubaital auch einen heißen Après-Ski-Betrieb. Denn egal, ob man das abstoßend findet oder nicht – die Leute wollen das! Aber bei uns artet es nicht aus!“
Kleine Frivolitäten und Frechheiten bieten nur noch manche Skilehrer.
Jener von gestern auf dem Gletscher: „Wenn es steil wird – da muss man einfach durch. Wie daheim.“
Jener von heute, zu den Skifahrerinnen der Gruppe: „Ladies – ich stehe euch gerne zur Verfügung. Und hoffe, euren Ansprüchen gerecht zu werden.“
Aber ein Orgasmus? Nirgendwo mehr. Was hat ihn abgelöst, ist an seine Stelle getreten als Drink der Saison? Ein Schlicker Hüttenwirt: „Der Bombardino!“.
Eierlikör mit Rum, heißer Milch, Schlagsahne und Zucker – 4 Euro.
Den Orgasmus hingegen muss man sich im Stubaital inzwischen wohl selbst mixen. Was Sie dazu benötigen? Bailey’s Irish Cream und Sahne. Dazu Sambuca oder Brandy. Sie haben die Wahl.
Wie beim Lesen.
Jupp Suttner
DETAILS:
Das Stubaital in Tirol liegt nahe der Landeshauptstadt Innsbruck und ist über die Brennerautobahn aus zu erreichen. Es ist 35 Kilometer lang und umgeben von 80 Gletschern und 109 Dreitausendern. Seine fünf Dörfer: Neustift, Fulpmes, Telfes, Mieders und Schönberg.
Am Talende liegt der Stubaier Gletscher, das größte Gletscherskigebiet Österreichs (38 Pisten-km laut Ski-Resort.de, davon 4 km schwarz/schwer, 15 km rot/mittel und 19 km blau/leicht sowie 21 km Skirouten). Der Stubaier Gletscher bietet Schneesicherheit von Oktober bis Juni. Seit Ende Oktober 2016 bringt die hochmoderne 3S Eisgratbahn mit neuer Talstation, erneuerter Mittel- und Bergstation knapp 3.000 Personen pro Stunde auf 2.900 Meter Höhe.
Das Stubaital wurde bereits mehrfach als „familienfreundlichstes Skigebiet der Alpen“ ausgezeichnet. Mit dem Skizentrum Schlick 2000 in Fulpmes, dem Familienskigebiet Serlesbahnen in Mieders sowie der Elferbergbahn in Neustift offeriert es drei weitere Arenen.
Unterkunftsmöglichkeiten: Ein Fünf-Sterne-Hotel, drei Vier-Sterne-S-Hotels, 33 Vier-Sterne-Domizile, zwei Drei-Sterne-S-Hotels, 39 Drei-Sterne-Häuser mit hohem Standard und rund 4.700 Betten in Ferienwohnungen und Pensionen sowie traditionellen Bauernhöfen und drei Campingplätzen.
Infos über GAIA: www.stubai.at/gaia/ , www.gaia-stubai.com
Infos über die erwähnten Skigebiete: www.stubaier-gletscher.com , www.stubai.at/skigebiete/schlick2000/skigebiet/
Infos über die Region: www.stubai.at , www.innsbruck.at , www.tirol.at
Infos über das Land: www.austria.info
Was Reise-Stories.de bereits vorher über das Stubaital schrieb: