Die früheren Königreiche Kastilien und León waren im Mittelalter Schauplatz der Kämpfe gegen die von Nordafrika in den Süden der Iberischen Halbinsel eindringenden Mauren. Romanische Klöster, gotische Kathedralen und stolze Burgen erinnern an jene Zeiten. Viele Bauwerke lassen arabischen Einfluss erkennen.
Von Elke Backert
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Gewaltig ist die romanische Stiftskirche Santa Maria La Mayor in Toro, begonnen 1160 und im 13. Jahrhundert beendet
Die immense flache Hochebene des heutigen Kastilien-León wird von Ost nach West vom Duero durchflossen, dem „Vater“ Kastiliens, und von hohen, schneebedeckten Bergen umgeben. Schwarze Stiere und riesige Gesteinsbrocken beleben ockergelben Grund vor dunklen Eichenwäldern. Harte Feldarbeit in heißen Sommern und lange kalte Winter haben die Kastilianer geprägt, weshalb man ihnen nachsagt, sie seien abweisend und unfreundlich. Kaum Ansiedlungen, und doch ragt eine mächtige Kirche aus dem Nichts, nur weil ihr Baumeister es dem gigantischen Kloster El Escorial gleich tun wollte.
Sind Sie ein Kirchen-Fan?
Dann müssen Sie Salamanca, Zamora, Toro, Avila und Segovia besuchen.
Salamanca, im Spanischen Bürgerkrieg Residenz von General Franco, ist die Hauptstadt der gleichnamigen Provinz im Westen Spaniens, die an die Extremadura und an Portugal grenzt. Die Stadt am Fluss Tormes, 802 Meter über dem Meeresspiegel, empfängt den Reisenden mit einer Brücke aus der Römerzeit, unzählige Türme kündigen grandiose Bauwerke an.
Salamanca zählt so viele alte Kirchen, dass man getrost das Seitenschiff einer Vorstadt-Kirche zum Wohnhaus ausbauen konnte. Klug genug aber waren die Domherren des 16. Jahrhunderts, als sie eine neue Kathedrale errichten ließen. Sie rissen die alte romanische nicht etwa ab, sie fügten ganz einfach die neue an. Hat man das Hauptschiff der „neuen“ (von 1509) durchquert, gelangt man in die alte aus dem 12. Jahrhundert. Allein der Hochaltar mit seinen 53 vergoldeten Tafeln aus dem Leben Christi und der Jungfrau Maria und die ungewöhnlichen bemalten Sarkophag-Nischen verschlagen einem den Atem.
Die Realität holt einen in der Kapelle der heiligen Barbara ein. Dort nämlich erfährt man, warum die Füße des Bischofs Lucero auf seinem Sarkophag so stark abgegriffen sind: Seit Jahrhunderten suchten ihn die Studenten der nahen Universität heim und erbaten von ihm, seine Füße reibend, Weisheit für ihre Examina.
Das kunstvoll dekorierte Portal der Alten Universität (um 1525) dürfte bestes Beispiel für den plateresken Stil sein, jenen Bau- und Dekorationsstil der spanischen Frührenaissance, der Elemente aus Spätgotik und maurischem Mudéjarstil vermischt und das Ganze filigran wirken lässt, als sei es aus Silber geschmiedet oder aus Spitze geklöppelt.
Finden Sie unter den Figuren den Totenkopf mit dem Frosch, und Sie kehren hierher zurück! Wie ein Theater mutet der Innenhof an, dessen Säulen durch „Vorhänge“ miteinander verbunden sind.
Neben den Kirchen sind es die Paläste, alle aus warmem, durch seine Schattierungen lebendig wirkenden Sandstein gebaut, die Salamanca zu einem einzigartigen „Museum der Renaissance“ machen: der „Palacio de La Salina o de Fonseca“, den ein Bischof für seine Mätresse hat errichten lassen, der „Palacio Monterrey“, Residenz der mächtigen Herzöge von Alba und wohl prächtigstes Beispiel der zivilen Baukunst der Renaissance, oder die „Casa de las Conchas“, ein Palast, dessen Fassade mit 400 Jakobsmuscheln bestückt ist, dem Symbol des heiligen Jakobus.
Nicht zu vergessen die Plaza Mayor, die, obwohl Spanien eine Menge solcher grandioser Plätze besitzt, in ihrer barocken Größe als schönste Spaniens gilt.
Lust auf weitere Kirchen, schmuckvolle Türme, Klöster? San Martin, San Isídro, Kloster Las Duenas, Kloster von St. Stephan, Clavero-Turm, Turm der Clerecía, Hahnenturm. Doch zuerst sollten Sie zu Mittag essen. Das tut man in Spanien ausgiebig, auf dem Lande wie in der Stadt. Schon die Vorspeisen sättigen gewaltig: Blutwurst, gebraten, scharf, köstlich. Prenados heißen die in birnenförmigen Brotteig gehüllten Chorrizowürste, mild oder scharf. Und immer wieder Schinken. Würziges Lamm, Zicklein, Spanferkel, Hahn und Täubchen zählen zu den Hauptgerichten.
Halt! Weitere Städte warten auf Ihren Besuch. Zamora beispielsweise, die Hauptstadt der gleichnamigen Provinz, am Duero-Fluss gelegen und nicht weit von Salamanca entfernt. Übernachten Sie in einem Palast aus dem 15. Jahrhundert. Als Parador bietet er alle Annehmlichkeiten des 21. Jahrhunderts.
Ist die Altstadt Zamoras ein „Museum der Romanik“, reihen sich in der langen, belebten Einkaufsstraße Jugendstil-Häuser mit Glaserkern aneinander, eine Fassade verspielter als die andere. Mittendrin die Kirche Santiago del Burgo, die wegen ihrer Schlichtheit einen tiefen Eindruck hinterlässt.
Wer spanische Prozessionen in der Karwoche miterleben möchte, sollte das hier tun, wenn lebensgroße Passions-Bilder und Umzugswagen mit Skulpturen-Gruppen wie „Kreuzigung“ und „Grablegung“, zuvor im Museum der Kathedrale ausgestellt, feierlich durch die Straßen getragen und gerollt werden.
Zwölf Stunden gar dauert die nächtliche Karfreitags-Prozession im nahen Toro, einer kleinen Stadt, die großenteils unter Denkmalschutz steht. In der romanischen Kathedrale „Santa Maria La Mayor“ gibt die von einem Anonymus im Caravaggio-Stil gemalte „Virgen de la mosca“ Rätsel auf: Auf dem roten Umhang der Jungfrau Maria hockt – ganz weltlich – eine Fliege!
Toro ist auch Mittelpunkt der „Tierra del Vino“, des Weinlandes, dessen edlen Rebensaft schon der Dichter Cervantes erwähnte. Typisch für die Häuser aus getrocknetem Backstein sind große Einfahrtstore mit kleinen Türen, wie man sie aus den Agrarregionen Deutschlands kennt. Eine Öffnung in der Straße vor dem Haus rührt aus arabischer Zeit, als man die Trauben durch das Loch direkt in den Weinkeller schüttete. Fast jedes Haus in Toro besitzt – oft 30 Meter unter der Erde – einen Weinkeller, sogar das Rathaus.
Info:
www.spain.info/de
Fotos Elke Backert
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