Karlsruhe? Ist das nicht der Ort, wo sich Bundesgerichtshof und Bundesverfassungsgericht befinden? Na klar, und darüber hinaus ist die zweitgrößte Stadt Baden-Württembergs einer der bedeutendsten europäischen Standorte von Informations- und Kommunikationstechnik. Was aber in diesem Jahr viel wichtiger für sie ist, ist das Jahr ihrer Entstehung. Und das wird nun mit über 500 Veranstaltungen drei Monate lang gefeiert.
Von Elke Backert
Foto oben: Die Fächerstadt Karlsruhe
Am 17. Juni geht`s los. Das ist der Tag vor 300 Jahren, also 1715, als Markgraf Karl Wilhelm die Regierung des kleinen Landes Baden übernahm – und, ganz absolutistischer Herrscher, mit dem Bau eines Schlosses im Hardtwald der Oberrhein-Ebene begann. Die Residenz der Markgrafen, die Karlsburg im heutigen Stadtteil Durlach, war 1689 durch Ludwig XIV. zerstört worden. Parallel zum Bau der Schlossanlagen hatte der Markgraf in einem Privilegienbrief Siedler von überallher gerufen, sich „bey und neben dem neu-erbauenden Lust-Hauß Carols Ruhe“ niederzulassen. Der Privilegienbrief war für die damalige Zeit beispiellos, ermöglichte er doch den Bürgern der Stadt weitreichende Freiheiten und Vergünstigungen wie Religionsfreiheit, keine Leibeigenschaft weder für sie noch ihre Nachkommen, ein unentgeltliches Grundstück für jeden, 20 Jahre Steuerfreiheit und vieles mehr. Damit begann die Geschichte von Karlsruhe, einer Immigrantenstadt.
Charakteristisch für den ursprünglichen Stadtplan sind die 32 ringsum vom Schloss fächerförmig in die Parkanlagen und den Hardtwald ausstrahlenden Straßen, weshalb man von einer Fächerstadt spricht.
Das „Lust-Hauß Carols Ruhe“ deutet bereits auf einen lüsternen Karl Wilhelm hin. Er war nicht nur der Stadtgründer, er war auch ein Tulpenliebhaber und Casanova. Obwohl er mit Magdalene Wilhelmine verheiratet war und mit ihr drei Kinder hatte, soll er mit all seinen 86 Hofsängerinnen, Tulpenmädchen genannt, Techtelmechtel gehabt haben. Über die Liaison mit der 19jährigen Geliebten Eberhardine von und zu Massenbach (1690-1764) weiß man Näheres. Der „Serenissimo”, wie er sich ansprechen ließ, bittet Besucher persönlich in seine einem barocken Theater nachempfundenen Räume des Schlosses, um ihnen Einblick in sein Leben, sein Lieben und seine „Gefühlsnöte“ zu geben.
Wie das Schloss im Zentrum der Stadtgründung steht, so steht es auch im Zentrum des Stadtgeburtstags mit Eröffnungskonzert und großem Finale am 26. September 2015.
Wer viel Zeit mitbringt, sollte sich zudem die ständige Ausstellung im Landesmuseum, also im Schloss, ansehen, man kann nur staunen über die unglaubliche Vielfalt an Preziosen.
„Ich dulde nichts in meinem Cabinet, das nicht perfekt ist.“ Diesen Ausspruch schreibt man der Markgräfin Karoline Luise von Baden (1723-1783) zu, der „Meister-Sammlerin“, die auch selbst – schon als Zehnjährige – malte und zeichnete. 1751 kam sie nach Karlsruhe. Ihre über 200 Sammelstücke, niederländische Malerei des 17. und französische Gemälde des 18. Jahrhunderts, aber auch ungewöhnliches Meißner Porzellan, etwa mit Insektendekor, sind in der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe ausgestellt. Auch der kostbare Sekretär des berühmten Möbelschreiners Abraham Roentgen, an dem sie ihre Korrespondenz erledigte, etwa mit dem französischen Philosophen und Schriftsteller Voltaire.
Damit nicht genug der Ausstellungen. Die Städtische Galerie widmet sich dem Stadtarchitekten Friedrich Weinbrenner (1766-1826). Wie kein anderer hat dieser Baumeister des Klassizismus das Stadtbild von Karlsruhe bis heute geprägt. Schade nur, dass derzeit Baustellen über Baustellen viel Schönes verstecken, ja unzugänglich machen. Sie sind jedoch ein Muss, denn die außergewöhnlich zahlreichen Straßenbahnen müssen dringend unter die Erde verlegt werden, will man denn lebend die Straße überqueren.
Ein ganz neues Kunstereignis im digitalen Zeitalter präsentiert das ZKM, das Zentrum für Kunst undMedientechnologie, mit der GLOBALE. Wird sie das i-Tüpfelchen oder bleibt sie geheimnisvoll? Nur soviel, ich zitiere die Macher: „Die Globalisierung und die digitale Revolution verändern die Welt. Die polyphone, multipolare Manifestation GLOBALE, Labor und Akademie zugleich, zeigt mit Ausstellungen, Konzerten, Performances und Symposien die entscheidenden künstlerischen, sozialen und wissenschaftlichen Tendenzen des 21. Jahrhunderts.“
Vielleicht sollte man zum Abschluss noch an die großen Karlsruher Erfinder erinnern: Carl Benz, Erfinder des Automobils, und Freiherr Drais von Sauerbronn, Erfinder des Fahrrad-Vorläufers, der Draisine. Die Stadt würdigt ihre bekannten Söhne mit einem Oldtimer-Korso und einem Draisinen-Rennen.
Info:
ka300.de
karlsruhe-tourismus.de/Stadtgeburtstag-2015
Fotos Elke Backert