Im Herzen Kalabriens bewahrt das Weingut Librandi nicht nur die Schönheit der Landschaft, sondern auch die Vielfalt fast vergessener Rebsorten. Bei Cirò, wo das Ionische Meer auf die Hügel Kalabriens trifft, wächst mehr als nur Wein. Winzer Paolo Librandi und Weinforscherin Dr. Anna Schneider erwecken hier alte Sorten zu neuem Leben – und zeigen, wie Wissenschaft und Tradition zu einzigartigen Weinen verschmelzen.
Im sanften Licht des frühen Abends, wenn die Schatten über den langgezogenen Rebzeilen von Cirò Marina länger werden und ein Hauch von Lavendel durch die Luft zieht, zeigt sich das Weingut Librandi in Kalabrien von seiner schönsten Seite. Hier, im Hinterland des Ionischen Meeres, wo die Hügel sanft zum Wasser abfallen und die Landschaft von Olivenbäumen, Zypressen und uralten Weinbergen geprägt ist, schlägt das Herz Kalabriens. Es ist ein Ort, an dem Geschichte, Leidenschaft und Innovation zu einem einzigartigen Weinuniversum verschmelzen.
Im Weinkeller führt Paolo, mit der Abfüllung von zwei Millionen Flaschen einer der größten Winzer der Region, seine erlesenen Weine vor. Im Showroom mit angeschlossenem Museum, das sein Vater, Professor Nicolo Librandi aufgebaut hatte, erfahren die Besucher viel Wissenswertes über Geschichte und Tradition des Weinbaues der Region.
„Wein war hier in Kalabrien immer Nahrungsmittel und viele Familien haben ihren eigenen Wein produziert, sehr süß und mit mehr Alkohol als heute“, so der Winzer. Im angeschlossenen Restaurant verwöhnen anschließend heimische Köche die Gäste mit kalabrischen Köstlichkeiten – die im weitläufigen Garten besonders gut munden.
Die Seele Kalabriens im Glas
Seit mehr als 70 Jahren führt die Familie Librandi das Weingut mit Hingabe und Weitblick. Paolo Librandi, der das Haus gemeinsam mit seinem Bruder Raffaele und seinen Cousins in vierter Generation leitet, ist sich der Verantwortung bewusst, die dieses Erbe mit sich bringt.
Die Weine von Librandi sind geprägt von der außergewöhnlichen Biodiversität der Region: Von den salzigen Brisen des Meeres bis zu den kühlen Höhenlagen der Sila-Berge, wo der Camigliatello auf 2300 Metern über dem Meeresspiegel liegt, erstrecken sich die Weingärten. „Das ist eines unserer größten Assets“, betont Paolo Librandi, „und und das andere ist die große historische Varianz.“ Heute entstehen bei Librandi moderne, mineralische Weine, die sowohl zum Essen als auch zum puren Genuss passen – „komplex, modern und harmonisch“, wie Paolo es beschreibt.
Forschung als Leidenschaft: Die Zusammenarbeit mit Dr. Anna Schneider
Doch Librandi ist weit mehr als nur ein traditionsreiches Weingut. Es ist ein Ort der Forschung und Innovation. Seit mehr als 20 Jahren arbeitet Paolo Librandi eng mit Dr. Anna Schneider zusammen, einer der renommiertesten Ampelografinnen Italiens. Schneider lehrte über 34 Jahre Ampelografie an der Universität Turin und war Gastdozentin für internationale Weinstudiengänge. Sie ist bekannt für ihre Leidenschaft, komplexe Familienbäume von Rebsorten aufzudecken und hat sich der Identifikation, Katalogisierung und genetischen Analyse autochthoner Rebsorten verschrieben.
Durch die Wiederentdeckung und Erforschung alter, oft robuster Rebsorten schafft Dr. Anna Schneider die wissenschaftliche Basis für die Entwicklung von Rebsorten, die mit den Herausforderungen des Klimawandels – wie Hitze, Trockenheit und neue Krankheiten – besser umgehen können. Ihre Arbeit hilft Winzern, ihr Sortiment zukunftssicher zu machen und die Weinvielfalt Europas zu erhalten. Der Gaglioppo etwa, das Flaggschiff der Weine Kalabriens, wird hier seit mindestens 1500 Jahren angebaut und ist daher sehr widerstandsfähig gegen klimatische Schwankungen und Unwetter.
„Wir haben hier in unserem wissenschaftlichen Weingarten 2700 Weinpflanzen mit mehr als 200 verschiedenen Varietäten“, erzählt Paolo stolz. Die Vielfalt ist nicht nur ein Schatz, von dem nur wenige wissen, sondern auch ein Versprechen für die Zukunft – und natürlich ein Spiegel der kalabrischen Identität.
So kamen in Kalabrien alte Rebsorten zurück in die Weinberge
Gemeinsam mit Dr.Anna Schneider hat Paolo Librandi zahlreichen, fast vergessenen Rebsorten wie Mantonico und Magliocco zur Renaissance verholfen, sprich intensiv erforscht und zurück in die Weinberge gebracht. „Wir wollen vergessene Reben zu neuem Leben erwecken“, sagt Paolo Librandi. Dank klassischer Ampelografie und moderner DNA-Analysen konnten sie belegen, welche Sorten einzigartig sind und welche das Potenzial haben, den Herausforderungen des Klimawandels zu trotzen. Die Reben Mantonico und Malliocco, die waren fast ausgestorben, weil sie weniger ergiebig waren“, erzählt Paolo Librandi. „Wir haben dann andere, hochwertigere Weine, auch Süßweine, daraus produziert, die eine bessere Wirtschaftlichkeit hatten. Wir investieren hier also in die Zukunftsfähigkeit unsere Weine und der gesamten Region.“
Schneider hat zahlreiche, teils obskure Rebsorten identifiziert und deren genetische Beziehungen entschlüsselt. So konnte sie etwa nachweisen, dass Rossese aus Ligurien mit dem französischen Tibouren identisch ist, oder dass Mantonico Bianco aus Kalabrien nicht mit Mantonico Bianco aus anderen Regionen Italiens verwandt ist. Ihre Forschung hat auch zur Klärung von Sortenverwandtschaften beigetragen, etwa bei Nebbiolo und Nebbiolo Rosé, die lange für eine Sorte gehalten wurden, tatsächlich aber genetisch unterschiedlich sind – ein Beispiel für die Komplexität und Individualität der kalabrischen Reben.
Dr. Schneider betont, wie wichtig es ist, sowohl klassische Methoden – das genaue Beobachten von Blattform, Trieben und Trauben – als auch moderne Genetik zu nutzen, um die wahre Identität der Sorten zu entschlüsseln. Ihre Leidenschaft für die Vielfalt der Rebe und ihre Fähigkeit, wissenschaftliche Erkenntnisse anschaulich zu vermitteln, machen sie zu einer Schlüsselfigur in der internationalen Weinforschung. Auch nach ihrem offiziellen Ruhestand ist sie für Librandi aktiv und präsentiert ihre Ergebnisse regelmäßig auf internationalen Kongressen.
Tradition, Innovation und Nachhaltigkeit in Kalabrien
Das Weingut Librandi verbindet Tradition und Innovation auf einzigartige Weise. Es war das erste kalabrische Weingut, das von der renommierten Weinführung Gambero Rosso mit „Tre Bicchieri“ ausgezeichnet wurde – ein Symbol für Spitzenqualität. Die Familie Librandi setzt auf nachhaltige Anbaumethoden und modernste Technik, ohne die Wurzeln im regionalen Terroir zu verlieren – ein seltener Dreiklang, der die Weine besonders authentisch macht.
Die Weine sind international in mehr als 20 Ländern gefragt, rund zwei Millionen Flaschen pro Jahr verlassen die Kellerei, 20 Prozent davon gehen nach Deutschland – ein Markt, der Paolo Librandi besonders am Herzen liegt, weil sein Vater die Liebe zu deutscher Kultur und Lebensart schon in den 1970er Jahren entdeckte. Trotz der eher kleinen Region Kalabrien genießen Librandi-Weine weltweit Anerkennung und sind in vielen Spitzenrestaurants und Weinshops zu finden.
Librandi – ein Erlebnis für alle Sinne
Ein Besuch bei Librandi ist denn auch mehr als eine Weinprobe – es ist ein Eintauchen in die Seele Kalabriens. Neben den Weinen werden regionale Spezialitäten serviert, die perfekt auf die Charaktere der Weine abgestimmt sind. Die Gäste erleben hier hautnah, wie eng Wein, Landschaft und Küche miteinander verwoben sind – und wie viel Geschichte und Zukunft in jedem Glas Librandi steckt.
Das Weingut Librandi ist ein Ort, an dem die Vergangenheit bewahrt, die Zukunft gestaltet und gleichzeitig das Jetzt mit allen Sinnen genossen wird. Dank der Zusammenarbeit mit Dr. Anna Schneider und der Leidenschaft der Familie Librandi lebt die Vielfalt Kalabriens im Glas weiter – und schenkt Weinliebhabern weltweit ein Stück authentischer italienischer Genusskultur.
