Kaffeehaus-Literaten, große Musiker und starke Frauen

 

Im Hotel Beethoven am Naschmarkt erzählt jedes Stockwerk ein Stück Wiener Kulturgeschichte

Eigentlich sollte sie Pianistin werden. Doch mit 18 Jahren, kurz nach dem Abitur, spürte sie, dies sei nicht das Richtige. Als sie ihre Mutter, selbst eine großartige Pianistin, informierte, fiel die aus allen Wolken. “Mein liebes Kind, so kurz nach der Matura vor der Übertrittsprüfung zum Musikstudium. Das kann doch nicht sein.” Doch Barbara Ludwig sah – sehr zum Leidwesen ihrer Mutter – ihre Zukunft nicht als Konzertpianistin. “Ich wollte etwas mit Menschen, für Menschen machen,” meinte sie. Und so absolvierte sie nach einem Studienjahr in den USA und einigen Monaten auf einer Sprachschule in Rom die hohes Ansehen genießende Tourismusschule von Kleßheim im Salzburger Land und anschließend das Wirtschaftsförderungs-Institut (WIFI) in Wien.

Foto oben: Meine Familie nennt Hotelchefin Barbara Ludwig (Fünfte von rechts) ihre Mitarbeiter; sie sind aus dem Kongo, der Slowakei, den Philippinen, Iran, Bosnien Herzegowina und Österreich. Gelungene Integration.

Nach einigen Praxisjahren in verschiedenen Hotels, in denen ihr ihre Sprachkenntnisse sehr zugutekamen, stand für Barbara Ludwig fest: “Ich will ein eigenes Hotel.” Und so machte sie sich im

Das Hotel Beethoven in der Papagenogasse

Jahr 2007 auf die Suche nach einem geeigneten Objekt. “Zwei Jahre lang bin ich,” wie sie sagt, “durch Wien marschiert, “habe anonym Hotels besichtigt, Grundbuchauszüge studiert und über Makler nach passenden Häusern gesucht. Nach zwei Jahren haben meine Kontakte Früchte getragen und einer der Makler hatte mir das Beethoven angeboten “Da ist ein älteres Hotel in der Papagenogasse, gegenüber vom Naschmarkt unmittelbar hinter dem Theater an der Wien. Vielleicht ist es das, was Sie suchen.”

Papagenogasse/Ecke Millöckergasse – für jemanden, der mit klassischer Musik aufgewachsen ist, klang zumindest die Adresse nicht so schlecht. Doch das Hotel, recht konservativ, war arg renovierungsbedürftig. In den 50er Jahren von einer Fuhrwerker-Familie erstmals als Hotel eingerichtet, konnte sich die Eigentümerfamilie eine Zeit lang nur über Wasser halten, indem das Haus auch als Stundenhotel diente. Zu dieser Zeit hatte  die Gegend um den nahen Naschmarkt nicht den besten Ruf. Erst in den 1980er Jahren wurde das gesamte Viertel renoviert und der Naschmarkt wegen seiner “hippen” Lokale, wie man in der Geschichte Wiens nachlesen kann, nicht nur für Touristen, sondern auch für Einheimische zu einem beliebten Treffpunkt. Außerdem war die Lage des Hauses ein optimaler Ausgangspunkt für kulturelle und kulinarische Entdeckungsreisen durch Wien.

Der Naschmarkt – belieber Treffpunkt bei Touristen und Einheimischen

Dies mag mit dazu beigetragen haben, daß sich Barbara Ludwig im November 2007 nach sechsmonatigen Verhandlungen dazu entschloss, das Haus in der Papagenogasse zu kaufen. Und auch deshalb, “weil mein Vater und mein Bruder mir gefühlsmäßig zur Seite standen und finanziell unter die Arme griffen.” Das gab mir viel Mut; allein hätte ich das nicht gewagt.” Eins stand dabei von vornherein fest: “Wir mussten das Dachgeschoss rasch ausbauen, um die bereits von meinem Vorgänger eingereichte Baugenehmigung nicht zu verlieren.” Zwei weitere Stockwerke mit elf neuen Zimmern entstanden. “Die Nachfrage gab mir recht. Fast nur noch die neuen Zimmer im 5. und 6. Stock wurden gebucht,” so die junge, frische Hotelbesitzerin. “Und mir war klar, dass im selben Stil auch die unteren Stockwerke renoviert werden mussten.”

Aber klar war ihr auch, dass dies nicht ausreichen würde. In Wien, das allein im Vier- und Fünf-Sterne-Segment mittlerweile fast 200 hochwertige Hotels zählte, muss man sich schon etwas einfallen lassen,

Ein Zimmer im 2. Stock Secession
Der 2. Stock erzählt von der Wiener Secession

um gefragt zu sein. Und Barbara Ludwig fiel etwas ein. “Ich wollte meinen Gästen mit meinem Hotel meine Heimatstadt näher bringen,” betonte sie und ließ zwischen 2016 und 2017 mit Hilfe ihres vorzüglichen Innenarchitekten Raimund Brunnmair alle 36 Gästezimmer in vier Stockwerken mitsamt der Bäder, von den Tapeten über die Vorhänge und den Bildern bis zur Möblierung, individuell neu gestalten. Dass dies gelungen ist, bestätigt die Fachwelt. Dem in Köln erscheinenden Genießer-Magazin UNAFESTA zufolge sind die Zimmer des Viersterne-Hotels unverwechselbar und einzigartig – eine Augenweide für Freunde individuell und gekonnt gestalteter Räume. Ähnlich anerkennend reagierten und reagieren die Gäste, wie die vielen geistreich-zustimmenden Einträge im Gästebuch beweisen.

Was war das Besondere? “Bei uns erzählt jeder Stock, jeder Raum ein Stück Wiener Kulturgeschichte,” erzählt Barbara Ludwig:.”So schlafen die Gäste im 1. Stock in Zimmern, die an die Wiener Kaffeehaus-Literaten, wie Friedrich Torberg, Josef Roth, Egon Friedell, Hugo von Hofmannsthal, Karl Kraus oder Stefan Zweig erinnern.”

Gästebuch – eine von vielen witzig-geistreichen Eintragungen

Die trafen sich, wie man weiß, Anfang des 20. Jahrhunderts regelmäßig in verschiedenen Wiener Cafés, wie dem Café Central, “einer Institution”, so Stefan Zweig, “die mit keiner ähnlichen der Welt zu vergleichen ist, wo jeder Gast stundenlang sitzen, diskutieren, schreiben, Karten spielen, seine Post empfangen und vor allem eine unbegrenzte Zahl von Zeitungen und Zeitschriften konsumieren kann.”

Den wichtigen Vertretern des Wiener Jugendstils, von Joseph Maria Olbrich bis Egon Schiele, kommen die Gäste des 2. Stocks näher und erfahren, dass das berühmteste Kunstwerk des Wiener Jugendstils, der Beethoven-Fries von Gustav Klimt, im nur ein paar Schritte entfernten Museum Secession zu sehen ist, das mit seinem „Krauthappel“ (Kohlkopf), einem vergoldeten Blätterwerk aus Bronze, schon von weitem auffällt.

Das Museum Secession mit dem berühmten Beethoven-Fries von Klimt

“Beethoven, das Leben im Biedermeier und meine Kindheit mit meiner ambitionierten Mutter Sissi,” so beschreibt Barbara Ludwig den 3. Stock, für den ihr Herz als Tochter einer Konzertpianistin besonders schlägt. Die Zimmer machen mit dieser Zeit vertraut, dem Wiener Walzer und der Hausmusik, die besondere Bedeutung erlangten und mit großen Musikern. Neben Ludwig van Beethoven, der jahrelang im benachbarten Theater an der Wien gelebt und gearbeitet hat, gehören dazu Joseph Haydn, Franz Liszt und Johann Strauss.

Über die Geschichte dieses Ende des 19. Jahrhunderts erbauten Theaters, über legendäre Uraufführungen, beispielsweise von Johann Nestroy, Johann Strauß und Beethoven, wodurch das Theater bekannt wurde, erzählt der 4. Stock.

Gäste des 5. Stocks erfahren Wesentliches über Wien und die Liebe und was bestimme Personen damit

Den starken Wiener Frauen erweist das Hotel im 6. Stock seine Referenz

zu tun haben, wie der Psychoanalytiker Sigmund Freud, Katharina Schratt, das “Gspusi” von Kaiser Franz Joseph, die der männlichen Phantasie entsprungene Josefine Mutzenbacher oder die Schauspielerin Hedy Lamarr, die 1933 mit der ersten in einem Film gezeigten Nacktszene für Aufsehen sorgte.

“Den starken Wiener Frauen, ob als Erfinderin, Femme fatale, Muse, Netzwerkerin oder Reformerin erweisen wir im 6. Stock Referenz,” so Barbara Ludwig und erläutert, wer gemeint ist. “Zuerst denke ich an die Rote Erzherzogin Elisabeth Petznek, die uneheliche, eigenwillige Tochter von Kronprinz Rudolf.” Aber auch die Designerin und Modeschöpferin Emilia Flöge,Lebensgefährtin des Malers Gustav Klimt, gehört dazu und Bertha von Suttner, die erste weibliche Friedensnobelpreisträgerin sowie die Wiener Salonnière Berta Zuckerkandl-Szeps, über die Barbara Ludwig sagt: „Da habe ich auch meine Mutter Sissy vor Augen. Über beide gibt es viele Anekdoten wegen ihrer Lebensfreude, Spontaneität und unkonventionellen Art.“

Die Papageno-Lounge mit dem Klavier der Mutter

Sicher denkt Barbara Ludwig, in Wien respektvoll auch „die Ludwig vom Beethoven“ genannt, auch an die Musik. “Musik gehört zu Wien, wie Musik zu Beethoven gehört,” meint sie. “Wir lieben diese Tradition und veranstalten jedes Wochenende in der Beethoven-Lounge ein Konzert mit Kammermusik auf höchstem Niveau.” Schwerpunkt ist, wie könnte es anders sein, die Wiener Klassik. Michael Babytsch am Violoncello und Pavlo Kachnov am Klavier, bekannte Musiker aus der Ukraine, spielen Werke von Haydn, Mozart und Beethoven. Der Bösendorfer Flügel, auf dem Kachnov spielt, steht übrigens vom ersten Tag an im Hotel — er ist der Flügel, auf dem Barbara Ludwig’s Mutter Sissy ihre Hauskonzerte gegeben hatte.

Weitere Informationen: Hotel Beethoven, Papagenogasse 6, A-1060 Wien , Tel.+43-1587 44 820, info@hotelbeethoven.at, www.hotel-beethoven.at. Eine Nacht im Klassik-Doppelzimmer inkl. Frühstück kostet ab 130 Euro. Außerdem bietet das Hotel Liebhaber-Pakete an für Gourmets, Opernliebhaber, Romantiker. Das Kulinarik-Paket beinhaltet u. a. ein Drei-Gänge-Menu im bekannten Fischrestaurant “Nautilus”. Für kulturbegeisterte Wienbesucher gibt es das Paket “Wiener Sängerknaben”mit Konzert und das Paket “Theater an der Wien” bietet u. a. eine Opernaufführung im Theater.

 

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Hinweis: Dieser Beitrag wird regelmäßig von Mitgliedern der Reise-Stories Redaktion wie Heiner Sieger, Gerhard Fuhrmann und Jupp Suttner auf Richtigkeit und Vollständigkeit geprüft. Falls Sie Anmerkungen zu diesem Beitrag haben, kontaktieren Sie bitte direkt hier die Redaktion.

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