VON JUPP SUTTNER // Momentan ist München von einer Inzidenz über 100 geplagt – so dass nicht viele Vergnügungen auf Menschen warten, welche die Stadt im Moment besuchen wollen. Einer jener raren Lichtpunkte ist der Englische Garten – ein Paradies von 3,7 qkm Größe. Damit ist er bigger als jeder englische Garten – und übertrifft sogar noch den New Yorker Central Park um 0,3 qkm.
Doch die wahre Größe des Englischen Gartens von München ergibt sich nicht aus seiner Länge und Breite – sondern aus seiner Tiefe: der Philosophie, die ihm zugrunde liegt. Nämlich: der erste „Volksgarten“ der europäischen Geschichte zu sein – der erste Pracht-Park des Kontinents, der damals, 1789, nicht dem Adel und sonstigen hohen Herrschaften vorbehalten sein, sondern dem gesamten Volk zur Verfügung stehen sollte.
Erlassen hatte dieses Dekret Erzherzog Carl Theodor. Doch die Idee stammte von dem in Massachusetts geborenen bayerischen Kriegsminister Benjamin Thompson, der bereits 1777 derartige Pläne angeregt hatte. Später wurde ihm der Titel Reichsgraf von Rumford verliehen und ein Münchner Platz nach ihm benannt. (Generationen von Schulkindern wurden übrigens von ihren Heimatkunde-Lehrern mit der kalauernden Frage malträtiert, warum der Rumfordplatz denn Rumfordplatz heiße. Antwort, haha: „Weil dort die Straßenbahn rum ford…“)
Ein Volkspark für alle – welch’ wunderbarer Gedanke! Der Schwetzinger Hofgärtner Friedrich Ludwig Sckell realisierte ihn in kürzester Zeit und 1792 wurde der „Theodors Park“ (wie er anfangs hieß) den Münchner Menschen übergeben. Wobei sich bis heute an der Philosophie dieser Anlage nichts geändert hat: die „grüne Lunge Münchens“ ist nach wie vor die Begegnungsstätte aller Menschen:
Alte Hippies, junge Banker, reiche Witwen, arme Studenten, nackte FKK-Freaks, hochgeschlossene Nonnen, hastende Jogger, stramme Nordic Walkerinnen, gemütliche Radler, trabende Reiterinnen, dösende Träumer, kiffende Kerle, lesende Mädchen, schmusende Pärchen – nichts-nichts-nichts an Menschen, was es nicht gibt im Englischen Garten.
Wahrlich ein Paradies – nicht nur für unsere schwedische Stewardess. Ein Paradies mit 78 km Wegen, fast 9 km verträumten Bächen, mehr als hundert entzückenden Brücken, Brückchen und Stegen – und ein Paradies nicht nur für den Menschen: rund vier Dutzend brütende Vogel-Arten gibt es im Englischen Garten! Und einige wagemutige Surfer, die auf dem Eisbach – gleich neben dem Haus der Kunst und dem P 1 – die Welle reiten.
Was man ganz unbedingt sehen muss im Englischen Garten:
Den Chinesischen Turm – 25 Meter hoch, 1789/90 aus Holz errichtet. Reizend für nostalgische Eltern: ein dazu platziertes Kinderkarussell im Biedermeier-Stil – für die Zeit NACH der Pandemie. Und grandios für alle, wenn auch derzeit leer: der 7 000-Plätze-Biergarten zu Füßen des Turms.
Den Kleinhesseloher See mit drei kleinen Inseln sowie dem „Seehaus“ – einem direkt am Wasser gelegenen romantischen Restaurant und Biergarten, in dem nicht nur Promis wie etliche Spieler des FC Bayern verkehren, sondern jedermensch es sich gut gehen lassen kann.
Den Monopteros – einen 1836 von Baumeister Leo von Klenze errichteten Rundtempel in griechischem Stil: einfach traumhaft, vor oder zwischen den Säulen zu sitzen und in den Tag zu träumen oder in die Sterne zu gucken.
Das Japanische Teehaus – wurde 1972 anlässlich der Olympischen Spiele in München kreiert, als Hommage an die Städtepartnerschaft mit Sapporo, der Winterspiele-Stadt jenes ’72er-Jahres. Im Teehaus fand vor Corona regelmäßig das Ritual einer japanischen Teezeremonie statt.
Außerdem gibt es natürlich noch die Hirschau zu besichtigen und das Rumfordhaus und die Frisbeespieler und die Baseball-Teams, wenn Mannschaftsvergnügen wieder zugelassen ist, und… und… und… und deshalb ist mein Reise-Tipp dieser Woche:
Besuchen Sie den Englischen Garten in München! Sobald die Pandemie es zulässt.
Der Eintritt ist frei.
Infos: https://www.schloesser.bayern.de/deutsch/garten/objekte/mu_engl.htm , www.muenchen.de , www.oberbayern.de , www.bayern.by