Herzlichen Glückwunsch zum Jubiläum, lieber Weltcup – vor genau 50 Jahren kamst Du zur Welt: am 5. Januar 1967 fand das allererste Weltcup-Rennen statt! Ein Männer-Slalom im oberbayerischen Berchtesgaden. Ein guter Grund, heute dort hin zu reisen! Die aktuellen Schneeverhältnisse sind schließlich perfekt. Auch die Damen starteten ihren Weltcup in Deutschland – am 7. Januar 1967 ein Slalom in Oberstaufen/Allgäu. Dort hin sollten Sie – rät Reise-Stories.de – dann als nächstes reisen. Als Ihre ganz persönliche, private Weltcup-Tour. Das Jubiläum ist dies wert. Immerhin avancierte die Wettbewerbs-Serie zur faszinierendsten Geschichte des Winter-Metiers. Wie der Weltcup wurde, was er ist – erzählen wir hier.
________________________________________________
Foto oben:
Das berühmteste Rennen des gesamten Weltcups? Keine Frage: der Abfahrtslauf von Kitzbühel – die „Streif“ hinab mit dem furchterregenden Starthang oben und dem Zielsprung (siehe Foto) unten. Hier schlug auch eine vorentscheidende Stunde für die Gründung des Weltcups: Während einer Trainingspause im Januar 1966 fand auf der Kitzbüheler Seidlalm – gleich neben dem bekannten Seidlsprung der Streif-Strecke – ein legendäres Gespräch zwischen den Koryphäen Serge Lang aus dem Elsaß, Bob Beattie aus den USA, Honore Bonnet aus Frankreich und Sepp Sulzberger aus Österreich statt. Sein Ein Gedenkschild vor der Alm erinnert heute noch an jenen Ratsch, der letztendlich den alpinen Skisport in eine andere Dimension erhob.
Fotocredit & Copyright:
Hahnenkamm-Rennen Kitzbühel/pro.media Innsbruck
Text:
Jupp Suttner
________________________________________________
194 Zentimeter hoch und 238 Pfund schwer – das war der alpine Weltcup. Der personifizierte. Denn 194/238 – das waren die Maße von Serge Lang, jenem französischen Journalisten, der diesen Wettbewerb erfunden und installiert hat. Man nannte ihn, den 1920 geborenen, schlicht “Mr. Worldcup”. Und exakt dies war er auch. Ohne Lang wäre die ganze Sache vielleicht nur eine kurze Affaire geworden – statt einer generationenlangen Liaison.
Es ist eine ziemlich leidenschaftliche Geschichte, dieser Weltcup. Mit Liebe und Hass, Dramen und Tränen, betörenden Glücksmomenten und großen Enttäuschungen. Mit Geld und Gier und Groupies, mit Geschwindigkeitsrausch und Gefahr – den fünf großen “G”s des Metiers. Mit faszinierenden Fernseh-Übertragungen und ausflippenden Fans. Mit veranstalterverhöhnenden Naturgewalten, mit grandiosen Naturschönheiten – und desgleichen grausamen Naturverstümmelungen. Mit Psycho-Tricks und Material-Spionage. Und: mit dem Tod. Er fährt immer mit.
Zumindest bei den Abfahrtsrennen. Nicht wenige vor den TV-Geräten zu Hause, die vor allem der Geruch von Blut und Spektakel an den Bildschirm zieht. Je mehr Stürze zu erwarten, je größer das vorauszusehende Massaker – desto höher die Einschaltquote. Vielleicht wird gerade dieser Morbidität wegen der Ski-Weltcup immer mit der Formel 1 des Autorennsports verglichen.
Begonnen hat die Weltcup-Story mit einem ganzen Sammelsurium von Veranstaltungen, die in der ersten Hälfte der sechziger Jahre existierten. Es gab die vom Skiweltverband (FIS) geschützten FIS-A-Rennen (Klassiker wie Kitzbühel, Wengen etc.), es gab richtiggehende Länderkämpfe (Frankreich-USA etwa), es gab in der Schweiz “Anglo-Swiss”-Veranstaltungen (in einer Art Daviscup-Modus), es gab inoffizielle Saison-Weltranglisten (aufgestellt von verschiedensten Journalisten) – und es gab außerhalb des Schnees die “Super-Prestige”-Wertung der Radfahrer sowie den Europacup der Fußballer. “Das alles”, verriet Serge Lang später mal, vor seinem Tod 1999, dem Reise-Stories-Autor, “hat eine Rolle gespielt”.
Doch die größte Rolle spielte: eine geschäftliche Beziehung. Und zwar zwischen der Pariser Sportzeitung L’Equipe hie und dem Mineralwasserabfüller Evian dort. Die beiden Unternehmen gedachten gemeinsam eine Ski-Wettkampfserie namens “Challenge Evian” einzuführen. Eine Idee jagte die andere. Letzten Endes zerschlugen die Verhandlungen sich zwar – aber die Vorstellung von dem, was man machen könnte, blieb in den Köpfen hängen. Und so stellte die täglich erscheinende Pariser Sportzeitung, die bereits den Fußball-Europacup und besagte Straßen-Rad-Serie “erfunden” hatte, das Projekt nun alleine auf die Beine. Es hieß “Challenge de l’Equipe”, fand erstmals im Winter 1965/66 statt und wurde gleich von zwei ganz berühmten Namen gewonnen: Marielle Goitschel (Frankreich) und Karl Schranz (Österreich).
“Vor dem Rennen von Kitzbühel”, erinnerte sich Serge Lang in einem anderthalb Jahrzehnte später stattfindendem Gespräch mit dem Schweizer Ski-Fernseh-Star-Kommentator Karl Erb, “führte in der Herren-Wertung noch der Amerikaner Bill Kidd – was urplötzlich das Interesse des US-Coaches Bob Beattie weckte. Er wollte eigentlich immer, dass jedes Jahr Weltmeisterschaften stattfinden – aber diese jetzige Idee eines ‘Worldcups’ faszinierte ihn nun noch stärker.” Beattie wurde zu einem entschiedenen Mitstreiter. Doch alle Fach-Komitees der FIS schmetterten dieses neumodische Zeugs kategorisch ab – einzig Marc Hodler, der Schweizer Präsident, zeigte Wohlgefallen.
Und dann kam der Sommer 1966 – mit Skiweltmeisterschaften am anderen Ende der Welt, in der südlichen Hemisphäre: in Chile. Der Austragungs-Ort Portillo bestand grob ausgedrückt aus einem einzigen Hotel. Der Tross war abgeriegelt von der Außenwelt. Das einzige, was ein wenig Abwechslung bot, war – Nachdenken. Und sie dachten äußerst intensiv nach: Wie schon auf der Seidlalm im Winter (siehe Bildunterschrift oben) nun auch im Sommer ein Brainstorming zwischen Serge Lang aus dem Elsaß, Bob Beattie aus den USA, Honore Bonnet aus Frankreich und Sepp Sulzberger aus Österreich. Was der freie Journalist, der amerikanische Coach, der französische Trainer und der österreichische Funktionär austüftelten, war das erste Reglement eines künftigen Ski-Weltcups.
Ein Reglement – das nun auch den Gefallen von Evian fand. Somit war der erste große Sponsor gefunden, wurde die Serie installiert und stieg am 5. Januar 1967, heute vor 50 Jahren, das allererste Weltcup-Rennen – in Deutschland. Und zwar ein Weltcup-Slalom im oberbayrischen Berchtesgaden. Es siegte der Österreicher Heini Messner (nach dem 1. Durchgang noch an 10. Stelle) vor dem Franzosen Jules Melquiond und dem Schweizer Dumeng Giovanoli. Die deutschen Teilnehmer spielten keine Rolle.
Auch das erste Weltcup-Rennen der Damen fand in Deutschland statt – am 7. Januar 1967 in Oberstaufen, gleichfalls ein Slalom. Den die Kanadierin Nancy Greene vor Fernande Bochatay (Schweiz) und Anni Famose (Frankreich) gewann. Die Amerikanerin siegte auch beim Riesenslalom tags darauf – vor der Deutschen Burgl Färbinger, die damit als erste Person, die Weltcup-Punkte für den DSV errang, in die hiesige Ski-Historie einging.
(Übrigens nicht nur deshalb: die Allgäuerin aus Schellenberg wurde Jahre nach Beendigung ihrer Karriere als Abfahrts-4. der WM von Portillo 1966 plötzlich 3. – weil Sieger Erika Schinegger aus Österreich gestand, dass sie eigentlich Erik Schinegger und ein Mann sei, weshalb Schinegger im Nachhinein der Titel aberkannt wurde. Erik/a wurde zum Trost zweifacher Vater.)
Den Gesamt-Weltcup jenes erst im Januar 1967 beginnenden Winters 1966/67 holten sich der Franzose Jean-Claude Killy (vor Heini Messner und dem Franzosen Guy Périllat) und besagte Nancy Greene (vor den Französinnen Marielle Goitschel und Anni Famose). Die Renn-Serie fand gleich großen Gefallen – und wurde schließlich beim FIS-Kongreß im Juni 1967 in Beirut dann offiziell (gegen einige oppositionelle Stimmen) im Nachhinein verabschiedet.
Es war ein ziemlich simples, einleuchtendes Reglement. Doch es wurde seitdem so gut wie jedes Jahr verändert – und damit während vieler Jahre verkompliziert. Was logischerweise gleichbedeutend mit “verschlechtert” ist. Wäre man beim Anfangs-Modus geblieben, statt permanent umzumodeln – die Popularität des Wettbewerbes würde heute mit Sicherheit noch weitaus höhere Dimensionen erreichen. Doch durch den Anfangserfolg aufgeweckt entdeckten immer mehr Interessen-Gruppen, welch’ phantastische Angelegenheit dieser Weltcup ist – und versuchten deshalb Einfluss zu nehmen auf den Modus. Lobbyisten im Schnee.
Es galt dabei im Grunde vor allem immer eine einzige Person zu beeinflussen – Serge Lang, der inzwischen zum “Weltcup-Präsidenten” aufgestiegen war. Wobei der Titel eines “Präsidenten” freilich einer Verniedlichung entsprach: Lang war längst zum “Diktator” in seinem Amt mutiert. Der körperliche Riese verstand allein mit seiner donnernden Stimme und seinem hünenhaften Auftreten alle Andersdenkenden einzuschüchtern. Leidenschaftlicher Jäger, Offizier der französischen Ehrenlegion – eine Figur wie aus einem Hemingway-Buch. Dazu mehrere ausgiebige Portionen Schlauheit und ein ordentliches Maß an taktischer Gerissenheit – Lang entschied, wo es lang ging. Jahrzehntelang. Irgendwann gestand er mal: “Ich zahle heute soviel Steuern – wie ich vor Jahren insgesamt verdient habe…”
In den späten 90iger-Jahren war die in der Schweiz lebende Legende zwar immer noch bei den (Männer-)Rennen dabei (den Frauen riet er mal, sie sollten lieber stricken). Aber Lang besaß keinen Einfluss mehr. Präsident war er nur noch von der Vereinigung der internationalen Ski-Journalisten. Der Weltcup – sein Baby – lief nun ohne ihn. Und läuft immer noch. Auch im fünfzigjährigen Jubiläums-Jahr.
Heute zum Beispiel mittels eines Männer-Slaloms in Zagreb. Den 2. Durchgang um 18 Uhr sollten Sie auf keinen Fall versäumen. Ihr Hotel in Berchtesgaden kann garantiert Eurosport empfangen. Der Sender – der bei Weltcup-Gründung 1966 noch nicht einmal ein Gedanke war – gilt als inoffizieller „Weltcup-Kanal“. Und seine Kommentatoren und Reporter sind derart enthusiastisch bei der Sache – dass Serge Lang, Bob Beattie, Honore Bonnet und Sepp Sulzberger die Tränen kommen müssen.
Vor Glück.
Jupp Suttner
Infos: www.fis-ski.com , www.berchtesgadener-land.com , www.oberstaufen.de , www.kitzbuehel.com , www.hahnenkamm.com , www.seidlalm-kitzbuehel.at , www.skiportillo.com ,