von Udo Haafke
„Ohne Istrien gäbe es Venedig nicht!“ Diese etwas ketzerische Behauptung hört man allenthalben in der nordwestlichen Ecke Kroatiens. Tatsache ist, dass die Eichenbäume für das Fundament der weltberühmten italienischen Lagunenstadt wegen ihrer ausgezeichneten Beschaffenheit aus Istrien stammen, ganze Wälder wurden dafür abgeholzt. Tatsache ist auch, dass der weiße Kalkstein für die Sockel der Häuser Venedigs ebenfalls istrischen Ursprungs war. „Es gibt bei uns in Kroatien auch einen Karneval, doch dieser beruht auf anderen Traditionen, hat andere Charaktere und Figuren. So habe ich mich auf die klassischen Masken des venezianischen Karnevals konzentriert, die wir hier in meiner kleinen Werkstatt herstellen.“ Loredana Musizza beschäftigt während des ganzen Jahres fünf künstlerisch versierte Handwerker, die sie bei der Produktion unterstützen und dafür sorgen, dass es stets ausreichend Masken für den Karneval in Venedig gibt. Ohne istrische Masken wäre dieser um ein wichtiges Accessoire ärmer.
„Blaues Recyclingpapier, das im Übrigen aus Deutschland kommt und eine hohe Qualität und Festigkeit besitzt, wird in drei Lagen mit Wasser und Kleister eingeweicht und sorgfältig in die Gipsform eingefügt. Es dürfen keine Luftblasen mehr darin sein. Sonst wird die Maske unbrauchbar. Die entstehenden Beulen und Dellen lassen sich nämlich nicht mehr korrigieren.“ Loredana referiert über die Herstellungstechnik ihrer Masken vor einer Regalwand, in der sich die unterschiedlichsten Gipsformen stapeln. Unter dem Arbeitstisch liegt gar eine überdimensionale Gipsbüste einer klassischen Darstellung des David. „Nein, die ist natürlich nicht für den Karneval, sondern dient eher dekorativen Zwecken für den Wohnbereich.“
Nach 15 Minuten hat das Papiergemenge das erste Trockenstadium erreicht und kommt anschließend in den Trockenraum. Gestapelt auf stählernen Regalböden lagern hier unterschiedlichste Masken. Es herrschen tropische Temperaturen, die beim Betreten für einen Moment schlicht den Atem verschlagen. Ist die Larve schließlich durchgetrocknet, folgt der nächste Bearbeitungsschritt, die farbliche Gestaltung. „Nur die sichtbare Seite der Maske erhält einen Anstrich. Bei mir wird grundsätzlich zunächst alles weiß gestaltet, “ erklärt Loredana, die dann aber auch einige komplett fertige Masken präsentiert. Zauberhaft verziert mit rotem Filz, Strass, funkelndem Kristall, teils kleinen Edelsteinen und langem opulentem Federschmuck. Andere bekommen eine edle Gold- oder Silberauflage, eben je nach Kundenwunsch.
„Bei den Masken gibt es jedes Jahr auch wechselnde Moden und Trends. Katzen, Vögel, überhaupt alle möglichen Tiere, da gibt es kaum Grenzen. Die klassischen Motive, wie die Bauta, der Pestarzt oder der Harlekin, bleiben aber die Dauerbrenner.“ Loredana wirkt zufrieden mit ihrem Handwerk, das sie seit nunmehr 22 Jahren erfolgreich ausübt, mittlerweile mehr als 20.000 Rohlinge pro Jahr nach Venedig liefert, welche dort veredelt werden. Sie hat sich mit ihrer kleinen Handwerksindustrie einen Namen machen können und besitzt einen festen, zuverlässigen Kundenstamm. Doch Billigkonkurrenz aus Fernost sorgt zunehmend für unangenehmen Gegenwind. „Die Qualität meiner Masken spricht aber noch immer für sich und sie rechtfertigt nach wie vor ihren Preis.“
Über Preise sprechen die Trüffelbauern im Norden Istriens, vornehmlich in der hügeligen Region entlang des Flusses Mirna eher nicht. Lediglich bei der weißen Variante des Erdpilzes offenbaren sich Superlative. Die Kilopreise erreichen auf dem Weltmarkt hin und wieder schwindelnde Höhen. „Weiße Trüffel sind nun einmal sehr selten, extrem schwer zu finden, da sie gut einen halben Meter tief in der Erde sein können, und sie lassen sich nicht kultivieren. Es ist der Wissenschaft noch nicht gelungen, weiße Trüffel zu reproduzieren.“ Višnja Prodan erzählt voller Enthusiasmus von der kulinarischen Kostbarkeit, die nur hier in Istrien und an einem Ort in Norditalien zu finden ist. Bei den schwarzen Trüffeln liegt die Sache etwas anders. Sie befinden sich unmittelbar unter der Erdoberfläche und können von den Trüffelspürhunden recht leicht entdeckt werden. Damit die emsigen Vierbeiner die Trüffel aber nicht selbst vernaschen, gibt es stets gleich eine leckere Belohnung, die vom Fund abzulenken hilft.
Mit den Hunden Siri und Brum geht sie täglich auf Trüffeljagd und nimmt dabei nach Vorausbuchung auch kleine Gruppen mit, denen sie damit einen Einblick in den in bereits in dritter Generation aktiven Familienbetrieb gewährt. „An den Wurzeln von Eichen, Buchen und Haselnussbäumen kann man schwarze Trüffel finden. Ich lasse die Hunde laufen und beobachte genau, wo sie beginnen aufgeregt zu scharren. Dort haben sie dann vermutlich den besonderen Trüffelgeruch aufgespürt.“ Es gibt den Belohnungskeks und Višnja gräbt vorsichtig mit einer speziellen Schaufel nach dem erhofften Fund, den sie schon Sekunden später in Form eines dunkelbraunen, kugelartigen Klumpens triumphierend vor ihren erstaunten Begleitern in die Höhe hält. Sie nicken voller Bewunderung, schnuppern an dem dunklen Etwas und fragen sich, wie es sein kann, dass in einer so unscheinbaren, so unspektakulären Landschaft derartige Schätze zu finden sind.
„Nun, wir haben hier ein sehr spezielles Mikroklima. Wärme und Feuchtigkeit begünstigen das Wachstum der Pilze, die sich an den Baumwurzeln ansiedeln und deren Vermehrung auf die natürlichste Weise, nämlich über tierische Exkremente vonstattengeht. Sie benötigen sechs bis acht Monate bis zur Reife und variieren dann stark in der Größe. Von uns vor elf Jahren gepflanzte Bäume auf den Ländereien brachten nach knapp neun Jahren erste Erfolge. Es braucht also viel Geduld bei der Trüffelzucht.“ Die freie Natur funktioniert da deutlich zuverlässiger, die Suche gestaltet sich zwar etwas mühevoller, bleibt gleichwohl aber wesentlich unterhaltsamer, wenn man die fröhlich spielenden und suchenden Hunde beobachtet.
Versehentliche Kratzer vom Scharren der Tiere auf der Haut des Pilzes machen ihn unbrauchbar und verhindern seine Lagerfähigkeit. Deshalb bekommen Siri und Brum durchaus schon einmal eine Köstlichkeit zugesteckt. Noch lieber allerdings ist den Hunden, wenn beim Pilz schon der Vergärungsprozess eingesetzt hat. Das riecht dann zur Freude der Vierbeiner besonders streng.
Im Städtchen Buzet, das sich in der Nähe oberhalb der Mirna auf einem Hügel erhebt, gibt es 5.000 Einwohner und 8.000 Hunde. Mit dem Erwerb einer speziellen Lizenz darf nämlich jeder Bürger in den öffentlichen Wäldern auf Trüffelsuche, gern mit vierbeinigen Spürnasen, gehen – allenthalben ein äußerst populärer Zeitvertreib. Mehr als 500 Gramm dürfen jedoch nicht mitgenommen werden, sonst drohen drastische Strafen. Ihrem Trüffelreichtum huldigt die Region im Tal der Mirna mit mehrwöchigen Trüffelfestivals, die zum Ausklang des Sommers und während der Herbstmonate unter großer Anteilnahme der Bevölkerung gefeiert werden.
Am Ende der Trüffeljagd wartet auf die Teilnehmer noch ein zünftiges Frühstück. Višnja stellt dabei gemeinsam mit ihrer Mutter Vanja verschiedene, überwiegend selbst hergestellte Trüffelprodukte wie diverse Käsesorten und Salami vor. Frischkäse belegt mit feingeschnittener Trüffelscheibe bringt das erdige Aroma des Pilzes dezent zur Geltung. In einer riesigen Pfanne zelebrieren die Damen dann die Zubereitung von Rührei mit frischen Trüffeln, das gleich darauf begeistert verkostet wird. Zum Abschluss lockt dann noch Vanille-Eis mit einem zarten Überzug aus mit weißen Trüffeln veredeltem Honig. Ein Gedicht!
Information:
Istrien allgemein: www.istra.hr
Anreise:
Mit Eurowings (www.eurowings.com) nach Venedig, von hier weiter mit dem Mietwagen über Slowenien nach Istrien, Fahrtzeit etwa 3 Stunden, www.greenway-travel.net. Oder mit Lufthansa/Croatia Airlines von Frankfurt nach Pula in Istrien (www.lufthansa.com, www.croatiaairlines.com).
Übernachtung:
In Sichtweite des UNESCO-Welterbestädtchens Poreč liegt auf einer der in der Region zahlreichen Halbinseln das Plava Laguna Resort mit Ferienhäusern und dem netten Hotel Villa Galijot, das mit seinen Restaurants und Freizeitanlagen eine entspannte Ferienatmosphäre vermittelt (geöffnet Ende April bis Ende September). Plava laguna, 52440 Poreč, www.plavalaguna.com/hr/hoteli/villa-galijot
[mappress mapid=”null”]Essen und Trinken:
Die istrische Küche zeichnet sich durch eine mit viel Leidenschaft betriebene Kreativität aus. Sie vereint auf dem Teller die kulturelle Vielfalt, die seit Generationen durch Einflüsse aus Italien, Kroatien oder Österreich inspiriert wird. Die Früchte des Meeres beherrschen dabei die Speisekarten, die durch regionale Produkte wie Trüffel und tolle Olivenöle ihre kulinarische Abrundung erfahren. Dazu werden fantastische Weine kredenzt.
Konoba Astarea, Ronkova 6, 52474 Brtonigla, www.konoba-astarea.com, zauberhaftes Ambiente, der Chef des Hauses gibt am Tisch seine Empfehlungen, delikater Fisch kommt direkt vom Grill.
Konoba Daniela in Poreč, Veleniki15 a, 52440 Poreč, www.konobadaniela.com, ländliches Gasthaus vor der Stadt mit typischer Küche.
Restaurant Sveti Nikola, Obala M. Tita 23, 52440 Poreč, www.svnikola.com, gediegenes Lokal an der Uferpromenade von Poreč.
San Servolo, Momjanska ulica 7, 52460 Buje, www.sanservoloresort.com, Brauerei mit tollem Steak-Restaurant (Gerichte werden zum Teil am Tisch zubereitet) und einzigartigem Bier Spa.
Relais & Chateaux Meneghetti, Stancija Meneghetti 1, 52 211 Bale, www.meneghetti.hr, kulinarisches Juwel der Sonderklasse im ehemaligen, vorbildlich restaurierten Weingut.
Aktiv:
Auf Wunsch lässt sich die Maskendesignerin Loredana Musizza bei ihrer Tätigkeit über die Schulter schauen und gibt Einblick in die große Tradition venezianischer Masken. Ribarska 1, 52465 Vabriga, +385 52 443 262 www.facebook.com/Lorymasks-1438883736339991.
Die Trüffelmanufaktur Prodan Estate in Buzet bietet Besuchern die spannende Erfahrung einer Trüffelsuche mit anschließendem, trüffelhaltigem Frühstück. Praščari 43 Sv.Ivan, 52420 Buzet, +385 91 551 2796, www.prodantartufi.hr/de
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