Irland unter Dampf: Malahide, Cyril Fry und die Hibernia

Die Eisenbahnhistorie Irlands kann man in der Nähe von Dublin hautnah erleben im The Casino Model Railway Museum in Malahide. Zusammen mit Malahide Castle ermöglicht das einen intensiven Ausflug in die irische Geschichte und Verkehrsentwicklung.

The Casino Model Railway Museum in Malahide ist ein wahres Schmuckstück.

Irische Träume in Malahide

Gelegentlich braucht es eine unruhige Nacht, um die verborgenen Schätze im Keller zu wecken. Wo sind eigentlich die drei Kisten mit der Modeleisenbahn von meinen Großeltern   geblieben? All die sorgfältig einzeln und in weißes Küchenpapier eingewickelten Wagons, Schienen, Lokomotiven, Bahnhofsgebäude, Häuser, Bäumchen, Parkbänke, Stellwerke, Signale und die kleinen Figuren vom Bahnhofsvorsteher bis zum Lokomotivführer? Da war doch etwas? Jetzt, selbst angekommen in dem ehrwürdigen Stand des Opas, wird es höchste Zeit, sich jenem Zeitvertreib zu widmen, der nach dem großen Kulturphilosophen Johan Huizinga der Motor aller kulturellen Errungenschaften unserer Zivilisation darstellt: Spielen, in diesem Falle also dem Aufbau und dem Spiel mit der Modeleisenbahn.

Malahide und die Eisenbahnkisten

Eine Reise nach Malahide, den hübschen Küstenort nordöstlich von Dublin gelegen, hat Erinnerungen geweckt und ein schlechtes Gewissen dazu. Wie konnte man all diese so liebevoll gesammelten und durchaus wertvollen Modeleisenbahn-Liebhaberstücke so einfach im Keller vergessen? Selbst wenn man kein ausgesprochener Fan dieser kleinen Kostbarkeiten ist, es in seiner Jugend weder Jim Knopf noch Lukas dem Lokomotivführer nachmachen wollte, etwas mehr Aufmerksamkeit hätten die Schmuckstücke schon verdient. Am nächsten Morgen wurde gesucht und gefunden. Und siehe da, hat man erst einmal die Kisten ausgepackt, verfällt man unweigerlich der Faszination, die von diesen Zeugnissen der frühen Mobilitätsgeschichte ausgeht. Ob es am fortschreitenden Alter liegt, den staunenden Augen der Enkel oder der schlicht und einfach an der wachsenden Freizeit, die so lange vor sich hin schlummernde Modeleisenbahn kommt aus dem Keller in eines der oberen Stockwerke und wird aufgebaut. Feuer im Kessel, Signal auf Grün.

An dieser Werkbank baute Cyril Fry seine Modeleisenbahnen zusammen.

Die ikonische Modellbahnsammlung von Cyril Fry ist seit Januar 2020 in dem wunderschön restaurierten Casino-Häuschen im Herzen des Küstenortes Malahide untergebracht, nur zehn Gehminuten von der Burg Malahide entfernt.

Modeleisenbahn in Malahide

Das Casino-Haus, das als eines der schönsten strohgedeckten Häuser der Insel gilt, ist seit über 200 Jahren ein Wahrzeichen im malerischen Dorf Malahide.Das Casino Model Railway Museum bietet einen authentischen Blick auf die Verarbeitungskunst von Cyril Frys handgefertigten Eisenbahnmodellen. Umfangreiche, interaktive Displays bieten detaillierte Informationen über die Geschichte der irischen Eisenbahnen und ihre Modelgeschichte. Faszinierend ist auch die Sammlung an Wappen der irischen Verkehrsgesellschaften im Laufe der Jahrhunderte. Dieses heute umfassend renovierte Haus wurde Anfang des 19. Jahrhunderts von Richard Wogan Talbot erbaut. Es wurde als Cottage Orné, ein dekoriertes Cottage, entworfen, ein rustikaler Stil, der sich im 17. Jahrhundert aus dem italienischen Malstil entwickelte. Dieser Stil verwendete geformte Strohdächer, aufwendige Holzarbeiten und die umliegende Landschaft, um einen malerischen Effekt zu erzeugen, den man heute noch nachempfinden kann.

Die Talbot-Familie in Malahide

Der Große Saal in Malahide Castle ist noch heute ein imposanter Raum.

Die Familie Talbot lebt seit über 800 Jahren in Malahide. Sir Richard de Talbot, ein normannischer Ritter, erhielt hier 1185 Ländereien für Verdienste um König Heinrich II. Richard Wogan Talbot, der 2. Baron, trat früh in die britische Armee ein und kämpfte in mehreren europäischen Kriegen. Er diente bis zu seiner Pensionierung 1833. In den frühen 1920er Jahren zog die Familie Kirker, bekannt in der Gegend von Malahide, in das Haus. Dr. John Gilbert Kirker war Präsident des Royal College of Physicians und half weiter, die Irish Epilepsy Foundation in den 1960er Jahren zu gründen, die jetzt Brainwave heißt. Die Kirker-Familie hatte zwei Esel, Salz und Pfeffer mit namen, die allen Kindern in der Gegend bekannt waren. Im Jahre 1999 verließ die Familie dann das Haus.

Das Viktorianische Haus steht im Zentrum des Walled Garden in Malahide Castle.

Cyril Fry und seine Leidenschaft

Cyril Laurence Fry (1905-1972) war der erste Sohn von Sydney Fry und Emilie Mabel. Schon als kleiner Junge war Cyril von den Zügen fasziniert, die hinter ihrem Haus in Dundrum vorbeifuhren. Als er 10 Jahre alt war, wurde Cyril ins Internat nach England geschickt, dort wuchs seine Leidenschaft für Eisenbahnen weiter. Er half sogar bei der Gründung eines Modelleisenbahnclubs an seiner Schule. Mit 17 begann er eine Ausbildung und wurde Ingenieur bei Inchicore Railway Works in Dublin. Während seiner gesamten Arbeitskarriere verbrachte Fry seine Freizeit damit, über 350 präzisionsgefertigte Modelle zu bauen und ein aufwendiges Dachboden-Layout zu schaffen, auf dem sie präsentiert werden konnten.

Mit der Hibernia von 1834 begann Irlands Eisenbahngeschichte.

Dieses komplexe Layout beinhaltete Signallichter und Bahnübergangsbarrieren, die alle automatisch funktionierten. Er arbeitete oft aus Originalplänen und Zeichnungen der Bahngesellschaften, um die genauen Details und den Maßstab zu erhalten. Alle einzelnen Details, wie Räder und Türen, wurden mit eigenen Formen hergestellt, die dann mit heißem Metall gefüllt wurden. Sobald die Stücke abgekühlt waren, wurden sie auf einer Drehbank in Form gebracht und dann von Hand mit einem Pinsel so fein gemalt, dass Fry jedem Modell seinen Namen hinzufügen konnte. Seine Tochter Patricia erinnert sich an das Dachbodenlayout als ein absolutes Märchenland. Seine Anlage zeigte die Bahnhöfe Dublin, Cork und Belfast. Die zwischen ihnen verkehrten Modellzüge reichten von der „Hibernia“, der ersten Dampflokomotive des Landes, bis hin zu Straßenbahnen und Diesel- und Elektromotoren der 1950er Jahre.

Die Schmalspurbahn Railcar No. 7 fuhr bis 1949 in Donegal.

Vom Dachboden ins Schloß und ins Casino Malahide

Sie liefen auf breit- und schmalspurigen Gleisen und auf Straßenbahnen. Nach Cyrils Tod wurde die Cyril Fry-Modellsammlung von Dublin Regional Tourism gekauft und zunächst in den CIE-Werken bei Inchicore gelagert. Das Ausmaß und die Komplexität des ursprünglichen Irish International Railway and Tramway Systems, das von Cyril Fry auf seinem Dachboden gebaut wurde, war schon immer eine Quelle der Inspiration für Transport- und Modellliebhaber.

In Cork fuhr ab 1898 die Tramcar No. 11, im Jahre 1931 wurde sie durch busse ersetzt.

Im Jahre 1988 wurde auf Malahide Castle eine Ausstellung mit Arbeitslayout und Modellausstellung eröffnet, sie gab bis zur Schließung im Jahr 2011 einen umfassenden Überblick über die Geschichte des mechanisierten Verkehrs in Irland. Frys Originalmodelle sind jetzt über 80 Jahre alt und sehr zerbrechlich. Schon vor seinem Tod 1972 war Fry besorgt, dass seine Modelle nicht ständig verwendet werden und für die Nachwelt aufbewahrt werden sollten. Im Casino Model Railway Museum in Malahide wird diese ikonische Sammlung für zukünftige Generationen nun bestens erhalten.

Das Wappen der Belfast & County Down Railway.

Mit einem Kombi-Ticket kann man Malahide Castle, den Fairy Trail, das Butterfly House und das Model Railway Museum zusammen entdecken. Außerdem gibt es viele Möglichkeiten zur Einkehr, darunter Avoca Cafe & Foodhall auf der Burg Malahide oder in vielen anderen Cafés und Restaurants im Malahide Village.

www.modelrailwaymuseum.ie

South und West Clare Railway betrieben bis 1961 die letzte Schmalspurbahn Irlands.

https://malahidecastleandgardens.ie und  www.ireland.com

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Jörg Berghoff

Autor Kurzvorstellung:

Jörg Berghoff führt als freier Autor und Journalist seit 1998 ein Pressebüro für Tourismus, Kultur und Sport. Als Reisejournalist spezialisiert auf Irland, Großbritannien, Europa und Australien. Studium der Kunstgeschichte und Ethnologie, Winzermeister und Buchhändler.

Hinweis: Dieser Beitrag wird regelmäßig von Mitgliedern der Reise-Stories Redaktion wie Heiner Sieger, Gerhard Fuhrmann und Jupp Suttner auf Richtigkeit und Vollständigkeit geprüft. Falls Sie Anmerkungen zu diesem Beitrag haben, kontaktieren Sie bitte direkt hier die Redaktion.

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