Am heutigen 13. Juli 2017 kann es in ganz Frankreich nur ein einziges Reise-Ziel geben: den Mont Ventoux in der Provence. Denn vor genau 50 Jahren, am 13. Juli 1967, starb dort der britische Radrennfahrer Tom Simpson – an einer Überdosis Doping in Verbindung mit den Renn-Qualen und der Erschöpfung. Natürlich radelt die Tour de France 2017 NICHT diesen kahlen Geröllberg hinauf. Es könnten ja unangenehme Erinnerungen geweckt werden. Aus „organisatorischen Gründen“, heißt es, würde man die Hölle des Mont Ventoux dieses Jahr meiden. Was wohl Tom Simpson über diese Maßnahme denken würde? Wir sprachen mit ihm. Interview mit einem Toten – ein Telefonat ins Jenseits.
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Foto oben:
So sieht es in einem Sarg aus.
Fotocredit & Copyright:
Jupp Suttner
Text:
Jupp Suttner
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Als wir heute Morgen nach Frankreich telefonierten – hatten wir plötzlich eine Fehlschaltung in der Leitung:
“Hallo, hallo – wer dort?”
“Simpson hier, Tom Simpson!”
“Mr. Simpson, der Radfahrer?”
“Genau!”
“Wir dachten, Sie sind tot!”
“Ja, aber bei besonderen Anlässen melde ich mich immer wieder. Diesmal, weil es ja mein Jubiläums-Jahr ist…”
“Ganz schön makaber, Tom! Wissen Sie eigentlich noch, wie das damals bei Ihnen lief?”
“Na klar. Es war die 13. Etappe am 13. Juli 1967. Es hatte 50 Grad in der Sonne und irgendwie haben mir die Amphetamin-Tabletten, die ich eingeworfen hatte, nicht gut getan. Ich fiel beim Anstieg auf den Mont Ventoux vom Rad und hätte eigentlich aufgeben sollen. Aber Sie wissen ja, wie das ist: zwei Jahre zuvor, mit 27, war ich Weltmeister geworden, in der Tour lag ich prima an 8. Stelle – da gibt man nicht einfach auf. Noch dazu als Engländer! Ich also wieder rauf auf den Bock – bis es mich ein zweites Mal ‘runtergehauen hat. Da war dann Sense. Der ewige Platten…”
“Und gleich in den Himmel?”
“Nein – als Profi-Sportler geht das nicht. Da gibt es erst mal Fegefeuer. Ich musste direkt vom Mont Ventoux weg 30 Jahre lang ununterbrochen bergauf fahren – mit einem Holland-Rad. Ohne Gangschaltung! 30 Jahre mit dem Oma-Lenker unterwegs – I can tell you… Jetzt hat übrigens Unsere Liebe Frau die Maschine. Um mit dem Josef in den Biergarten zu fahren, sagt sie, reicht’s schon. Da braucht es kein E-Bike.“
“Waren Sie die 30 Jahre immer solo unterwegs – ein Einzelzeitfahren?”
“Nein, gelegentlich lutschte Luzifer an meinem Hinterrad. Ich solle doch einfach umdrehen, hat er gesüßholzraspelt – abwärts würde es sagenhaft leicht laufen und ich müsste mich nicht mehr plagen und das Etappenziel wäre direkt bei ihm zu Hause! Aber ich blieb standhaft.”
“Hat es sich gelohnt?”
“Na ja, ich habe einen netten Job hier im Himmel bekommen – Trainer der himmlischen Fahrrad-Kuriere. Denn die himmlischen Botschaften an die Erdbevölkerung werden inzwischen fast alle mit dem Bike überbracht. Weil die vorher eingesetzten Express-Engel mit ihren Schallgeschwindigkeiten dauernd Löcher in die Ozonschicht des Paradieses gerissen haben. Umweltschutz ist der letzte Schrei hier oben.”
“Fahren Sie auch selbst noch?”
“Gelegentlich Tandem, mit Fausto Coppi. Und zusammen mit Marco Pantani, der 2004 hier eintraf, sowie mit Knud Jensen, dem Dänen, der 1960 in Rom wegen Doping im olympischen Straßenrennen starb, wollen wir an der Himmels-WM im Vierer-Mannschaftsfahren teilnehmen.”
“Als haushohe Favoriten natürlich…”
“Ach was, haben Sie eine Ahnung – klarer Favorit ist der Evangelisten-Vierer mit Matthäus/Markus/Lukas/Johannes. Wir werden zwar versuchen, denen die Hölle heiß zu machen – aber die haben offensichtlich Tricks drauf.”
“Doping?”
“Also ich will ja nichts gesagt haben – aber von Mannah alleine kriegt man keine solchen Waden wie diese Burschen!”
“Und wer ist Favorit für das Einzel-Rennen?”
“Der Junior-Chef natürlich. Manche tuscheln, weil er immer einen Abschneider nimmt und über den See radelt. Aber laut sagen traut sich keiner was.”
“Auch der oberste Herr selbst nicht? Wie ist er denn überhaupt so?”
“Nun ja, er ist…” (tuuuuut-tuuuuut-tuuuuut – Leitung unterbrochen)
Jupp Suttner