Wenn man Italiener fragt, wer ihr liebster Deutscher sei, ist die Antwort zunächst eindeutig. Liebe? Liebster? Keiner. Fragt man dann, wer der geschätzteste (il piu stimato) sein könnte, liegt man bei Bismarck falsch, bei Papst Benedikt XVI nicht ganz falsch, einige Fratelli werden einen Adolfo nennen. Aber an einem kommt keiner vorbei: an Federico II, der vor allem im Süden noch mehr verehrt wird als Padre Pio. Lustig ist nur, dass er, Friedrich II. von Hohenstaufen, in Italien, im märkischen Jesi geboren wurde, und er als Federico II di Svevia in Italien nicht als Deutscher gesehen wird, obwohl Svevia, Schwaben, eindeutig in Deutschland liegt. Er gilt als der ideale Herrscher, weise, ein Mann der Kultur, der Toleranz, aber auch der kraftvollen Regentschaft. So einen wie ihn hatten sie weder davor noch danach.

Friedrich II im Kastell von Roseto Capo Spulico
Dass wir diesen “Stupor Mundi” – das Staunen der Welt – in der Sibaritide besuchten, lag daher nahe, zumal er nicht nur in Sizilien, dessen König er ab 1198 war, und in Apulien, sondern auch in Kalabrien sichtbare Spuren seiner außergewöhnlichen Herrschaft hinterlassen hat. Die Sibaritide, ein fruchtbares Gebiet an der ionischen Küste Kalabriens, war für den Stauferkaiser von strategischer und politischer Bedeutung.
Zwischen Mittelmeer und Gebirge gelegen, verband sie wichtige Handelsrouten, die es erlaubten, die gefährliche Fahrt vom Golf von Tarent um Italiens “Stiefelspitze” ins Tyrrhenische Meer und um den “Absatz” herum in die Adria zu vermeiden. Zugleich bot sie fruchtbare Böden, die für die Landwirtschaft von unschätzbarem Wert waren. Friedrich II., der als aufgeklärter Herrscher, Bauherr und Verwalter sich gleichermaßen einen Namen gemacht hatte, ließ hier mehrere Burgen und Festungen errichten oder ausbauen, um seine Macht zu festigen und die Region zu kontrollieren.

Das Kastell von Oriolo
Zu den bekanntesten zählen die Kastelle in Roseto Capo Spulico, Oriolo, Castrovillari, Corigliano Calabro und Rocca Imperiale. Diese Bauwerke, oft auf Anhöhen errichtet, zeugen von strategischer Planung: Sie dienten nicht nur zur militärischen Überwachung, sondern auch als Verwaltungszentren und Zeichen kaiserlicher Präsenz. Friedrichs Interesse an dieser Region war kein Zufall: Die Sibaritide war schon in der Antike ein bedeutendes kulturelles Zentrum. Die griechische Stadt Sybaris war Synonym für Luxus und Raffinesse – ein Umfeld, das dem kulturbegeisterten Stauferkaiser durchaus gefallen haben dürfte. In seinem sizilianischen Hof, einem Schmelztiegel aus lateinischer, griechischer, arabischer und normannischer Kultur, spiegelte sich die Vielfalt Süditaliens wider – und Kalabrien gehörte dazu. Friedrich II. betrachtete seine Bauten nie nur als militärische Anlagen. Sie waren Ausdruck seiner Vision eines rational geordneten Reiches. Auch in der Sibaritide nutzte er die Architektur als Mittel der Herrschaft und der Zivilisation. Die Schlösser dort sind bis heute stille Zeugen einer Epoche, in der sich früh-mittelalterliche Macht mit erstaunlicher Modernität verband.
Besonders das Castello di Roseto Capo Spulico, malerisch über dem Meer gelegen, wird mit Friedrichs Namen in Verbindung gebracht – auch wenn die genaue Datierung seiner Beteiligung umstritten ist. Es vereint typische Merkmale staufischer Architektur mit lokalen Einflüssen.
Castrum Petrae Roseti (Castello della Pietra di Roseto) liegt oberhalb von Trebisacce direkt an der Küste, gebaut worden ist es wohl zur Zeit von Sybaris, die Normannen wollten damit die Grenze zwischen den Herrschaftsbereichen von Roberto il Guiscardo und von Ruggero, seinem Bruder, markieren. Friedrich erbaute es weitgehend neu. Seine letzte Form fand es im 16. Jahrhundert und schaut seit dieser Zeit über den Landvorsprung von Cardone und auf einen beliebten Ferienort mit etwa 2000 Einwohnern, Roseto Capo Spulico. Der Name Roseto bezieht sich die Rosen, mit deren Blüten die Decken der sibaritischen Prinzessinen gefüllt waren. In seinem Zentrum besichtigen wir die Chiesa Madre, den Palazzo Baronale und natürlich die engste Gasse Europas, den Vico degli Innamorati, il vicolo più stretto d’Europa. Früher trafen sich hier Verliebte, die sich ungestört von neugierigen Blicken küssen wollten. Wir dagegen kletterten auf Friedrichs Burg, ließen den Zauber der Mauern und des Blicks über das Meer und über das Land bis zum Monte Pollino auf uns wirken, bevor es weiterging zur Rocca Imperiale, wo schon Sindaco Giuseppe Ranù, sein Vize Antonio Favoino und Assessor Marino Buongiorno auf uns warteten: “Unser Ort ist berühmt für seine Zitronen”, erzählte der Bürgermeister, “für das Kastell und sein historisches Zentrum. Mit Veranstaltungen wollen wir die Bekanntheit von Rocca Imperiale festigen.” Deswegen wird es vom 11. bis 17. August ein Festival für Videos geben, das Cinema d’Amare, vom 20. bis 23. August geht es in der “manifestazione sul limone IGP di Rocca Imperiale” um das “gelbe Gold der Stadt”, die Zitrone.

Das Schloss von Altomonte
Gut, Bürgermeister, Ranù, ich hoffe, dass viele kommen. Aber nun in die Ruine des Kastells aus dem 13. Jahrhundert, das der Stauferkaiser Friedrich II erbauen ließ. Diese Burg wurde in der Zeit vom 15. bis zum 17. Jahrhundert mehrfach erweitert und umgebaut. Seit einigen Jahren sind Bemühungen im Gange, mit Hilfe von EU-Geldern Restaurierungsarbeiten durchzuführen. Ein Erlebnis eigener Art ist der Besuch der langen und verzweigten Gänge unter der Festung. Zum Klang der Hufe und der Trommeln entsteht im Kopf das Mittelalter neu mit seinen Geschichten und Tragödien, etwa die eines Mädchens, das sich hier suizidierte, weil Friedrich sie zurückwies. Kein Wunder, dass einige Szenen des Films Indiana Jones hier gedreht wurden. Innerhalb des Gemäuers kann man nach oben gehen, an den Ställen des Pferde vorbei, bis man wieder im Freien ist, zu den Füßen liegt der Ort, der sich wie eine Spirale um einen Berg schmiegt.
Ranùs Vize Favoino erzählt von der Liebe Friedrichs II zur Sibaritide, zur Jagd mit dem Falken und Traktate zu schreiben. “Er ließ das Kastell 1225 bauen, als er sich in Oria bei Brindisi befand und auf seine Braut, Jolanda von Brienne, die Tochter des Königs von Jerusalem wartete, und so den vierten Kreuzzug vermied, was ihm die Exkommunizierung durch die Kirche einbrachte.”
Endlose Geschichte und Geschichten, erzählt vor einem faszinierenden Ausblick über den Golf von Tarent, den Monte Pollino und das Naturschutzgebiet des Sila. Direkt vor den Augen: Strand, Häuser, Leben. Rocca Imperiale Marina liegt nur 200 Meter vom Meer entfernt, der Strand ist etwa 7 km lang. Zahlreiche Zitronenbäume zieren den Ort. Nicht nur Zitronen fühlen sich hier wohl, Orangen- und Mandarinenbäume, Olivenhaine, Gemüse und Weintrauben – und alle finden ihren Weg in die leichte Küche der Region.
Eines der am besten erhaltenen Kastelle ist das von Oriolo , zusammen mit der Kirche San Giorgio Martire prägt es die Altstadt. Gebaut wurde es zur Verteidigung gegen die Sarazenen . Heute sind noch drei Türme zu besichtigen, der vierte fiel einem Erdbeben zum Opfer. Friedrich II übernahm Oriolo von Roberto il Guiscardo, Fürst von Apulien und Kalabrien, nach dem Schwaben-Kaiser kam 1265 Karl von Anjou, dann erlebte das Kastell den Aufstand der Barone. Geschichte hört nicht auf, und der Besucher erlebt im Jahre 1647 in Oriolo die Revolte des Masaniello, Das Kastell wurde belagert und ausgehungert, bis der Fürst aufgab.
Geschichte geht bis heute, bis zu Friedrich. Nein, nicht Friedrich III, sondern Friedrich Merz. Dass er der beliebteste Deutsche in Italien wird, ist nicht anzunehmen. Ein geschätzter? Vielleicht. Zu sehr kuscheln mit Schwester Meloni von den Fratelli darf er nicht, vielleicht gelingt es ihm, Kontakt mit der gesellschaftlichen Mitte des Landes zu finden. Die Universität von Urbino soll ihm, wenn man Gerüchten glauben darf, eine Ehrendoktorwürde anbieten. Urbino liegt jedenfalls in der Region, den Marken, in deren Stadt Jesi Friedrich II geboren wurde. Wäre ein erster Schritt, ins Staunen zu geraten.