100 Jahre Bayern – was für ein prächtiges Jubiläum, das am heutigen 7. November gefeiert wird! Wer freilich seinen Stolz darüber auf beispielsweise dem Marienplatz während des Glockenspiels einem sagen wir mal Japaner verkündet – wird nur ein Stirnrunzeln ernten: „Solly“, wird sich der Herr aus Tokio beschämt entschuldigen, „aber ist nicht kollekt“. Denn der FC Bayern sei doch nicht 100, sondern bereits 118 Jahre alt.
So weit sind wir gekommen, dass man in Nichtbayern unter Bayern stets den FC versteht. Doch das Jubiläum der 100 Jahre bezieht sich nicht auf die Rothosen, sondern auf ein weißblaues Konstrukt: den Freistaat Bayern. Er nämlich wurde im November 1918 kreiert – mittels einer Revolution. Und zwar einer völlig unblutigen:
60 000 Menschen hatten sich vier Tage vor dem offiziellen Ende des 1. Weltkriegs, am 7. November 1918, auf der Münchner Theresienwiese, also dem Oktoberfestareal, zu einer Novemberdemonstration versammelt, in deren Verlauf die Wittelsbacher Monarchie gestürzt und eine Republik installiert wurde.
Nach Mitternacht rief der Sozialist Kurt Eisner den Freistaat Bayern aus und gab deren ersten Ministerpräsidenten. Sozialdemokarten, Sozialisten und Kommunisten wechselten sich anschließend teils wochenweise in der Regierung ab, Künstler und Anarchisten mischten gleichfalls mit – bis im Februar 1919 Eisner ermordet und im Mai von reaktionären Kräften mittels einer blutigen Niederschlagung die Räterepublik entmachtet wurde.
Der Beginn des Freistaats Bayern war also ein heftiger – und niemand hätte sich damals vorstellen können, dass dereinst auf diesen 70 000 Quadratkilometern ein Biotop für Laptop und Lederhose entstehen würde. Die von Bundespräsident Roman Herzog in den 90iger-Jahren verkündete Verknüpfung von besagtem Laptop und einer hirschledernen Beinbekleidung geriet derart erfolgreich, dass viele felsenfest der Überzeugung anhängen, die LapLed-Partei CSU habe Bayern erfunden – und nicht etwa der liebe Gott, wie jedermensch weiß.
1946 schließlich erhielt der Freistaat Bayern eine Verfassung. „In jener ist unter anderem geregelt“, las das TOP MAGAZIN MÜNCHEN für eine Reportage nach, „dass man als Bürger das Recht besitze, Pilze in ortsüblichem Umfange zu sammeln.“ Worum sich die allerersten Menschen, die hier vor rund 300 000 Jahren lebten, noch nicht gekümmert haben dürften. Denn richtige Bayern waren das noch nicht.
Etwa 400 Jahre vor Christi Geburt tauchten die ersten Kelten auf, 115 Jahre nach der Zeitenwende die Römer und 551 ist erstmals der Begriff Bajuwaren registriert – Typen, die sich laut Wikipedia „in einem Verschmelzungsprozess aus verschiedenen Gruppen gebildet“ hätten. Und zwar neben den Boiern aus Böhmen und der keltischen Urbevölkerung auch noch aus „elb- und ostgermanischen Kleinstämmen, ansässigen Römern, alemannischen, fränkischen und thüringischen, ostgotischen und langobardischen Flüchtlingen sowie Nachkommen germanischer und anderer Söldner der dort früher stationierten römischen Grenztruppen“.
Es darf also konstatiert werden:
Erstens, dass Bayern bei seiner Entstehung ein absolutes Multikulti-Sammelsurium mit vielen Flüchtlingen war.
Und dass zweitens dessen heutige hundert Jahre alte Form namens „Freistaat“ von total linken Revolutionären ins Leben gerufen wurde.
Wenn das die Menschen an den hiesigen Stammtischen wüssten…
Jupp Suttner
Infos über alle Veranstaltungen zum Anlass 100 Jahre Freistaat Bayern: www.wir-feiern.bayern
Video zur Liebeserklärung an die Schönheit und Einzigartigkeit Bayerns: https://www.bayern.by/reisen/100-sekunden-bayern