Herbstreise ins Weihnachtsland Thüringen

Viele weihnachtliche Traditionen stammen aus Thüringen: dazu gehören sowohl der Weihnachtsbaum selbst, der Christbaumschmuck, aber auch viele klassische Weihnachtslieder. Kein Wunder also, dass in Thüringen Weihnachten ganz großgeschrieben wird.

Lauscha ist das Zentrum des Glasbläser-Handwerks.


Bereits die Deutsche UNESCO Kommission würdigte das Handwerk in Thüringen und ernannte im März 2021 die Herstellung von mundgeblasenem, gläsernen Lauschaer Christbaumschmuck zum immateriellen Kulturerbe. Ein Ritterschlag für die Region und auch Motivation für zukünftige Projekte wie das „Weihnachtsland am Rennsteig“. Denn hier in Südthüringen entsteht gerade eine neue und einzigartige Urlaubsregion rund um Weihnachten, um das Handwerk, die Tradition und die Geschichte sichtbar zu machen. Für Einheimische und Gäste wird es im Dezember 2023 offiziell eröffnet.

Lauscha und seine Schieferhäuser liegen idyllisch im Thüringer Wald.


Lauscha ist die Geburtsstadt des gläsernen Christbaumschmucks, eine Kleinstadt am südlichen Rennsteig. Vor allem aber ist es der Geburtsort der Christbaumkugel. Der Legende nach konnten sich die Glasbläser von Lauscha keine Nüsse oder Äpfel leisten, um ihre Christbäume zu dekorieren. Und so stellte einer von ihnen gläserne Kopien der Früchte her. Schriftlich belegt ist der Christbaumschmuck erstmals für das Jahr 1847. Doch es dauerte noch 20 Jahre, bis die technischen Voraussetzungen für eine Massenproduktion geschaffen waren, um große und dünnwandige Kugeln zu blasen. Hilfe erhielten die Thüringer aus den USA: Um 1880 erfuhr F. W. Woolworth von den gläsernen Kostbarkeiten und verkaufte sie für stolze 25 Dollar in seinem Laden in Pennsylvania. Um 1900, als Woolworth schon eine Kaufhauskette war, hatten die funkelnden Kugeln, Engel, Weihnachtsmänner, Sterne und 5.000 anderen Glasvariationen bereits die Welt erobert. Das Museum für Glaskunst Lauscha dokumentiert diese erfolgreiche Episode der Regionalgeschichte. Darüber hinaus erfahren die Besucher, wie sich die Glasbläserei hier seit der frühen Neuzeit entwickelt hat.

Die Elias Farbglashütte in Lauscha kann besichtigt werden.

In der Region fertigen und bemalen noch heute zahlreiche Betriebe Weihnachtsbaumschmuck von Hand. Glasbläser laden in ihre Werkstätten und bieten die filigranen Stücke zum Kauf an.

Magdolna Hähnlein hat sich in Lauscha auf viktorianischen Weihnachtsschmuck spezialisiert.

Das Herzstück der Glasbläserstadt Lauscha bildet die rund 150 Jahre alte Farbglashütte, in der Besucher den Entstehungsprozess von Röhren und Stäben für das weiterverarbeitende Kunsthandwerk live miterleben können.

Kunstmalerin Katrin Albrecht in ihrem Malstübchen in Lauscha.

Bereits in fünfter Generation betreibt die Familie von Helmut Bartholmes die Glasbläserei, er hat sich unter anderem auf filigrane vögel als Weihnachtsbaumschmuck spezialisiert.

Fingerspitzengefühl und langen Atem braucht man, um Weihnachtskugeln herzustellen.

Es gibt kaum eine Familie im Umkreis von Lauscha, die nicht mit dem Glasbläserhandwerk zu tun hat. So auch die Familie von Helmut Bartholmes, die bereits in fünfter Generation Christbaumschmuck aus Glas fertigt. Die Glasbläserei „Thüringer Weihnacht“ ist eine jener Glasbläsereien im Thüringer Wald, in der der Christbaumschmuck noch ganz traditionell gefertigt wird. Von den Rohlingen, die in der heißen Flamme erhitzt und in die gewünschte Form gebracht werden, bis hin zum Bemalen oder Aufbringen des glänzenden Goldgitters wird alles von Hand gefertigt. Der Schatz des Betriebes sind die Musterbücher und Glasfiguren, die größtenteils aus den Zeiten des Urgroßvaters stammen. Weihnachtsmänner, Vögel, Nüsse oder Früchte aus Glas – rund 800 Formen sind hier verzeichnet. Bei einem Besuch in der Werkstatt in Limbach kann man sich im Werksverkauf Ideen für den eigenen Weihnachtsbaum holen und natürlich auch kaufen.

Im Glasatelier Tresselt gibt es Christbaumschmuck vom Feinsten.

Auch Andreas Tresselt aus Lauscha produziert filigranen Weihnachtsbaumschmuck in seinem Glasatelier. Bei ihm kann man darüber hinaus unter Anleitung eigene Kugeln herstellen.
Papiermaché am Weihnachtsbaum: Wie bei Marolin ein altes Handwerk auflebt, erlebt man in Steinach. Auf den ersten Blick ist das Material der filigranen Christbaumkugeln nicht zu erkennen. Wunderbar leicht sind sie, aber dennoch nicht so zerbrechlich wie Glas. Dieser einzigartige Weihnachtsschmuck ist aus einem ganz altem Material: aus Papiermaché. Dieser besondere Werkstoff verhalf der Region um Steinach ab 1815 zum Durchbruch.

In der Marolin Manufaktur wird mit Papiermaché gearbeitet.

Beim Familienunternehmen Marolin Manufaktur wird das traditionelle Handwerk damals wie heute Schritt für Schritt in Handarbeit ausgeführt, vom Drücken oder Gießen in die Formen, über das Zusammenkleben von Kleinstteilen bis hin zum Bemalen und Patinieren. Den besonderen Reiz des Christbaumschmucks macht vor allem die unaufdringliche Farbgebung in schlichtem Weiß mit sparsamen Golddekoren aus. Heute herrscht rege Nachfrage nach den nostalgischen Figuren und Dekorationen, sodass die Werkstücke weltweit exportiert werden. Wer mag, kann die Firma besichtigen und im Werksverkauf mit umfangreicher Weihnachtsausstellung die Figuren bestaunen und natürlich auch kaufen.

Im Weihnachtsbahnhof Sitzendorf kann man bunten Weihnachtsschmuck finden.

Auch im wildromantischen Schwarzatal liegt ein echter Schatz verborgen, die Thüringer Bergbahn. Als einzige Bergbahn kann sie normalspurige Personen- und Güterwagen transportieren und lässt nicht nur die Herzen von Eisenbahnfans höherschlagen. Besonders beeindruckend: die 1,4 km lange Strecke mit 25% Steigung.

Die Thüringer Bergbahn feiert 2023 ihr 100-jähriges Bestehen.

Bereits um 1880 reiste Frank Winfield Woolworth, wie eingangs erwähnt, nach Thüringen, um den außergewöhnlich schönen Christbaumschmuck persönlich zu ordern. Kurze Zeit später verkaufte Woolworth bereits mehr als 200.000 Stück des zerbrechlichen Christbaumschmuckes in seinen Amerikanischen Kaufhäusern. Heute ist es auch die Firma Nostalgie- Christbaumschmuck, die Ihre alten Formen in den USA verkauft. Der Werksverkauf im Weihnachtsbahnhof Sitzendorf lädt zum Staunen und Kaufen ein. Ein Rundgang durch Lauscha ofenbart weitere Weihnachtsschmuckstücke, so zum Beispiel Magdis nostalgischer Christbaumschmuck. Bereits am Ausgang des 19. Jahrhunderts wurden die Glasornamente in Lauscha mit zusätzlichen schmückenden Accessoires versehen. Es war die Geburt des Victorianischen Schmuckes. Neben den geprägten Glanzbildern – sogenannten “Oblaten” – kamen auch Kantille und leonische Drähte zum Einsatz um diesem Christbaumschmuck ein opulentes Aussehen zu geben. Zu den schönsten Produkten der vergangenen 20 Jahre gehören die Kostbarkeiten aus der Werkstatt von Magdolna Hähnlein. Im Glasatelier Andreas Tresselt fertigt der Glasbläsermeister für traditionelle Glasgestaltung von lampengeblasenem Glas wahre Kostbarkeiten an. Er ist Spezialist für Einzelanfertigungen, von Repliken nach alten Mustern bis zu modernen Designs, wie den wunderbaren aus Hohlglas gefertigten Gläsern und Karaffen. Im “Malstübchen” von Katrin Albrecht werden kleine, mittlere, große und riesengroße Glaskugeln, Glasglocken und Vasen und Teelicht-Halter durch zarte Winterlandschaften verzaubert. Von innen beleuchtet – durch eine Lampe oder durch eine Kerze – sind sie ein wunderschöner Weihnachtsschmuck. Die Lauschaer Glasbläser entwickelten Ende des 19. Jhd. den Victorianischen Christbaumschmuck- vor der Lampe frei geblasen, mit wertvollen Materialien (Leonischen Drähten, Dresdner Pappe, Edelsteinen) aufwendig dekoriert, jedes Teil ein kleines Kunstwerk- ein Unikat. Auch Glasbläsermeister Dietbert Bätz ist der Spezialist für freigeformte Weihnachts- Glasdekorationen.
Haben sie schon einmal eine grüne Gurke am Weihnachtsbaum gesehen? Manchmal passen Dinge zusammen, die auf den ersten Blick keine Gemeinsamkeiten haben. Wie zum Beispiel die Gurke und das Weihnachtsfest. Aber wenn man dann genauer hinschaut, erkennt man die Verbindung. Denn es ist schon lange Tradition in Thüringen, eine Gurke als Christbaumschmuck an den Weihnachtsbaum zu hängen. Durch ihre grüne Farbe ist sie nicht ganz so leicht zu entdecken. Wer sie aber als erster findet, ohne den Baum zu berühren, bekommt das erste Geschenk. Schon um 1900 soll im thüringischen Lauscha die erste Weihnachtsgurke geblasen worden sein, die „Urgurke“, sozusagen. Noch heute wird sie nach alter Tradition und in echter Handarbeit hierhergestellt.

Weihnachtsschmuck ist nicht nur bunt, auch in Silber wirkt er elegant.

Einer Thüringerin ist es zu verdanken, dass der Weihnachtsbaum in der ganzen Welt berühmt wurde. Adelheid von Sachsen-Meiningen (1792-1849), sieben Jahre lang Königin von England, importierte zur Freude ihrer zahlreichen Nichten und Neffen den deutschen Christbaum nach Großbritannien. Ihr ist zu verdanken, dass der Weihnachtsbaum in der ganzen Welt berühmt wurde. Aufgewachsen ist Adelheid im Schloss Elisabethenburg in der Theaterstadt Meiningen. Im Meininger Schloss Elisabethenburg ist ihr zu Ehren das Blaue Cabinet als Memorialstätte eingerichtet worden. Und was fehlt noch zum Weihnachtsglück? Musik natürlich. Wer kennt sie nicht: „O Tannenbaum“, „Alle Jahre wieder“ und das berühmte „Weißt du, wieviel Sternlein stehen“: Einige der bekanntesten und am häufigsten gesungenen Weihnachtsliedern haben ihren Ursprung in Thüringen. „O Tannenbaum“ wurde durch Ernst Anschütz zum Weihnachtslied, die beiden anderen stammen aus der Feder des Thüringer Wilhelm Hey und von Martin Luther. Auf Weihnachtsmärkten läuft zudem das Lied „O du fröhliche“ in Dauerschleife. Der Text der ersten Strophe stammt von Johannes Daniel Falk, einem Weimarer Schriftsteller und Pädagogen. Falk hatte während der napoleonischen Besatzung innerhalb weniger Monate vier seiner sieben Kinder verloren. Daraufhin gründete er die „Gesellschaft der Freunde in der Not“. Diese Fürsorgeeinrichtung nahm Kinder und Jugendliche auf, die der Krieg eltern- und heimatlos gemacht hatte. Für seine Schützlinge dichtete Falk 1815 „O du fröhliche, o du selige, gnadenbringende Weihnachtszeit“ – zur Melodie eines sizilianischen Fischerliedes. Später ergänzte ein Mitarbeiter zwei weitere Strophen. Und da die Lieder gern unter dem Weihnachtsbaum gesungen werden: auch dieser Brauch hat seinen Ursprung in Thüringen. Erstmals wurde im Jahr 1815 vom Weimarer Buchhändler Hoffmann für die armen Kinder der Stadt ein Christbaum an öffentlicher Stelle auf dem Weimarer Marktplatz errichtet. Dies war der erste öffentliche Weihnachtsbaum in Deutschland und der Brauch breitete sich rasch über Weimars Stadtgrenzen hinaus aus. Ein Muss zur Adventsschlemmerei ist der Thüringer Stollen bzw. das „Erfurter Schittchen“. Bereits 1329 wurde der Thüringer Weihnachtsstollen erstmals urkundlich erwähnt – er zählt damit zu den ältesten in Deutschland. Welch hohen Stellenwert diese kulinarische Tradition im Land hat, zeigt unter anderem ein eigens dafür einberufener Schutzverband, der Thüringer Stollenverband, und eine jährlich neu gekürte Thüringer Stollenkönigin.
Heute hängen die Christbaumkugeln aus Lauscha an den Weihnachtsbäumen auf der ganzen Welt. Der Weg aus der Glasbläserstube in die Welt war allerdings vor über 100 Jahren recht beschwerlich. Der Weg der Kugel führte zunächst von Lauscha ins benachbarte Sonneberg. Zu Fuß, bei Wind und Wetter, durch Wälder und über Berge und quer durch das Thüringer Schiefergebirge ging es vor allem für die Frauen der Glasbläser mit der schweren und zerbrechlichen Ladung im Weidenkorb auf die rund 15 Kilometer lange Strecke. Die Verleger in Sonneberg nahmen die Glaskunst mit auf die Leipziger Messe. Von da aus verbreiteten sich die farbigen Glaskugeln weiter. Wer in die Fußstapfen der Glasbläserfrauen treten will, der kann sich am Hüttenplatz in Lauscha auf den Lauschaer Glasbläserpfad – einem Wanderweg bis zum Marktplatz in Sonneberg – begeben. Einen Stopp sollte man dabei unbedingt im Museum für Glaskunst in Lauscha, im Deutschen Schiefermuseum in Steinach oder im Deutschen Spielzeugmuseum in Sonneberg machen.

Die “Thüringer Kirmes” ist ein meisterwerk im Deutschen Spielzeugmuseum in Sonneberg.

Informationen zum Weihnachtsland Thüringen
Mehr Informationen gibt’s bei der Thüringer Tourismus GmbH unter:Telefon +49 (0) 361-37420 service@thueringen-entdecken.de und www.thueringen-entdecken.de
https://weihnachtsland.thueringen-entdecken.de
www.lauscha.de und www.deutschesspielzeugmuseum.de
Übernachten:

Gestyltes Ambiente gibt es im Boutique-Hotel Schieferhof in Lauscha.

Schickes Boutique-Hotel Schieferhof, Eisfelder Str. 26 in 98724 Neuhaus am Rennweg, Tel. 03679-7740, info@schieferhof.de und www.schieferhof.de
Essen und Trinken:
In Lauscha www.gasthof-gollo.de
Thüringer Bergbahn: www.thueringerbergbahn.com
Glasbläser mit Verkauf:
Unterweißbach: www.weihnachtsbahnhof-sitzendorf.de
Lauscha: www.farbglashuette.de
www.glasmuseum-lauscha.de
www.glaszentrum-lauscha.de
Victorian Christmas, Magdolna Hähnlein, Straße des Friedens 42, 98724 Lauscha, glaspoesie@t-online.de
Malstübchen, Katrin Albrecht, Straße des Friedens 16, 98724 Lauscha, k.a.malstuebchen@web.de
Andreas Tresselt, Straße des Friedens 15, 98724 Lauscha, www.glasatelier-tresselt.de
Neuhaus am Rennweg: www.glas-bartholmes.de
www.lauscha-glaskunst.com
Steinach: www.marolin.de

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Jörg Berghoff

Autor Kurzvorstellung:

Jörg Berghoff führt als freier Autor und Journalist seit 1998 ein Pressebüro für Tourismus, Kultur und Sport. Als Reisejournalist spezialisiert auf Irland, Großbritannien, Europa und Australien. Studium der Kunstgeschichte und Ethnologie, Winzermeister und Buchhändler.

Hinweis: Dieser Beitrag wird regelmäßig von Mitgliedern der Reise-Stories Redaktion wie Heiner Sieger, Gerhard Fuhrmann und Jupp Suttner auf Richtigkeit und Vollständigkeit geprüft. Falls Sie Anmerkungen zu diesem Beitrag haben, kontaktieren Sie bitte direkt hier die Redaktion.

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