Hafengeburtstag in Hamburg, Schietwetter, echt Hamburger Schietwetter, da darf man schon mal schimpfen, Ein Wechseln zwischen Nieselregen und kräftigen Duschen. Dazwischen trockene Phasen, damit man spüren konnte, wieweit sich die Nässe den eigenen Eingeweiden genähert hatte. Machte aber alles nichts. Endlich, nach zweijähriger Corona-Pause, wurde von Freitag, 16. bis Sonntag, 18. September 2022 der jährliche Hafengeburtstag gefeiert, wer mitgezählt hatte, der kam auf 833. „Leinen los – wir feiern wieder“, hieß es
Die Besucher erlebten, was sie erwartet und gesucht hatten, vielleicht abgesehen von dem Schietwetter. Das begann mit der Ein- und Auslaufparade der großen Schiffe, setzte sich fort mit dem Schlepperballett, als die kleinen bulligen Schiffe, die den großen Pötten helfen, ihren Platz im Hafen zu finden und zu verlassen, sich zum Walzerklang durch das Elbwasser drehten. Zusätzlich zu dem klassischen Kulturprogramm der Stadt gab es kostenlose Live-Konzerte und mediterrane, gastronomische Angebote des diesjährigen Länderpartners Kroatien. Von der Fischauktionshalle bis zur Elbphilharmonie, vom Traditionsschiffhafen, dem Museumshafen Oevelgönne bis zum Hansahafen in der Speicherstadt – der Hafengeburtstag hatte für jeden etwas dabei. Und der HSV gewann zum Abschluss am Sonntag 2:0 gegen Fortuna Düsseldorf.
Frieden zwischen den Religionen und den ihnen anhängenden Menschen versprach der Internationale Ökumenische Gottesdienst in der Kirche St. Michaelis. Von Pastor Alexander Röder und der Schauspielerin Barbara Wussow wurde im Dialog das Motto „Volle Kraft voraus“ den Gästen und Gläubigen vorgetragen. Das tat ebenso routiniert niemandem weh wie die Eröffnung durch den Ersten Bürgermeister Peter Tschentscher auf dem Museumsschiff Rickmer Rickmers. So schön, mal nicht wegen Steuergeschenken an eine Privatbank genervt zu werden. Die Inszenierung „Hamburgs Lichtermeer“, lieferte AIDA Cruises, die AIDAprima liegt an den Landungsbrücken vor Anker. Endlich mal keine Diskussion über die Umweltverträglichkeit der Kreuzfahrtschiffe. Hamburg ist nicht Venedig, die Tourismusindustrie kein Gegner der Hansestadt, Und als der polnische Großsegler Dar Mlodziezy als Führungsschiff die Ausfahrtparade anführte, war zwar alles vorbei wie am Aschermittwoch in Köln, aber es war sehr schön auch ohne Aschenkreuz auf der Stirn. Alles „moin“, was natürlich nicht „Morgen“ heißt, sondern „schön und gut“.
Und manch einer der zahlreichen Gäste mag für sich oder seine Kinder den Entschluss gefasst haben, bei einem der technischen Dienste anzuheuern, etwa dem Zoll, dem Fischereischutz, der Bundespolizei, oder auf einem der Museums- und Traditionsschiffe. Vielleicht sogar auf einem Hochseeschlepper oder auf einem Kreuzfahrtschiff. Im Hamburger Hafen stellten sich eine Reihe faszinierender Arbeitsplätze vor.
Sogar diejenigen, die immer da sind und denen es mehr nach einem Joint als nach einem Job gelüstet, tauchten in Scharen auf. Unterhalb und oberhalb der Balduintreppe in Sankt Pauli war ihr Bereich. Eine Band machte eine Musik, die im Vergleich Rammstein klingen ließ wie den Vortragenden des Brünnleins vor dem Tore. Aber vermutlich sind Ohrenschmerzen ihre geringsten Probleme. Und die Mitglieder der Hamburger Anarchowelt boten friedfertig Kleinigkeiten wie Bratwürste, Bier und Alkohol zu „fairen“ Preisen an. Das Trinkgeld floss als Spende in entsprechende Büchsen. Denn sie, die Vertreter aus dem Kiez, junge und ältere Leute aus Altona und Sankt Pauli, hatten politische Botschaften, die sonst zwischen Elbphilharmonie und Michel nicht zu hören war. Es ging nicht um die Warburg-Bank, auch nicht um Wirecard. Kein Wort gegen Hamburger Prominenz war zu hören, wer motzt schon gegen die, die einem die Hängematte halten? Es ging um die Enteignung von Wohnungskonzernen, um Solidarität mit Geflüchteten, gegen die Kriminalisierung von Haschisch-Konsum oder von Seenotrettung, es ging gegen Nazis und die Kapitalisten. Es war eigentlich wie immer. Und ihr Auftritt, mit Tattoos, Dreadlocks und Metallringen durch Lippen, Ohren und Nase hatte keine Spur von Randale. Er war bürgerlich, es roch mehr nach Folklore als nach Dope und Urin. Der Regen hatte daran seinen Anteil. Wer nach Hass und Krawall Sehnsucht hatte, konnte sich ein T-Shirt kaufen, wo das wenigstens drauf stand.
Der Kiez und die Szene sind brav geworden Nachdem die queere Szene der Stadt mit dem „Harbour Pride“, bereits zu einem „Zeichen der Toleranz und Weltoffenheit“ geworden ist, sollte die Hamburger Tourismuswerbung auch die Protestler von der Balduintreppe im nächsten Jahr in ihre Vermarktungskonzept einbauen. Vielleicht aber war es nur eine Pause in deren Kampf für eine bessere Welt.
BU: Auch bei Regen eine Attraktion, der Hamburger Hafen, Copyright: hhh