Fuerteventura, auf der Insel der bunten Bänder

„Frühling lässt sein blaues Band wieder flattern durch die Lüfte; süße, wohlbekannte Düfte streifen ahnungsvoll das Land.“ Welches Land meint wohl der Dichter?  Lüfte? Frühling? Es könnte Fuerteventura sein, denn der Name heißt auf Deutsch: Starke Winde, und Winde gleich Lüfte. Und Frühling herrscht dort das ganze Jahr über – mindestens, es kann auch Sommer dabei sein. Also ist, da kann es keine andere Meinung geben, Eduard Mörike der erste Influencer dieser kanarischen Insel, obwohl er nie dort war. Der Inselpfarrer hatte ihn mal in seine Osterpredigt eingebaut, aber der Dichter ist außer einem Aufenthalt in Regensburg nie aus dem Königreich Württemberg hinausgekommen. Aber was ist mit dem Bande gemeint, das im Winde von Fuerteventura flattert? Na klar, es sind die Bänder, welche die Pauschalreisenden am Handgelenk tragen.

Das Geheimnis ist damit gelüftet, und da die meisten Touristen, insgesamt jedes Jahr bis zu drei Millionen, davon ein Drittel Deutsche, überwiegend Pauschalreisenden sind, verwundert es nicht, dass die Bänder am Unterarm flattern. Die Farbgestaltung obliegt den Hotels.  In der ganz einfachen Unterkunft gibt es keines, in der gehobenen eines, das zum Betreten des Speisesaals abends berechtigt. Im Luxushotel mit 5 Sternen gibt es das rote Bändchen, das meint all Inclusive. Wer das am Arme trägt, und nicht nur das blaue für das Buffet abends, der lässt es gerne am Pool oder am Strand flattern, damit es jeder (jede) sieht und eine Ahnung davon bekommt, wer hier neben ihm (ihr) auf der Liege liegt. Und das ist so überall auf Fuerteventura, das Alphabet hinauf von Antigua, Caleta de Fuste, Casillas del Angel, Corralejo, Costa Calma, El Castillo, Jandia, La Oliva, Las Playitas, Pájara, Playa Barca, Puerto del Rosario bis nach Villaverde.

Da gibt es auch nichts zu kritisieren. Wer den Pauschalurlaub liebt, der kürt Fuerteventura gerne zu seinem Lieblingsziel. Jeder Stress wird ihm abgenommen, gut, er muss in den Flieger kommen. Das schafft aktuell Probleme. Aber dann: Baden im Pool oder im Meer, Ausruhen am Pool oder am Meer, die Einnahme der Mahlzeiten wo und wann organisiert mit Hilfe der Bändchen. Das ist er, der Pauschalurlaub. Auch das Nachtleben auf der Insel kann sich sehen lassen, zudem spricht man deutsch. An Sehenswürdigkeiten gibt es einige zu nennen, in der Nähe von Corralejo gibt es den unter Naturschutz stehenden Dünenpark, in La Lajita den Oasis-Park mit Tier-Shows und Kamel-Safari und einen botanischen Garten. In Tefia befindet sich das Museum Ecomuseo La Alcogida. Dem Pauschaltouristen werden unterschiedliche Exkursionen als optional trips angeboten. Die lokalen Vertreter der Anbieter stehen morgens ab 9:00 Uhr bereit, die entsprechenden Wünsche und Reservierungen entgegenzunehmen. Ein Problem: Da die Pauschalreisen zumeist auf billig getrimmt sind, reduziert jede Exkursion das Volumen dessen, was man sich mit Hilfe der Bänder zu Gemüte führen kann. Und es erhöht die Belastung für die Urlaubskasse, die ja entsprechend dem günstigen Preis der Pauschalreise eher knapp gefüllt war.

Das eigentliche Problem aber ist, Fuerteventura hat mehr zu bieten als Sonne, Strand, Meer, preisgünstige Hotels mit Pools und Wellnessoasen. Ja, der Tourismus boomt, aber er boomt an der Insel vorbei, es boomt eine Schablone. Ja, ist die Insel denn mehr als ein Wind, der Bänder wehen lässt? Ja, allerdings. Fuerteventura, das sind seine Menschen, die ihre Geschichte haben, und es ist die vulkanische Natur, deren Schönheiten über die menschliche Vorstellung von Geschichte weit hinausgehen. Hier denkt die Natur in Millionen Jahren.

Bevor die Spanier die Kanaren für sich beanspruchten, waren die Römer hier. Sie konnten mit den mehr als 100 Kilometer vor der afrikanischen Küste liegenden Inseln wenig anfangen. Die Spanier mit einer besseren Marine nutzten die strategische Lage, Drehscheibe zwischen Europa, Afrika und den beiden Amerikas zu sein, um sich vom Passat schieben zu lassen oder die Dieseltanks aufzufüllen. Die touristische Entwicklung folgte und verlief in Wellen. In einer Flaute diente Fuerteventura eine Zeitlang sogar als Strafkolonie. General Franco, ließ wie sein Vorgänger General Primero seine Widersacher auf Fuerteventura verschwinden.  Er legte 1954 eine Strafkolonie bei Tefía an, das „91 Batallón Disciplinario de Soldados Trabajadores Penado“, es war nichts besseres als ein KZ. Es dauerte bis in die 1960er Jahre, bis  die herrlichen Sandstrände von Fuerteventura konsequent touristisch erschlossen wurden, das Straflager von Tefía schloss 1966 seine Zellen. In dieser Zeit steuerte Rul Bückle eine DC-9 seiner Airline Südflug nach Fuerteventura, nachdem seine Gäste, die beiden Stuttgarter Architekten Manfred Heneke und Gustav Schütte, auf Teneriffa nicht den gesuchten Strand gefunden hatten. Zusammen mit dem Einheimischen Gustav Winter landete man am alten Flughafen in Los Estancos, fuhr dann nach Jandía zur Küste. Als sie die kilometerlangen weißen Sandstrände sahen, wussten sie, was zu tun war. Aus einem Ziegenstall entstand das erste touristische Hotel von Fuerteventura, die „Casa Atlantica“ mit 14 Zimmern. Das Buch „Turbulenzen“ erzählt diese Geschichte. 1968 wurde das zweite Haus das „Hotel Jandía Playa“ eröffnet. Und da es keine gastronomische Infrastruktur gab, wurde mit Partnern der  All-in Urlaub ins Leben gerufen. Und so ging es weiter, stets nach oben, bis zur Finanzkrise 2008. Erst 2014 wendete sich das Blatt wieder zum Guten. Heute haben die Verantwortlichen eingesehen, dass die Infrastruktur Fuerteventuras einen weiteren Boom nicht verträgt.  Einige Unternehmer sehen das nicht so, und in Corralejo, Jandia oder an der Costa Calma wird noch kräftig gebaut.

Natürlich gibt es Gegen-Angebote zum Urlaub mit dem Band, individuell reisen kann man überall hin. Wenn man Lust hat, das alles zu organisieren und wenn man das nötige  Budget hat, geht das natürlich auch auf Fuerteventura. Aber hier, an dieser Stelle, geht es darum, dem All-inclusive-Urlaub die Referenz zu erweisen und – trotzdem – auf drei Ziele hinzuweisen, die auch bei einer 24-7-Rundum-Bespaßung gesehen werden sollten.

Betancuria, einer der schönsten, parkähnlichen Orte, wurde bereits 1404 gegründet und war 430 Jahre lang die Hauptstadt von Fuerteventura. Er liegt ziemIich genau in der Mitte der 1800 Quadratkilometer großen Insel und ist gut erreichbar. Den Namen erhielt er nach dem französischen Adeligen Jean de Béthencourt, der Fuerteventura erobert hatte.

Ajuy ist ein idyllisches Fischerdorf an der Westküste. Der Sand seines Strandes ist eher dunkel bis grau. Er heißt „Playa de los Muertos“ an Erinnerung an Piratenüberfälle. Eine Küstenwanderung führt zu einem mit Holz bedeckten Kalkofen, in dem früher Kalkstein gebrannt wurde, dann zu den Höhlen von Ajuy , in denen die Piraten ihre Beute versteckt hatten.

Das dritte Ziel bedeutet Abenteuer. Man sollte gleichwohl den Versuch unternehmen, den Strand von Cofete zu erreichen. Es ist allerdings zum Einstieg in den Atlantik ungeeignet. Daher gibt es keine blaue Flagge, die es erlauben würde, keinen Bademeister, keine Liegen, keine Toiletten. Es gibt eigentlich nur Sand. Im Hintergrund sieht man die bis zu 800 m hohen Berge von Jandia, wolkenverhangen,  der Wind ist stark, die Wellen hoch. Die Leere und die Naturbelassenheit machen den Reiz aus. Lediglich die „Villa Winter“ grüßt vom Hang. In dem kleinen Dorf Cofete findet man nur eine Gaststätte. Das Problem ist die Anreise. Für Privatfahrzeuge ist die Straße gesperrt, weil die Reifen sie nicht ertragen. Man muss in Morro Jable den Bus nehmen, der fährt zweimal auf einer Schotterpiste von gut 8 Kilometer durch das Gebirge. Der Bus hat Allradantrieb und kann etwa 20 Passagiere transportieren. In Cofete hat man etwa 2 Stunden Zeit, wer den Bus zurück am Nachmittag verpasst, muss laufen. Das gilt auch, wenn der Bus nicht kommt. Das kann passieren. Egal, der Strand von Cofete hat was. Um mit Eduard Mörike abzuschließen: Der eingangs erwähnte Pfarrer von Fuerteventura erzählte in einer Predigt zu Ostern, wie der Dichter die Frage, was zuerst geschaffen wurde, das Ei oder das Huhn, mit der Antwort: der Osterhase löste. Hasen gibt es hier nicht. Aber am Strand von Cofete ist die Meeresschildkröte daheim. Die kanarische Antwort lautet also: Die Schildkröte war´s mit ihrem Ei. Wer sie besuchen will, muss dies selbst organisieren, das ist in keinem der angebotenen Pauschal-Bändchen enthalten.

Foto: Am grauen Strand von Ayui; Copyright: hhh

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Hans-Herbert Holzamer

Autor Kurzvorstellung:

Freier Journalist und Autor

Hinweis: Dieser Beitrag wird regelmäßig von Mitgliedern der Reise-Stories Redaktion wie Heiner Sieger, Gerhard Fuhrmann und Jupp Suttner auf Richtigkeit und Vollständigkeit geprüft. Falls Sie Anmerkungen zu diesem Beitrag haben, kontaktieren Sie bitte direkt hier die Redaktion.

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