Föhr, die liebenswerte Insel im friesischen Wind

Das Friesenmuseum in Wyk auf Föhr

Auf der Nordseeinsel Föhr gibt es neben der Stadt Wyk zahlreiche Dörfer, die sich ihren Charme unter reetgedeckten Häusern bewahren konnten, darunter Nieblum, das einmal als schönstes Dorf Deutschlands ausgezeichnet wurde, sowie Utersum mit den schönsten Sonnenuntergängen, wenn die Sonne scheint.

Der Wind kommt mir direkt entgegen, ich beuge mich tief über den Lenker des Fahrrads, das mir im Rahmen der Hotelbuchung zur Verfügung gestellt wurde, ein Damenfahrrad, kein E-Bike. Aber so klein ich mich auch mache, die Angriffsfläche genügt dem Wind, um mein Vorwärtskommen fast auf null zu reduzieren, gerade so, dass das Fahrrad nicht steht und ich nicht kippe. Zu meiner Rechten ist ein Entwässerungskanal nur  einen Meter breit, reinfallen möchte ich trotzdem nicht, zur Linken ein grüner Damm, der die Insel zum Wattenmeer abgrenzt. Ein Großteil der Insel liegt unter See-Niveau.

Eine windige Geschichte: Föhr oder Föhn?

Ich bin auf Föhr, man könnte das windige Eiland gerne Föhn nennen, wenn es nicht so frisch wäre. Friesische Karibik nennt sich Föhr. „Sa´n ünsinn“, würde ein einheimischer Friese sagen (hoffentlich).Es ist März und Nordsee-kalt. Aber schön, ich beklage mich ja nicht. Ich bin nur irritiert, wenn ich die Kilometerangaben auf dem Handy mit der Zeit vergleiche, die ich brauche. Ich wollte von Wyk, der Hauptstadt, zur Boldixumer Vogelkoje, zumal es von dort noch eine Landzunge in die Marsch hineingibt, Wattwanderungen erinnern mich an Ausflüge aus Kindestagen von Schobüll aus, wo das Landschulheim meines Gymnasiums war. Das Föhrer Watt ist sandig, das in Schobüll  schlickig, wenn es das Adjektiv zu Schlick gibt. Diesen, wenn eingetrocknet von Kinderbeinen zu reinigen war der Eltern reinstes Vergnügen.

Von den Föhrer Vogelkojen sind nur noch sechs übrig. Es hieß, man könne nur die Vogelkoje von Boldixum besichtigen. Sa´n ünsinn, auch diese Vogelkoje war zu, der Steg, der zu ihr führte, lag zerbrochen im Wasser. Und die Landzunge bedeckte das Meer. Es war Flut. Egal, viel frische Luft. Diese Kojen dienten früher dazu, Wildenten einzufangen, heute als ihr Rückzugsgebiet.

Föhr: Deutschlands größte Insel

Von meinem Hotel in Wrixum bis zur Vogelkoje waren es vielleicht 5 Kilometer, hin kein Problem, aber der Weg zurück gegen den Wind zum Hafen in Wyk kam mir vor wie 50 Kilometer. Dabei ist Föhr, das sich Deutschlands größte Insel nennt, die man nicht mit dem Auto erreichen kann, und auf Karten aussieht wie ein Grünkohl im Meer vor den Inseln Amrum und Sylt, so groß nicht. Es sind 82 Quadratkilometer Fläche, 15 Kilometer Sandstrand und 22 Kilometer Deiche. Man erreicht die Insel nach einer Fahrtzeit von weniger als einer Stunde von Dagebüll Mole aus und hat während der Fahrt die Halligen zu seiner Linken.

Es gibt neben der Stadt Wyk zahlreiche Dörfer, die sich ihren Charme unter reetgedeckten  Häusern bewahren konnten, darunter Nieblum, das einmal als schönstes Dorf Deutschlands ausgezeichnet wurde, sowie Utersum mit den schönsten Sonnenuntergängen, wenn die Sonne scheint.Wrixum hat mit dem Inselhotel Arfsten eine Unterkunft, die einer norddeutschen Puppenstube gleicht, in Blau-Weiß gehaltener Einrichtung und in ruhigster Lage. Vom Hafen sind es zu Fuß gut 20 Minuten, es lohnt eine Fahrt mit der Taxe, da man das Radl erst im Hotel in Empfang nehmen kann. Zu besuchen ist auch die Windmühle von Wrixum, die gut zu tun hätte, denn das Mahlwerk funktioniert, aber sie dreht sich nicht.

Selbst in der Mitte von Föhr ducken sich die Häuser

In Alkersum, fast in der Mitte von Föhr finde ich nach erneut windiger Anreise, hier ducken sich auch die Häuser, das „gemeinnützige Museum Kunst der Westküste“, das 2009 von dem Unternehmer Frederik Paulsen gestiftet wurde, dessen Familie aus Alkersum stammt. Im „Grethjens Gasthof“ kehrten bereits im 19. Jahrhundert Künstler aus Deutschland und Dänemark sowie Einheimische ein. Mit einem anspruchsvollen Programm hat sich das Museum binnen weniger Jahre zu einem kulturellen „Leuchtturm“ entwickelt. Es sammelt, erforscht und vermittelt Kunst, die sich mit den Themen Meer und Küste auseinandersetzt.

Aktuell gibt es drei Ausstellungen: Über das Sichtbare hinaus, Bilder von Jochen Hein und Miguel Rothschild. Dann: Erinnern, fotografische Positionen von Nicole Ahland, Corina Gertz und Kris Scholz. Und schließlich: Momente der Klarheit, Janus la Cour und das neue Bild der Natur. Alle drei Ausstellungen verdienen eigene Berichte und haben sie auch von Berufenen bekommen. Die Reflexion ihrer Werke angesichts der eher beschaulichen Umgebung der Insel Föhr fasziniert auch den eher unbedarften Besucher. Duckt sich die Insel nicht nur vor der Natur, vor dem Meer, vor einer erneuten Grote Mandränke, wie die Sturmflut  von 1362 genannt wurde? Duckt sie sich nicht auch vor den drohenden Gefahren der Gegenwart?

Aktuelle Kunstausstellungen auf Föhr

Zwei Ausstellungen hat das Museum in Vorbereitung: The Outer Inner World von Nicolai Howalt (ab 15. Juni 2025) und Mittsommer! Stimmungslandschaften des Nordens 1880–1920 (ab 06. Juli 2025)  bis 11. Januar 2026.

Die Affinität zu dänischen und nordeuropäischen Künstlern ist kein Zufall, wie ein Blick in die Geschichte Föhrs lehrt. Ein Gang über den Friedhof der St. Johanniskirche von Nieblum, des Friesendoms, führt in das goldene Zeitalter der Föhrer Walfänger und Seefahrer. Die „sprechenden“ Grabsteine geben Auskunft über Erfolge und Scheitern der Männer, die vor allem aus Jütland kamen. Ihr erfolgreichster war der „glückliche Matthias“. Unter den 265 Grabplatten ist auch einer für eine Frau, die „erbare und dogentsame Frouwe Ingge Rouwertsen“, gestorben im Jahr 1620.

Begegnung mit Kapitän Jürgen Rickmers

Da ich es genauer wissen wollte, schwang ich mich wieder aufs Fahrrad und fuhr zum Friesenmuseum, der Wind blies, aber da die Route von Wrixum zum Museum überwiegend durch die Straßen von Wyk führt, kam ich nach einer halben Stunde dort an.  Das Dr.-Carl-Häberlin-Friesen-Museum hat nach Neueröffnung eine Dauerausstellung, die Traditionen und Brauchtum der Insel in den Mittelpunkt stellt, von längst vergangenen Zeiten bis heute. Essentiell hat sich nichts geändert, bis auf den Fischfang, der zugunsten von Ackerbau und Viehzucht zurückging.

Im Museum begegnete ich dem Seefahrer Jürgen Rickmers selig aus Süderende. Schon mit 23 Jahren wird er Kapitän auf einem amerikanischen Segelschiff. Er steuert im 19. Jahrhundert die wichtigsten Häfen der Welt an. Durch seine guten Geschäftsbeziehungen in Amerika wird er zu einem der reichsten Männer Schleswig-Holsteins. In der Seefahrtsabteilung des Friesen-Museums wird sein Leben erzählt. So einen bräuchte man heute. Die Wikinger dagegen waren ungeliebte Gäste, wie die Lembecksburg in Borgsum belegt.  Das stattliche Denkmal ist ein fast 8 m hoher Ringwall zum Schutz vor ungebetenem Besuch mit einem Innendurchmesser von knapp 100 Meter.

1920 konnten die Bürger von Föhr über ihre Zukunft abstimmen

Und das ist vielleicht das Besondere der Insel, der Tourismus färbt ab, aber er mutiert das Leben nicht. Erwartet jemand im Gogärtchen auf Sylt jemanden, der Friesisch spricht? Eher nicht. Auf Föhr habe ich problemlos welche gefunden. Und eine Erklärung für markierende Stelen in der Natur habe ich im Museum auch gefunden, allerdings wieder im Sturm: Bis 1864 war Föhr zweigeteilt: Der Westen der Insel gehörte zum Königreich Dänemark, während der Osten zum Herzogtum Schleswig gehörte. Zwar war der dänische König gleichzeitig Herzog von Schleswig, doch es gab immer zwei verschiedene Zuständigkeiten und Ämter: eines für Westerland-Föhr und eines für Osterland-Föhr. Die Grenze verlief mittig von Nord nach Süd und durch das Friesendorf Nieblum.

1920 konnten die Föhrer über ihre Zukunft abstimmen, drei Dörfer wollten zu Dänemark, da diese aber weit weg von der Landesgrenze lagen, blieb die ganze Insel bei Deutschland, es gibt neben den Friesen also auch Dänen auf Föhr. Die Sprachenvielfalt wird gelebt und gepflegt, im „Krögers Dörpskrog“ in Oevenum traf ich drei ältere Männer, die sich mit Bahne, Fiete und Ove vorstellten. Sie erzählten mir nach einer gesponserten Runde aus dem Biar Brauhüs  begleitet von Ostfreeske Brannwien, dass in der Schule Friesisch in der lokalen Form des Fering unterrichtet wird und man sogar auf Friesisch Abitur machen kann. Bahne behauptet, er sei Jahrgangsbester gewesen, worauf Ove erwiderte, „hi maaget faan en fört en sonersliak.“ Aufgeschrieben hat Bahne mir den Spruch. Übersetzt hat er ihn nicht.

Ferieninsel mit „Friesischer Karibik“

Natürlich hat Föhr auch alle Attribute einer Ferieninsel, „Friesische Karibik“ nennen, wie gesagt, die Einheimischen ihre Insel, naja, vielleicht im Sommer. Dramatische Sonnenuntergänge gibt es auch im Frühling. In Utersum oder am Kliff. Den wollte ich auch sehen, aber mit dem Wind 20 Kilometer gegen den Wind radeln wollte ich nicht. Also rief ich eine Taxe. Die hätte mich gerne gefahren, wollte aber an der Küste nicht warten und konnte mir auch nicht garantieren, dass ich wieder abgeholt würde. Also fasste ich den Entschluss, für den Sonnenuntergang wiederzukommen nach Föhr, mir aber dann ein E-Bike zu mieten.

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Hans-Herbert Holzamer

Autor Kurzvorstellung:

Freier Journalist und Autor

Hinweis: Dieser Beitrag wird regelmäßig von Mitgliedern der Reise-Stories Redaktion wie Heiner Sieger, Gerhard Fuhrmann und Jupp Suttner auf Richtigkeit und Vollständigkeit geprüft. Falls Sie Anmerkungen zu diesem Beitrag haben, kontaktieren Sie bitte direkt hier die Redaktion.

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