Europas letzte Paradiese: Noch ist Albanien unentdeckt


Albanien ist ein Land voller Kontraste, Geschichte und unberührter Schönheit. Als ich meine Reise durch dieses faszinierende Land beginne, bin ich sofort von der Vielfalt und Herzlichkeit der Menschen beeindruckt. Von der pulsierenden Hauptstadt Tirana über die antiken Stätten in Durrës bis hin zu den malerischen Gassen von Berat, der Natur im Landesinneren, den langen Sand- und Kiesstränden – Albanien bietet eine Fülle an Erlebnissen für jeden Reisenden – und ist touristisch noch im Aufbruch.


Tirana – Eine Stadt im Aufbruch


Ich stehe auf dem Skanderbeg-Platz, dem pulsierenden Herzen Tiranas, und spüre sofort die Energie dieser Stadt. Um mich herum flanieren Einheimische, Kinder jagen Tauben, und in den Straßencafés wird starker albanischer Kaffee serviert. Tirana ist wild, bunt und voller Überraschungen – eine Stadt, die sich ständig neu erfindet, ohne ihre Wurzeln zu vergessen. Alte Männer sitzen in trauter Runde und diskutieren lebhaft, junge Leute strömen in die angesagten Cafés, und über allem thront die Reiterstatue des Nationalhelden Skanderbeg, der Albanien einst gegen die Osmanen verteidigte. Tirana ist laut, chaotisch und doch irgendwie charmant – eine Stadt, die sich ständig neu erfindet, ohne ihre Vergangenheit zu verleugnen.


Die Et’hem-Bey-Moschee – Ein osmanisches Kleinod

Gleich neben dem Platz steht die Et’hem-Bey-Moschee, eines der wenigen religiösen Bauwerke, das die kommunistische Ära überstanden hat. Ihre filigranen Fresken zeigen Bäume, Wasserfälle und sogar die Kaaba – eine Seltenheit in der islamischen Kunst. Als ich die Schuhe ausziehe und den kühlen Gebetssaal betrete, umfängt mich eine fast meditative Ruhe. Draußen mischt sich der Ruf des Muezzins mit dem Hupen der Autos – ein perfektes Sinnbild für das moderne Albanien.

Auf dem Toptani-Platz genieße ich einen starken albanischen Kaffee – eine Tradition, die hier fast heilig ist. Die Locals sitzen stundenlang in den Cafés, diskutieren und beobachten das bunte Treiben. Später besteige ich die Pyramide von Tirana, ein surrealer Betonkoloss aus der Hoxha-Ära, der heute von Jugendlichen als Treffpunkt und Kletterparcours genutzt wird. Von oben blicke ich auf die Skyline der Stadt, mit den Bergen im Hintergrund – ein Kontrast, der Albanien perfekt beschreibt: wild, unverfälscht, voller Gegensätze.


Bunk’Art 2 – Ein düsteres Kapitel der Geschichte


Doch Tirana hat auch seine Schattenseiten. Im 
Bunk’Art 2, einem umgebauten Atomschutzbunker, wird die paranoide Welt des Diktators Enver Hoxha greifbar. Die engen Gänge, die Überwachungstechnik, die Berichte von Verfolgung und Angst – es ist bedrückend, aber notwendig, um das heutige Albanien zu verstehen.


Die Pyramide von Tirana – Vom Prestigeprojekt zum Lost Place

Ein surrealer Anblick ist die Pyramide von Tirana, einst ein Museum für Hoxha, heute eine halb verfallene Graffiti-Hülle. Jugendliche klettern über die ramponierten Betonstufen, während sich die Stadt fragt: Abreißen oder umnutzen? Ein Symbol für Albaniens Umgang mit seiner kommunistischen Erblast. Oben angekommen eröffnet sich zur Belohnung für den beschwerlichen Aufstieg ein atemberaubender Blick auf die Stadt. Besonders bei Sonnenuntergang ein romantisches Ziel für Paare.

Der Alte Bazar – zwischen Tradition und Trödel

Mein Weg führt mich weiter in den Alten Bazar, ein farbenfrohes Viertel mit kleinen Läden, Cafés und Kunsthandwerk. Ich koste lokale Spezialitäten – süßes Baklava, frischen Schafskäse, eingelegte Paprika. Besonders beeindruckt mich die Gastfreundschaft der Menschen. Ein Lächeln hier, eine Einladung auf einen Raki dort – ich fühle mich willkommen. Lebendig geht es hier im Alten Bazar zu, wo Händler neben Obst, Gemüse und duftenden Gewürzen Kuriositäten aus Vergangenheit und Gegenwart feilbieten. Kommunistische Relikte, handgeschnitzte Holzpfeifen und sogar Pässe entdecke ich. Wer noch eine zweite Identität sucht, scheint hier fündig zu werden, schmunzle ich.Rund um den kuriosen Markt sprießen hippe Cafés und Galerien. Ich probiere „Tavë Kosi“, ein herzhaftes Lamm-Joghurt-Auflaufgericht, und lasse mich von der Mischung aus Alt und Neu überraschen. Wie gut, dass direkt in der Nähe des Marktes eines der beliebtesten Traditions-Restaurants der Stadt liegt. Bodenständiges Essen und stimmungsvolle Livemusik runden das Flair der heimeligen Folklore ab.


Die Auferstehungskathedrale und die Pauluskathedrale – Zeichen der Hoffnung


Mich zieht es weiter durch die Stadt. Die Auferstehungskathedrale „Katedralja e Ngjalljës së Krishtit“, erst 2012 eröffnet, erhebt sich imposant vor mir, eine der größten orthodoxen Kirchen auf dem Balkan. Ihre modernen Fresken erzählen biblische Geschichten mit albanischen Gesichtern – ein Statement des Glaubens nach Jahrzehnten der Unterdrückung. Ein architektonisches Highlight ist die Auferstehungskathedrale. Die orthodoxe Kathedrale mit ihrer futuristischen Kuppel fasziniert mich – innen wie außen. auf der anderen Straßenseite liegt das Haus der Blätter – ein ehemaliges Spionagezentrum, das heute als Museum genutzt wird. Die Ausstellung ist spannend und erschreckend zugleich: Geräte zur Überwachung, Verhörprotokolle, originale Möbelstücke – hier wird Geschichte greifbar.

Nicht weit entfernt besuche ich die römisch-katholische Pauluskathedrale. Sie ist schlicht, aber kraftvoll. Die moderne Architektur steht in schönem Kontrast zur bewegten Geschichte der Stadt. Wie schön, dass die Religionen und Konfessionen hier so dicht beieinander friedlich zusammenstehen können.


Durrës – Wo Antike auf Mittelmeerflair trifft

Nur eine halbe Stunde von Tirana entfernt liegt Durrës, Albaniens wichtigste Hafenstadt. Die römischen Ausgrabungsstätten mit ihrem gewaltigen Amphitheater – einem der größten des Balkans – zeugen von einer glorreichen Vergangenheit. Tatsächlich ein beeindruckendes Bauwerk aus römischer Zeit, das einst 20.000 Menschen fasste. Ich schlendere durch die Ruinen und stelle mir vor, wie hier einst Gladiatoren kämpften. Gleich daneben befinden sich die Reste römischer Thermen. Allerorts ziehen sich Relikte römischer Zivilisation durch die Stadt und laden zum Besuch ein. Der venezianische Turm, Teil der alten Stadtbefestigung, bietet einen wunderbaren Ausblick auf das Meer und das historische Zentrum. Ich verliere mich in den Gassen, entdecke versteckte Cafés und das byzantinische Erbe der Stadt.

Die Promenade von Durres lädt zum Flanieren ein, und in einer kleinen Taverne mit Blick aufs Meer genieße ich fangfrischen Fisch und den romantischen Sonnenuntergang

Doch Durrës ist auch Badeort. Am Strand promenieren Familien, meist sind es Einheimische. Und dann ist da noch die Villa Zogut, ein verlassenes Königsschloss oberhalb des Meeres mit traumhaftem Ausblick über die Region – ein mysteriöser Lost Place, der Geschichten von Glanz und Niedergang flüstert. Während des sogenannten „Lotterieaufstands“ 1997, als Albanien sich in einer tiefen wirtschaftlichen Krise befand, entlud sich der Volkszorn hier in der ehemaligen Königsresidenz und späteren, kommunistischen Parteizentrale, die sogar schon von Nikita Chruschtschow besucht hat. Das Schloss wurde bis auf die Grundmauern ausgeräumt und steht heute völlig roh in der Landschaft, So kann sie als historisches Zeugnis besichtigt werden. Ich streife durch leere Flure, schaue durch zerbrochene Fenster aufs glitzernde Meer und spüre Geschichte.


Die Albanischen Alpen – Wandern wie in Neuseeland, nur ohne Touristenmassen

Mich zieht es aus den Städten auf das Land, in die Berge. Ich erreiche das Dorf Theth im Norden. Die Fahrt dorthin ist schon ein Abenteuer – schmale Serpentinen schlängeln sich durch atemberaubende Landschaften. Doch die Mühe lohnt sich. Theth ist ein malerisches Bergdorf, umgeben von schroffen Gipfeln und smaragdgrünen Flüssen. Ich wandere zur Theth-Schlucht und weiter zur „Blauen Quelle“, einem Naturpool mit eiskristallklarem Wasser. Die Einsamkeit hier ist unglaublich – abseits der ausgetretenen Pfade fühle ich mich wie eine Entdeckerin.

Am Abend kehre ich in eine traditionelle Gästehaus-Alm („Kulla“) ein, wo mich die Gastgeber mit hausgemachtem Raki und Byrek verwöhnen. Die albanische Gastfreundschaft ist legendär – hier wird man nicht nur bewirtet, sondern sofort in die Familie aufgenommen.


Bovilla-See – Naturjuwel vor den Toren Tiranas

Zurück in der Nähe Tiranas lockt der Bovilla-See. Die smaragdgrünen Wasser, umgeben von schroffen Bergen, sind ideal für Wanderungen und Picknicks. Ein Ort der Ruhe, nur eine halbe Stunde von der Hauptstadt entfernt.

Bild: getyourguide

Berat – Die Stadt der tausend Fenster

Weiter südlich liegt Berat, eine der schönsten Städte Albaniens. Die Burg Berat thront über einem Labyrinth aus osmanischen Häusern, deren Fenster sich wie ein Puzzle die Hänge hinaufziehen – daher der Name „Stadt der tausend Fenster“. Innerhalb der Festungsmauern leben noch heute Menschen. Ich laufe durch enge Gassen, besuche alte Kirchen und genieße einen Kaffee mit Blick auf das Tal.


Kulinarische Entdeckungen – Vom Lamm am Spieß zur Seebrasse


Albanien ist ein Paradies für Feinschmecker. In einem Dorfrestaurant unterwegs wird mir 
„Fërgesë“ serviert, ein cremiger Paprika-Käse-Eintopf, dazu frisches 
„Baklava“. Am smaragdgrünen Bovilla-See genieße ich Forelle, direkt aus dem glasklaren Wasser gefischt und die Seebrasse schmeckt mir in Durres am Meer besonders gut. Dazu ein Glas 
Raki – der albanische Schnaps, der bei keiner Mahlzeit fehlen darf. Lammfleisch, langsam gegart über dem Feuer, begleitet von Reis oder Polenta. Frischer Fisch direkt aus der Adria, gewürzt mit Knoblauch und Zitrone. Paprika, gefüllt mit Reis und Kräutern, in Tomatensoße geschmort, dazu ein Glas albanischer Wein. In jedem Gericht schmeckt man die Tradition, die Hingabe, die Liebe zur Heimat. Und überall spürt man die albanische Gastfreundschaft – Einladungen zum Kaffee, Erzählungen über die Familie, das Gefühl, willkommen zu sein.


Warum Albanien?


Albanien ist wild, widersprüchlich und wunderschön. Ein Land der Kontraste: Antike Ruinen neben kommunistischen Bunkern, osmanische Moscheen neben orthodoxen Kirchen, mediterrane Strände neben alpinen Landschaften. Ob im kleinen Bergdorf oder in der Hauptstadt: Die Menschen Albaniens empfangen mich mit offenen Armen. Ihre Herzlichkeit, ihr Stolz, ihre Geschichten – sie prägen meine Reise mehr als jede Sehenswürdigkeit.

Albanien ist für mich ein unentdecktes Touristenziel. Kein Massentourismus, keine überlaufenen Strände, kein glattgebügelter Komfort. Dafür echtes Leben, tiefe Eindrücke, bewegende Begegnungen. Ich bin gekommen, um zu entdecken – und ich gehe mit einem Herzen voller Geschichten, Bildern und Dankbarkeit.

Doch was mich am meisten beeindruckt, ist die Herzlichkeit der Menschen. Hier gibt es noch keinen Massentourismus, keine überteuerten Restaurants, kein oberflächliches Sightseeing. Stattdessen echtes Leben, echte Begegnungen, echte Abenteuer. Es ist die Vielfältigkeit, die dieses kleine Land ausmacht: In den bunten Straßen Tiranas, an den antiken Stätten von Durrës oder in den malerischen Gassen von Berat – Albanien überrascht, berührt und lässt einen nicht mehr los. Und das Beste? Es fühlt sich noch an, als wäre man einer der Ersten, der dieses Geheimnis entdeckt. Also – auf nach Albanien, bevor alle es tun!


Tipps für Entdecker

Beste Reisezeit: Mai-Juni & September-Oktober (angenehme Temperaturen, weniger Touristen)

Mobil bleiben: Mietwagen oder Busse (gutes Netz, aber abenteuerliche Fahrweise!)

Must-try Essen: Fërgesë (Käse-Paprika-Eintopf), Baklava, frische Granatäpfel

Souvenir: Handgefertigte Filzartikel oder traditioneller Raki


Kurz notiert

Wie kommt man hin?

Nach Tirana gelangt man von zahlreichen Flughäfen in Deutschland in zweieinhalb Stunden. Von dort aus kann man sich bequem ein Auto mieten.

Hotels & Unterkünfte
Zahlreiche Übernachtungsmöglichkeiten finden sich im Buchungsportal booking.com

Restauranttipp Tirana: In Tirana unweit des Alten Bazars lässt es sich vorzüglich in traditioneller Umgebung mit Live-Folklore speisen im Restaurant Oda Garden

Restauranttipp Durres: Mit exzellenter Fischküche und traumhafter Aussicht kommt das Restaurant Pastarella in der dritten Etage eines Hauses direkt am Meer in Durres daher

Aktivitäten

Über den Anbieter getyourguide lassen sich qualitativ hochwertige Touren, Stadtführungen und Ausflüge zum kleinen Preis buchen.

Diese Reise wurde in Eigeninitiative ohne Unterstützung durchgeführt


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Philip Duckwitz

Autor Kurzvorstellung:

Der „Journeylist“ Philip Duckwitz arbeitet als freier Journalist und Autor in Remscheid, vormals in Köln. Auf seinen Reisen um den Erdball, die er am liebsten in wenig bekannte Länder und Regionen unternimmt, öffnet er seinen Lesern Türen zu unerschlossenen Blickwinkeln. Bekanntes neu entdecken und Neues bekannt zu geben, unter dieser Prämisse reist der Journeylist auf der Suche nach den Schätzen dieser Welt und berichtet darüber, um seine Leser für einen einzigartigen Urlaub in der Ferne zu begeistern.

Hinweis: Dieser Beitrag wird regelmäßig von Mitgliedern der Reise-Stories Redaktion wie Heiner Sieger, Gerhard Fuhrmann und Jupp Suttner auf Richtigkeit und Vollständigkeit geprüft. Falls Sie Anmerkungen zu diesem Beitrag haben, kontaktieren Sie bitte direkt hier die Redaktion.

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