Von Christoph Giese (Fotos: Joe Smith) ///
Weit nach Mitternacht zeigt die Uhr. Und immer mehr Leute stehen auf und gehen. Dabei ist das letzte Konzert des Abends noch gar nicht beendet. Nicholas Paytons Projekt „Afro-Caribbean Mixtape“ läuft noch. Aber vielleicht ist es manchem dann nach über einer Stunde einfach doch zu viel geworden, diese Mischung aus verschiedenen Strömungen des Jazz, der schwarzen Musik. Swing, New Orleans-Sounds, Soul, HipHop, Rhythm and Blues, Spoken Word oder Zitate wie „Jazz Is a Four-Letter Word“ von Max Roach, eingebettet in cool swingende Rhythmen, über die sich dann zubeißende Trompetensounds legen. All das liefern Trompeter Nicholas Payton, der zudem Piano und Fender Rhodes spielt, Bassist Vicente Archer und Drummer Joe Dyson. Und das ist meistens erregend, weil lässig und schlüssig zusammengesetzt. Da konnte das „Mark Guiliana Jazz Quartet“ zuvor nicht ganz mithalten. Sicher, der akustische Jazz des gefragten Schlagzeugers aus New Jersey hat Klasse, sein Drumming ist exzellent. Doch irgendwie fehlte seiner Musik auf Malta das Besondere, das nach dem Hören noch ein wenig haften bleibt, das eben Nicholas Payton zu bieten hatte.
In diesem Jahr präsentierte sich das „Malta Jazz Festival“ zum zweiten Mal neben dem malerischen Hauptspielort am Ta´ Liesse-Hafen auch mitten in der Hauptstadt. Mit einem kostenlosen Happen Jazz zur Mittagszeit vor dem neuen Parlament. Und einen ganzen Abend lang luden drei Bühnen entlang der Hauptstraße von Valletta bei ebenfalls freiem Eintritt ein. Der Jazz soll eben in der ganzen Stadt spürbar sein, sagt Festivalleiter Sandro Zerafa zu der Idee weiterer Spielorte. Der reizvollste war dabei sicher das Pjazza Teatru Rjal, das ehemalige, im Zweiten Weltkrieg von Bomben zerstörte Opernhaus, das vor ein paar Jahren nach den Plänen vom italienischen Stararchitekten Renzo Piano als Open Air-Theater wiedereröffnet wurde. Die maltesische Sängerin Nadine Axisa bot dort zwar nicht den spannendsten Auftritt, doch der Spielort lohnte das Kommen allemal.
Mitreißend war dagegen der Gratis-Auftritt des brasilianischen Sängers, Gitarristen und Bassisten Munir Hossn auf einer eher improviesierten Bühne auf der Hauptstraße. „Made in Nordeste“ heißt sein Projekt und auch sein aktuelles Album. Und wie der charismatische Bandleader mit seiner multikulturellen Truppe, mit brasilianischem Perkussionisten, Schlagzeuger aus Guadeloupe oder dem portugiesischen Akkordeonisten João Frade, afro-brasilianische Kultur, Rhythmen und Melodien aus seinem Heimatstaat Bahia mit funkigem, hippen Jazz kreuzte, das lockte zurecht eine Menge junge Leute an die Bühne.
Hip klang auch das Projekt „The Meridian Suite“ des mexikanischen Schlagzeugers Antonio Sanchez und seiner Formation „Migration“. Wuchtige Sounds von John Escreet auf dem Fender Rhodes, intensive Linien auf Saxofon und EWI von Seamus Blake oder die oft textlosen Lyrics der Sängerin Thana Alexa im Verbund mit den meist pushenden Rhythmen des Bandleaders schufen eine durchlaufende Jazz-Rock-Suite, mit sich kreuzenden und wiederkehrenden Linien, mit anspruchsvollen Rhythmusmustern. Energie pur. Wer konnte sich unmittelbar danach noch von dem Festivalabschlusskonzert mit „Al Di Meolas World Sinfonia“ so richtig einfangen lassen?
Neben Jazz gibt es auf Malta und vor allem auch in Valletta eine Menge Kultur zu erleben. Mit dem Teatru Manoel, das 1732 eröffnet wurde, wird in Maltas Hauptstadt das zweitälteste Theater Europas noch immer bespielt. Das „Malta International Arts Festival“ dauert über zwei Wochen und bietet eine breite Palette an Kulturveranstaltungen. Und auch das seit 2013 jeweils im Januar stattfindende „Valletta International Baroque Festival“ hat sich längst etabliert.
Im kommenden Jahr wird die Dichte an Kultur auf Malta sicher noch zunehmen. Dann wird Valletta für ein Jahr den Titel der Europäischen Kulturhauptstadt tragen. Da hofft Sandro Zerafa schon jetzt, sein illustres Jazzfestival noch ein mehr ins Licht rücken zu können.
Gründe nach Malta zu reisen, gibt es aber auch ohne Musik genügend. Denn Malta ist eine besuchenswerte Insel. Mit der architektonisch interessanten Hauptstadt Valletta, mit der Jahrtausende alten, spannenden Geschichte und den historischen Tempelanlagen auf der Insel und der Nachbarinsel Gozo, der stillen Stadt Mdina oder pittoresken Orten wie dem Fischerdorf Marsaxlokk, wo es im Restaurant „La Nostra Padrona“ den vielleicht besten Oktopus auf der Insel gibt.