Das Vermächtnis von „Paphos 2017“

Alles ist neu, die Agora, der Kennedy Square, die Straße zwischen dem Rathaus und dem Byzantinischen Museum, genannt Iakouvou Iaakouvidi. Neues Pflaster, neue Lampen, frische Pflanzen. Eine Bibliothek, ein Kino. Für Paphos, die kleine Stadt im westlichen Zypern, hat es sich gelohnt, für ein langes Jahr 2017 Kulturhauptstadt Europas gewesen zu sein. Mit „mageren Mitteln“, sagt Christos Patsalides, der „Chairman of Paphos 2017“ habe man die Stadt auf die „europäische, kulturelle Landkarte“ gesetzt. Und der Bürgermeister Phedonas Phedonos lobt die vielen freiwilligen Helfer unter den 35 000 Einwohnern seiner Stadt. Ein Feuerwerk aus Musik, Projektionen und Licht beendete am 30. Dezember das Jahr, in dem eine kleine zyprische Stadt Europa verzauberte.

Der Hafen von Paphos
Der Hafen von Paphos

Heute, im Mai 2018, steht eine kraftvolle Sonne über den immer noch neuen Plätzen und Straßen. Viele Touristen, die sich die Altstadt angesehen haben, genießen das Wetter. Mehr noch liegen am Strand oder auf den Liegen der Außen- und Poolanlagen der Hotels. Zu spüren ist die Überwindung der zyprischen Finanzkrise, nicht zu spüren sind die aktuellen Krisen um Zypern herum. Auf der nahen Insel kann man Pause machen. Da spreizen sich Russen im Liegestuhl, die mit ihren Ganzkörpertatoos die Dämonen zu verscheuchen suchen, die sie heimsuchen wegen der Bombardierungen im nicht einmal 100 Kilometer entfernten Syrien und die sich mit Frauen schmücken, die, weil ihnen die natürliche Eleganz abgeht, die Französinnen zu eigen ist, in ihrem Bemühen, sexy zu sein, ordinär wirken.

 

Blumen für die Altstadt

Syrien ist nah, der Libanon, Israel, der Gaza-Streifen, Ägypten, alles keine Flugstunde entfernt, dann kommen Gasfelder im Mittelmeer, die explodieren können, weil die Türkei behauptet, sie lägen auf ihrem Festlandsockel und sie Kriegsschiffe dorthin beordert hat. Die Italiener, die bohren wollten, zogen sich zurück, nicht so die Franzosen, nicht so die Amerikaner. Mit den Ägyptern hat die zyprische Regierung die Claims abgesteckt, auch mit Israel ist man sich, so hört man, einig, das allerdings nicht mit dem Libanon. Und über das Gas hinaus zeichnen sich politische Kraftfelder ab. Da ist Ägypten, dessen Stadt Alexandria derzeit von Griechen besucht wird, deren Vorfahren einst dort gewohnt haben. Drei Präsidenten, der Ägypter Abd al Fattah as-Sisi, der Grieche Prokopis Pavlopoulos und der Zyprer Nikos Anastasiadis, beschwören dort die gemeinsame Vergangenheit. Und alle wissen, es geht um die Zukunft, die man gemeinsam gestalten will, zusammen mit Israel, Saudi-Arabien, einige Golfstaaten, dann die USA, und eben auch Zypern und Griechenland, damit Europa. Der Gegner: Iran und die Türkei, noch NATO-Land, dahinter Russland.

Wer im Meer vor Paphos schwimmt, sieht die fernen-nahen Küsten nicht, auch nicht die Bohrtürme, die unermesslichen Reichtum im Untergrund anzapfen sollen und die Wohlstands- und Machtverhältnisse in der Region verändern werden.

Auch die ungeliebten Landsleute im Norden, die türkischen Zyprer, deren selbsternannte Schutzmacht, die Türkei, Soldaten schickte, die seit 1974 37 Prozent des Landes besetzt halten und die Hundertausende aus Anatolien ins Land pumpten, um die demographischen Verhältnisse zu ändern, spüren den Lockruf des Gases. Welche Nachrichten gibt es sonst aus dem Land nördlich von Nikosia? Interpol, Walk of Truth und Cultural Crime Watchers haben kürzlich Mosaike entdeckt, die aus der Kirche der Panagia Kanakaria in Lythrangomi gebrochen und geraubt wurden. Die Redaktionsräume der Zeitschrift „Afrika“ wurden von Erdogans Schlägern verwüstet. Dieser hatte sich darüber aufgeregt, dass „Afrika“ den Einmarsch in Idris mit dem Überfall auf Zypern verglich und seine „Brüder“ aufgefordert, eine „passende Antwort“ zu geben. Tagestouren ins besetzte Gebiet sind für Touristen erlaubt, aber Versicherung und Pannenhilfe enden an der Demarkationslinie. Läden mit Imitaten locken und Häuser in wilden Urbanisationen, illegal auf fremdem Grund gebaut. Der Ministerpräsident der nur von Ankara anerkannten Türkischen Republik Nordzypern, Mustafa Akinci, forderte soeben den zyprischen Präsidenten auf, die im Schweizer Crans Montana vor einem Jahr abgebrochenen Vereinigungs-Gespräche auf der Grundlage des Papiers von UN-Generalsekretär Antonio Guterres wieder aufzunehmen. Damit stellt er sich offen gegen den türkischen Außenminister Mevlut Cavusoglu, der das Papier für obsolet erklärt hatte. Eine „Kamikazeaktion“ von Akinci, sagen Beobachter.
Wer nur Sonne und Strand sucht, unterbrochen vielleicht von einem Ouzo, einem Meze-Gericht oder einem Sprung in den Pool oder ins Meer, bekommt davon nichts mit. Da sitzen oder liegen die Engländer, die immer noch ihre beiden Stützpunkte Akrotiri und Dekelia auf der Insel haben, Männer, die auf den Bohr-Plattformen arbeiten oder die mit dem Bau und der Ausstattung von Urbanisationen zu tun haben, vor allem aber Russen, dann einige Franzosen, Deutsche, Griechen, Araber.

Viele sind darunter, die im Bezirk Paphos ein Haus oder eine Wohnung gekauft haben. Mit 36 Prozent ist er Verkaufs-Spitzenreiter Zyperns vor Limassol und Larnaca. Um satte 24 Prozent stieg der Immobilien-Umsatz 2017 auf Zypern an. Aus Russland, China, den arabischen Ländern kommen die Kunden. Nur die Chinesen verlassen, wenn sie denn auf der Insel sind, ihre Wohnungen nicht, bleiben unter sich. Wer sie sehen will, muss sich zu den Urbanisationen aufmachen, die auf den Hügeln liegen, welche die Stadt Paphos umgeben. In der wunderschönen Siedlung „Belvedere“ kann man chinesische Unterwäsche auf der Leine besichtigen. Die Familie sitzt daneben, vielleicht kommt ja mal ein chinesischer Nachbar vorbei.

Die Deutschen, die man an der Küste oder auf den Plätzen der Stadt sieht, sind überwiegend Touristen. „Der Immobilienmarkt in Zentraleuropa ist für uns tot“, sagt Michael Leptos, der im vorigen Jahr zum Unternehmer des Jahres gekürt wurde und mit Leptos Estates in Paphos tonangebend ist. „Auch die Engländer kaufen nicht mehr.“ Gründe kann er nicht angeben. „Zypern habe seit der Finanzkrise ein schlechtes Image, hört man“, so Leptos. Wenn dem so ist, dann zu Unrecht, denn die Krise, die in Zypern eine Bankenkrise war, wurde gelöst. „Die Deutschen haben nie eine große Rolle gespielt.“ Ein Grund liegt – spiegelbildlich – auf der Hand: Für Käufer außerhalb der Europäischen Union ist der Immobilienerwerb doppelt interessant, neben einem Pied à terre in der Sonne erhält man ab Investitionssumme 300 000 Euro ein Aufenthaltsrecht in Zypern, ab 2 Millionen Euro ein Reiserecht im Schengenraum der EU. Da gehen die Augenbrauen hoch, auch wenn die Regierung in Nicosia abwiegelt, man habe auf Ganoven ein Auge.

Wer am Strand liegt in Badehose und Schlappen, sieht harmlos aus, hat wohl nichts zu tun mit Verbrechen in der Ferne oder in der Nähe. Keinem sieht man an, ob er ein Bomberpilot auf Wochenendurlaub ist, der im Sand mit seinen Kindern spielt, nachdem er während der Woche die von anderen umgebracht hat.

Im vergangenen Jahr konnte der Paphos-Tourist in ein Amphitheater europäischer Kultur schauen, in einem Wettbewerb, der auf Melina Mercouri zurückgeht, als diese griechische Kultusministerin war. Und dieses Jahr? Christos Patsalides sagt, „für mich hat Paphos 2017 nicht am 31. Dezember aufgehört. Jetzt kommen die Herausforderungen, das was ich Vermächtnis, Erbe und Verpflichtung nenne.“ Es ist sicherlich ein Vermächtnis von „Paphos 2017“, allen Besuchern aus aller Herren Ländern zu zeigen, dass es eine Alternative gibt zu den Verhältnissen weniger als 100 Kilometer entfernt im Norden, Osten oder Süden: Paphos, wo Aphrodite aus dem Meer stieg und wo alles, was auf die Erde fällt, vom Himmel kommt, und nur vom Himmel, in der Form von Sonnenstrahlen, kaum Regen.

Bild ganz oben: Abend über Paphos

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Hans-Herbert Holzamer

Autor Kurzvorstellung:

Freier Journalist und Autor

Hinweis: Dieser Beitrag wird regelmäßig von Mitgliedern der Reise-Stories Redaktion wie Heiner Sieger, Gerhard Fuhrmann und Jupp Suttner auf Richtigkeit und Vollständigkeit geprüft. Falls Sie Anmerkungen zu diesem Beitrag haben, kontaktieren Sie bitte direkt hier die Redaktion.

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