Zwischen dem wilden Jura, den Vogesen und dem lieblichen Weinland des Burgund erstreckt sich im Osten Frankreichs eine interessante Landschaft mit vielen Kontrasten. Dabei begegnet man alten Traditionen und Salinen genauso wie wuchtigen Burgen, welche die Burgundische Pforte bewachten.
„Cherchez, cherchez, sucht, sucht. Ihr müsst schon genauer nachschauen.“ Ratlos vor dem Wurzelgeflecht einer mächtigen Buche stehend beginnen wir letztjähriges Laub und Erde beiseite zu schieben. Nebenan plätschert eine Quelle aus dem Boden. Dann zeigt sich das gesuchte Objekt: Eine Flasche mit der „grünen Fee“. Frère Nicolas zaubert Gläser aus seiner Tasche. „A votre santé.“ Gemischt mit klarem Quellwasser ergibt die grüne Fee, wie Absinth landläufig genannt wird, eine milchige Flüssigkeit mit leicht bitterem Geschmack.
Unterwegs auf der Route d´Absinthe durch das Val-de-Travers reist der Besucher von Neuenburg in der Schweiz kommend durch den Jura nach Frankreich. Am Eingang der Schlucht Poetta-Raisse bei Môtiers erfahren wir beim Fontaine à Louis mehr über die Geschichte dieses von Geheimnissen umgebenen Getränks. Es gab nämlich während der Prohibition im Wald an mehreren Stellen gut gesichert Verstecke wo „Wanderer“ ungestört Absinth genießen konnten. Das Maison de l´Absinthe in dem schweizerischen Ort zeigt mit Fotos, Gerätschaften und Gemälden den wechselvollen Weg dieses Kult-Getränks, das traditionell aus Wermut, Anis, Fenchel sowie einer je nach Rezeptur unterschiedlichen Reihe weiterer Kräuter hergestellt wird. Da die Spirituose dabei oft eine grüne Farbe annimmt wird sie die „grüne Fee“ genannt. Im Frühmittelalter war Absinth-Wein auf der Basis von Wermut, Ysop und Anis ein in Europa weit verbreitetes Getränk.

Das Museum in Môtiers, ein gut erhaltenes Haus aus dem 18. Jahrhundert, diente über die Jahre als Rathaus, Gendarmerie und Amtsgericht. Im „Interpretive Centre“ kann der Besucher einen Blick auf 250 Jahre „grüne Fee“ werfen. Lebendige Illustrationen zeigen die Zeit als Absinth am Tag traditionell getrunken wurde. Nach 1915 war die Herstellung offiziell verboten. Was die Bevölkerung nicht davon abhielt heimlich zu brennen und zu konsumieren. Dabei ging es sehr kreativ zu. „Sie haben das verbotene Getränk in leere Konservendosen gefüllt und diese wieder zugelötet“, erklärt André stolz. In den Augen der Bevölkerung waren die Widerständler Helden. Zum Verbot führte die Annahme das Getränk verursache allerlei Krankheiten und geistige Verwirrung. Dabei standen hinter dieser Verordnung Weinbauern, die durch den ständigen Konsum von Absinth weniger Wein verkaufen konnten. Wahrscheinlich forderte gerade diese Intrige den enormen Widerstand heraus.
Weißes Gold in alten Gewölben
„Vorsichtig, die Treppe ist alt und ausgetreten“, warnt uns Jean. Viele Stufen führen hinab ins Gewölbe. Modrige Luft empfängt uns. In der schwach beleuchteten Galerie aus dem 18. Jahrhundert ist das monotone Drehen eines Wasserrades zu hören das eine hydraulische Pumpe antreibt. Einst beförderte sie das salzhaltige Wasser von der Quelle an die Oberfläche. Die große Saline war 1200 Jahre bis 1962 in Betrieb. Das Museum zeigt im Saal der Heizöfen anschaulich die mühevolle Arbeit der Salzherstellung. Ein wertvolles und teures Gut. Heute ist Salins-les-Bains mit seinen Heilquellen ein beschaulicher Kurort.

Geschichtsträchtige Gaue am romantischen Fluss Doubs
Die polierten Holzplanken des Bootes glänzen in der Sonne. Es gleitet fast lautlos und vor allem geruchslos das romantische Flüsschen Doubs entlang. „Umweltfreundlicher kann man Dole nicht vom Wasser aus erkunden.“ Monsieur Vincent ist stolz auf seine Elektroboote in denen er Touristen die Flusslandschaft zeigt. Dole die ehemalige Hauptstadt der Region Comté, einst unter spanischer Herrschaft, galt bis zur Einnahme durch die Franzosen im Jahr 1674 als Stadt des Widerstandes. Die Einwohner wollten sich dem damals herrschenden Absolutismus nicht unterwerfen. Bei einem Rundgang durch die engen Gässchen entdecken wir das Geburtshaus des Chemikers Louis Pasteur. 1822 erblickte er in Dole das Licht der Welt. Ein Mann der auf vielen Gebieten Forschung betrieb, ein Mittel gegen die Tollwut fand und seine bahnbrechenden Erkenntnisse in die Medizin einbrachte.
Weithin sichtbar thront die Zitadelle 100 Meter über der 125.000 Einwohner zählenden Stadt Besançon., Hauptstadt des Département du Doubs, sowie der gesamten Region Franche-Comté. Dieses bemerkenswerte Beispiel militärischer Baukunst aus dem 17. Jahrhundert ist ein Meisterwerk des Künstlers Vaubans. Oben auf den Mauern hat der Besucher einen großartigen Blick auf die sich malerisch an eine Schlaufe des Doubs schmiegende Stadt. Die sogenannte Burgundische Pforte war früher eher von militärischer Bedeutung, da sie zwischen Elsass und Jura ein bequemes Einfallstor für fremde Truppen bot. Gleichzeitig ist sie von klimatischer Bedeutung. Sie ermöglicht warmen Südwestwinden ungehinderten Durchzug in das deutsche Rheintal.

Bauern und deutsche Herzöge
Was haben Mömpelgard und die Automarke Peugeot gemeinsam? Die Peugeot-Werke sind heute wohl einer der größten Arbeitgeber in Montbéliard, das knapp 400 Jahre unter dem Namen Mömpelgard zu Württemberg gehörte. Die Stadt bildete eine Enklave innerhalb des Landes bis zum Anschluss an Frankreich 1793. Vom Schlossgebäude, das auch ein Museum beherbergt, zeigt sich ein guter Ausblick auf die Stadt an der Burgundischen Pforte und weiter zu den Vogesen oder bis zum Schwarzwald.
Seit der Antike hat die Franche-Comté, wo sich auch Montbéliard befindet, infolge von Eroberungen oder Bündnissen der Großmächte wie dem Römischen Reich, dem Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation, den Habsburgern und auch dem Königreich Frankreich die unterschiedlichsten Regierungen erlebt. Erst seit dem Jahre 1678 ist die Region Bestandteil Frankreichs. Diese historischen Ereignisse prägten die Dörfer und ihre Bewohner. So finden sich noch viele Spuren aus den vergangenen Jahrhunderten. Durch ihre aufsässige und kämpferische Mentalität wehrten sich die Menschen immer wieder gegen die Bevormundung und boten auch hartnäckigen Widerstand gegen die Besetzung der Nazis.

Der bedrohliche Löwe
Beeindruckend ist das Wahrzeichen Belforts am Rande des Elsass. Der Löwe am Festungswall aus Vogesensandstein ist 22 Meter lang und 11 Meter hoch. Seine Bauzeit betrug von 1875 an fünf Jahre. Der Entwurf stammt von F. A. Bartholdi, der auch die Freiheitsstatue in New York erschaffen hat. Mit diesem Mahnmal soll an den Widerstands Belforts während der 103-tägigen Belagerung der Stadt im Deutsch-Französischen Krieg November 1870 bis Februar 1871 erinnert werden. „Eigentlich sollte der Löwe in Richtung des Feindes blicken, nämlich nach Deutschland,“ erklärt uns die Stadtführerin augenzwinkernd. Doch die Deutschen protestierten dagegen, nun blickt das furchterregende Ungetüm nach Westen. Darüber thront die Zitadelle auf einem 70 Meter hohen Felsen über der Stadt und spiegelt zwischen Bastionen, Gräben und Kurtinen die Ingenieurkunst und beeindruckende Kriegstechnik des Festungsbaumeisters Vaubans wider. Auch auf dem Place de la République erinnert das Denkmal der drei Siege an die Zeit der Belagerung. Doch bei einem Rundgang durch die Stadt mit kleinen Boutiquen und gemütlichen Restaurants lassen wir die kriegerischen Zeiten hinter uns und genießen in einem Straßencafé bei einem Glas Burgunder aus der Region das südländische Ambiente.

Informationen:
Durch eine Gebietsreform wurden in Frankreich Departments zusammengelegt. Die Franche-Comté, deutsch Freigrafschaft Burgund, war eine Region im Osten Frankreichs. Sie bestand aus den Départements Doubs, Jura, Haute-Saône und Territoire de Belfort Franche – Comté; Informationen gibt es hier unter
www. http://de.franche-comte.org/
Reiseführer:
„Unterwegs in Frankreich – das große Reisebuch“ 464 Seiten, 610 Abbildungen, € 24,95; sowie „Europas schönste Weinrouten“, 416 Seiten, 632 Abbildungen, € 29,95 beide Bände mit Straßenkarten und Piktogrammen sind erschienen im Kunth-Verlag, www.kunth-verlag.de
Text Monika Hamberger, Fotos Rainer Hamberger