Als die schönsten Tage im Jahr empfinden die Basler ihre Fasnacht. Das Tattoo-Festival im Sommer verkürzt die Zeit bis zum nächsten winterlichen Treiben.
Regine Polfer blickt ungläubig in die kleine Runde: „Sie waren noch nie bei der Basler Fasnacht?“ Das seien doch die „drei schenschte Däg“, versichert die Stadtführerin. Der erste schönste Tag beginnt morgens um vier, wenn die Glocken von St. Martin, der ältesten Kirche Basels, gespenstisch zum „Morgenstreich“ läuten. Mitten in der bitterkalten Nacht hebt dann ein Ohren betäubendes Trommeln und Pfeifen an. Kunstvoll bemalte Laternen tauchen die noch stockdunkle Stadt am Rheinknie in magisch flackerndes Licht. Das ist der Beginn der geheimnisvollen Fasnacht. Drei Tage und vier Nächte dauert das Spektakel, das für Außenstehende schwer verständlich ist. Allein schon der Termin.
Warum feiern die Basler ihr Fest eine Woche später als alle anderen? Das sei kein Affront der weltweit einzigen protestantischen Fasnacht gegen die katholischen Nachbarn, wie oft kolportiert wird. Die Basler haben bei der Kalenderreform 1582 ihr eigenes Süppchen gekocht und sind bei der alten Regelung geblieben, die besagt, dass von der 40-tägigen Fastenzeit die Sonntage vor Ostern ausgenommen sind.
Vom Hundert-Mann-Korps bis zum ganz kleinen „Schyssdräggzügli“
Jeder zehnte Basler gehört einer Fasnachtsgesellschaft an. Das sind rund 20 000 aktive Fasnachtler, die sich in so genannten Cliquen, vom Hundert-Mann-Korps bis zum ganz kleinen „Schyssdräggzügli“ zusammengeschlossen haben. Bei den Umzügen tritt jede Clique in militärisch straffer Formation auf: Die Pfeifer mit den Pikkolos vorn, gefolgt vom Tambourmajor mit auffallend großer Larve, der die Tambouren mit den Basler Trommeln anführt. So geht es im althergebrachten Landsknechtschritt nach genau vorgegebenem Rhythmus mit 90 Schritten pro Minute vorwärts. Marsch! Die Trommelmärsche erinnern an die militärische Prägung der Fasnacht, die auf die erste Musterung vor knapp 500 Jahren immer montags nach Aschermittwoch stattfand. Zu diesem „Morgenstraich“, wie man die Tagwache damals nannte, spielten Trommler und Pfeifer auf. Im Anschluss wurde gefeiert. Offiziell genehmigt wurde der „Morgenstraich“ indessen erst im 19. Jahrhundert. Mit dieser Art „Waffenparade“ wollten die Zünfte ihre Macht demonstrieren.
In Basel spielen die Zünfte noch heute eine nicht zu unterschätzende Rolle. Doch bei den Umzügen der Trommler und Pfeifer sind Machtbeweise kein Thema mehr. Spaß und Stolz stehen im Vordergrund. Deshalb kamen die Trommler auf die Idee, auch im Sommer ein fideles Fest einzuführen. Gestalt nahm der Gedanke aber erst an, als einige Fasnachts-Cliquen im schottischen Edinburgh zu Gast waren und dort das siebente Bataillon des königlichen Regiments von Schottland bestaunten. Während einst das Bajonette beim Kampf an vorderster Front die Oberhand hatte, schlagen sich die „7 Scots“ heute vor allem auf Tattoo-Festivals in allen Kontinenten mit ihren Dudelsäcken und Trommeln wacker.
Das Tattoo-Festival und der geschlossene Zapfhahn
Was haben die Auftritte der militärischen „Pipes und Drums“-Musikformationen indes mit Tattoos zu tun, die sich immer mehr Menschen mehr oder weniger geschmackvoll in die Haut ritzen lassen? „Nichts“, erklärt Erik Julliard, der das Basler Tattoo-Festival in diesem Sommer bereits zum zehnten Mal auf die Beine gestellt hat. Den Namen hat die offenbar maulfaule niederländische Unterorganisation der „Royal British Legion“ geprägt. Weil den britischen Kriegsveteranen die ursprüngliche Bezeichnung „Doe den tap toe“, wörtlich: „Schließ den Zapfhahn“,zu lang war, machten sie kurzerhand „Tattoo“ daraus. Das gefiel den Baslern, allen voran den Fasnachts-Pfeifern und Trommlern so gut, dass sie es ohne Zögern übernahmen. Seitdem schmettern alljährlich im Juli geschniegelte Rekruten aller Kontinente in perfekten Formationen ihre Marschmelodien in den mit Laserstrahlen illuminierten Himmel über dem ehemaligen Kasernenhof, der heute als Schulhof genutzt wird.
„So schön hät ys au gärn ghaa“ hört man einen Veteranen inmitten der Zuschauer-Ränge sagen. Ja, so schön wird im Sommer in Basel erst getrommelt und gepfiffen, seit es das Tattoo-Festival gibt. Aber die „schenschte Däg“ bleiben trotzdem die Fasnachtstage im bitterkalten Winter.
Bilder: ©RWG
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