Eine Bauzeit von mehr als 140 Jahren, neun verschiedene Architekten, drei Baustile, die höchste Kirche der Welt. Das und vieles mehr macht die Basilika in Kataloniens Hauptstadt einzigartig.
Ihre Geschichte begann im späten 19. Jahrhundert und ist eng mit dem Namen des katalanischen Meisterarchitekten Antoni Gaudi (1852-1926) verknüpft: die Basilika de la Sagrada Familia in Barcelona. Obwohl das römisch-katholische Gotteshaus auch 143 Jahre nach der Grundsteinlegung noch immer nicht fertig gestellt ist, gilt es schon heute als ein Wahrzeichen der 1,7 Millionen Einwohner zählenden Metropole am Mittelmeer. Mit der spanischen Spätgotik, dem katalanischen Modernismus und dem Jugendstil vereint die Basilika drei architektonische Stile. Seit 2005 gehört sie zum UNESCO-Weltkulturerbe und ist das meistbesuchte Denkmal in Spanien.
Über drei Millionen Besucher pro Jahr
Jährlich zieht die größte unvollendete Kirche der Welt rund 3,2 Millionen Touristen aus nah und fern in ihren Bann. Sie haben zumeist online ihr Ticket gebucht, reihen sich geduldig in die beachtliche Warteschlange ein, lassen die Taschenkontrollen über sich ergehen und genießen vor dem Eintritt ins Gotteshaus den Anblick der reich verzierten Fassaden.



18 Türme wird die Basilika einmal haben, die zusammen drei prächtige Fassaden bilden: die Geburts-, die Passions- und die Fassade der Herrlichkeit. Die erstgenannte und älteste der drei ist dem Leben Jesu gewidmet. Sie wurde zwischen 1894 und 1930 errichtet. Szenen vom Aufstieg Christi in den Himmel und der ewigen Glückseligkeit zeigt die Fassade der Herrlichkeit. Ihr Bau begann im Jahr 2002 und dauert noch an.
172 Meter hoher Kirchturm
Der höchste der Kirchtürme wird mit 172 Metern der Jesus-Christus-Turm sein, der im kommenden Jahr fertig sein soll. Dann krönt ihn ein vierarmiges, 17 Meter hohes, beleuchtetes und begehbares Kreuz aus Edelstahl. Angefertigt wird es derzeit vom Fassadenbau-Spezialisten Josef Gartner in Gundelfingen an der Donau.
Neun verschiedene Architekten waren über die Jahrzehnte mit dem Projekt Sagrada Familia betraut: anfangs Francisco de Paula del Villar, ein Lehrer und Freund Gaudis. Wegen Meinungsverschiedenheiten mit seinem Finanzier, dem Buchhändler Josep María Bocabella, warf er aber schnell das Handtuch. Ein Jahr später dann Gaudi, zu dessen Lebzeiten die Krypta, die Apsis und Teile der Geburtsfassade fertiggestellt wurden.

Nach dem tragischen Tod des Meisters infolge eines Unfalls mit einer Straßenbahn übernahmen verschiedenen Architekten und Schüler Gaudis die höchst anspruchsvolle Aufgabe. Sie nutzten seine Gipsmodelle und Pläne, um den Bau fortzusetzen. Ihm zu Ehren ist die Fertigstellung der Sagrada Familia für 2026 geplant, wenn sich sein Todestag zum 100. Mal jährt. Skeptiker halten ein Bauende in den 2030-er Jahren jedoch für wahrscheinlicher. Seine letzte Ruhestätte fand der berühmte Katalane in dem Gotteshaus, das als sein Hauptwerk gilt. Mit diesen Worten charakterisierte er es selbst: „Die Sühnekirche Sagrada Familia wurde vom Volk geschaffen und spiegelt sich in ihm wider. Es ist ein Werk, das in den Händen Gottes und dem Willen des Volkes liegt.“
Inspiriert von der Natur
Am 7. November 2010 wurde die Basilika von Papst Benedikt XVI. geweiht. Der Titel Kathedrale war in der Stadt schon lange vergeben. Dieses Gotteshaus befindet sich im Gotischen Viertel und wurde vom 13. bis ins 15. Jahrhundert errichtet. Beim Betreten der Sagrada Familia überraschen deren für Kirchen ungewöhnliche Helligkeit und die überaus modern wirkende Gestaltung. Ihr Grundriss hat die Form eines Kreuzes, das Hauptschiff eine Länge von 90 Metern. Die Querarme sind 60 Meter lang und 45 Meter breit.

Gaudis Meisterwerk prägen religiöse Symbole, Naturmotive und tief verwurzelte Heimatverbundenheit. Der Meister ließ sich von der Natur inspirieren, vermied gerade Linien sowie rechte Winkel und setzte auf sanfte Kurven und fließende Formen.
Tempel des Lichts
Wie Baumstämme scheinen waldartige Säulen aus Granit, Basalt oder Porphyr, die sich nach oben verzweigen, in den Himmel zu wachsen. Die Raumhöhe beträgt bis zu 60 Meter. Buntglasfenster tauchen das Bauwerk in melancholische Grün- und Blautöne sowie in warme Rot- und Orangetöne. „Die Herrlichkeit ist das Licht, das Licht gibt Freude, und die Freude ist die Heiterkeit des Geistes“, sagte Gaudi einmal.
Das Farb- und Lichtspiel im Inneren der Kirche ist atemberaubend. Die blaugrünen Farben der Fenster der Geburtsfassade symbolisieren die Lebendigkeit und den Aufschwung des Lebens. Einen Kontrast dazu bilden die rot-orangen Farben der Passionsfassade, die für Leid und Opfer stehen.



Im Volksmund wird das gewaltige Gotteshaus als „Kathedrale der Armen“ bezeichnet, weil ihren Bau ausschließlich private Gelder finanzieren. Die Spenden stammen von Gläubigen und Anhängern des Mammutprojekts. Diese Tatsache erklärt wohl auch die stolzen Eintrittspreise. Bei einer Online-Buchung beginnt die Eintrittsgebühr pro Person gegenwärtig bei 26 Euro. Mit Turmbesuch beträgt sie 36 Euro, mit Führung 40 Euro. Für Senioren und Studierende gibt es geringe Nachlässe. Kinder unter elf Jahren sowie Personen mit Behinderung haben freien Eintritt.
Im nächsten Jahr darf sich Barcelona mit dem Titel „Welthauptstadt der Architektur“ schmücken, den die UNESCO alle drei Jahre auf Initiative der Internationalen Architektenvereinigung verleiht. Zuletzt ging die Auszeichnung an Rio de Janeiro (2020) und Kopenhagen (2023).